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Rückwärts gerollt: Wer ist Schuld?

(red/dpa). Autofahrer kennen die Situation: Völlig unverhofft rollt das Fahrzeug des Vordermanns zurück. Meist bemerkt dieser das rechtzeitig, doch manchmal kracht es. Muss der Zurück­rollende allein den Schaden tragen?

Die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) berichtet über einen Fall, in dem das Landgericht Saarbrücken die Haftung vier Fünftel zu einem Fünftel teilte.

Der Autofahrer wollte an einer Kreuzung rechts an dem Pkw vor ihm vorbei­fahren. Dieser stand zunächst, sein Fahrer beabsichtigte, links abzubiegen. Als der Wagen rückwärts rollte, während der andere losfuhr, um zu überholen, kollidierten die beiden Fahrzeuge. Der Fahrer des geradeaus fahrenden Autos klagte. Er ging davon aus, dass sein Unfall­gegner alleine für den Unfall­schaden haften muss. 

Seiten­abstand unterschritten

Das Gericht in erster Instanz sah Verkehrs­ver­stösse auf beiden Seiten. Das eine Fahrzeug sei rückwärts gerollt, das andere habe den gebotenen Seiten­abstand unterschritten und so den Unfall mitver­ursacht. Die Unfall­gegner sollten je die Hälfte des Schadens zahlen. 

Das sah das Gericht in zweiter Instanz deutlich anders: Es entschied, dass der  verhinderte Linksab­bieger dem Kläger vier Fünftel des Schadens ersetzen müsse. Dieser habe keinen Verkehrs­verstoß begangen. 

Es stehe schon nicht fest, dass ein zu geringer Seiten­abstand überhaupt zum Unfall beigetragen hätte. Unter den gegeben Umständen sei es wahrscheinlich, dass nicht der mangelnde seitliche Abstand, sondern lediglich die Verkürzung des Abstandes nach vorne – durch das Ausscheren des überho­lenden Autos – den Unfall mitver­ursacht habe. 

Fahrer muss Abstands­ver­kürzung durch rückwärts rollendes Auto nicht einkal­ku­lieren

Auch ein Unterschreiten des gebotenen Mindest­abstand konnten die Richter nicht erkennen. Ein Fahrzeug müsse von einem voraus­fah­renden Fahrzeug einen so großen Abstand halten, dass der Fahrer auch dann rechtzeitig halten könne, wenn das Auto vor ihm plötzlich bremse. Eine Verkürzung des Abstandes durch ein Rückwärts­rollen des Fahrzeuges vor ihm müsse der Nachfolgende jedoch nicht einkal­ku­lieren. 

Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass dem Verkehrs­verstoß auf der einen Seite auf der anderen Seite nur die Betriebs­gefahr des Fahrzeugs gegenüberstand. Gänzlich ließe sich der Unfall nicht mehr aufklären, daher müsse man zu Gunsten des beklagten Fahrers berück­sichtigen, dass er unter Umständen weniger als einen Meter zurück­gerollt sei.

Der überholende Fahrer habe sich allerdings nicht wie ein so genannter Idealfahrer verhalten. Dieser hätte sich dem anderen Fahrzeug so vorsichtig genähert, dass er noch rechtzeitig hätte halten können. Außerdem hätte er den Abstand so groß bemessen, dass es selbst bei einem längeren Zurück­rollen nicht zur Kollision gekommen wäre. Wäre dies nicht möglich gewesen, hätte der Idealfahrer ganz auf das Überholen verzichtet.

Landgericht Saarbrücken am 13. Juni 2014 (AZ: 13 S 56/14)

Quelle: www.verkehrsrecht.de

Rechts­gebiete
Verkehrsrecht Verkehrs­ver­si­che­rungsrecht

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