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Seltene Anomalie nicht entdeckt – Diagno­se­irrtum

(DAV). Auch ein Arzt, der eine sorgfältige und vollständige Befund­er­hebung durchführt, kann sich irren. Zieht das negative Folgen für den Patienten nach sich, kann sich die Frage stellen: Muss der Mediziner haften?

Mit dieser Frage hatte sich das Oberlan­des­gericht Hamm zu beschäftigen, wie die Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) berichtet.

Die Frau hatte sich eine Spirale einsetzen lassen. Zwei Jahre später wurde sie ungewollt schwanger. Sie brachte ein gesundes Mädchen zur Welt. Gegen ihren Gynäkologen klagten sie und ihr Partner auf Schadens­ersatz. Sie forderte von dem Arzt ein Schmer­zensgeld von 5.000 Euro, einen Verdienst­ausfall von rund 28.000 Euro und den Ersatz von Unterhalts- und Betreu­ungs­leis­tungen für ihre Tochter bis zum Eintritt der Volljäh­rigkeit. Die Frau argumen­tierte, der Frauenarzt hätte bei der Ultraschall­un­ter­suchung erkennen müssen, das bei ihr eine Anomalie bestehe. Die doppelte Anlage von Vagina und Uterus verhindere, dass die Spirale als Verhütungs­mittel wirken könne. 

Kein Befund­er­he­bungs­fehler, kein Diagno­se­fehler

Das sahen die Richter nicht so. Der Arzt habe alle Untersu­chungen durchgeführt, die nach dem medizi­nischen Standard geboten gewesen seien. Für die Anomalie der Patientin habe es keine Hinweise gegeben. Auch in den ganzen Jahren zuvor, in denen die Frau in gynäko­lo­gischer Behandlung gewesen sei, hätte es hierfür nie Anhalts­punkte gegeben. Die vorliegende Anomalie sei extrem selten und bei einer Spiegelung häufig auch nicht festzu­stellen. Man könne dem Arzt nicht vorwerfen, dass er sie nicht erkannt habe. 

Arzt haftet nicht für Diagno­se­irrtum

Dem Mediziner sei demzufolge weder ein Befund­er­he­bungs­fehler unterlaufen noch ein Diagno­se­fehler. Lediglich von einem Diagno­se­irrtum sei auszugehen. Von einem Diagno­se­irrtum spreche man etwa dann, wenn ein Arzt aus vollständig erhobenen Befunden einen falschen Schluss ziehe. Anders als bei einem Diagno­se­fehler müsse er dafür nicht haften. Aus einem Diagno­se­irrtum werde erst dann ein Diagno­se­fehler, wenn die Diagnose zum „Zeitpunkt der medizi­nischen Behandlung aus der Sicht eines gewissen­haften Arztes medizinisch nicht vertretbar sei“.

Oberlan­des­gericht Hamm am 29. Mai 2015 (AZ: 26 U 2/13)

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Rechts­gebiete
Haftungsrecht (freie Berufe) Medizinrecht

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