Anwältin/Anwalt suchen!

Merkzettel

Es befinden sich noch keine Anwälte in Ihrer Merkliste.

Tipps&Urteile

Lebens­mit­telpunkt des Kindes: Entscheidend ist das Kindeswohl

(DAV). Wo soll nach der Trennung das Kind leben? Diese Frage beschäftigt viele Eltern. Das Gericht entscheidet, wer den Lebens­mit­telpunkt eines Kindes festlegen darf. Der Maßstab dabei: das Kindeswohl. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, wo das Kind bisher gelebt hat und ob dieser Elternteil dem anderen ausreichend Umgang gewährt.

Das Oberlan­des­gericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Vater die Erziehungs­eignung der Mutter in Frage stellte. Er begründete dies damit, dass sie abends ab und zu ausgehe und zunehmend berufstätig sei. Zudem habe der Sohn eine stärkere Bindung an den Vater.

Der Junge lebt seit seiner Geburt ununter­brochen im Haus der Mutter. Sie betreut und versorgt ihn. Die Eltern hatten sich darauf verständigt, dass die Mutter im ersten Lebensjahr Erziehungszeit nimmt. Nach der Trennung der Eltern blieb der Junge im Haushalt der Mutter.

Kontinuität – ein wichtiger Grundsatz

Der Antrag des Vaters blieb ohne Erfolg, teilt die Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mit. Die Richter entschieden auf Basis  des Sachver­stän­di­gen­gut­achtens, der Berichte des Jugendamts und des Verfah­rens­bei­stands sowie der persön­lichen Anhörung von Eltern und Kind. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn die Mutter entscheidet, wo das Kind dauerhaft lebt.

Bei gleicher Erziehungs­eignung der Eltern spreche der Grundsatz der Kontinuität dafür, dass der Junge seinen Lebens­mit­telpunkt im Haus der Mutter behalte. Zwar orientiere sich der Junge derzeit mehr am Vater, doch entspreche eine Beibehaltung des Lebens­mit­tel­punktes bei der Mutter mit einem möglichst umfang­reichen Umgangsrecht des Vaters dem Kindeswohl am besten.

Der Junge habe sich alters­gerecht entwickelt. Schon dies spreche gegen die vom Vater wiederholt erhobenen Vorwürfe gegen die Erziehungs­eignung der Mutter. Es sei keinesfalls zu beanstanden, wenn sie an einem Abend ausgehe, soweit sie für eine angemessene Kinder­be­treuung sorge. Auch der Umstand, dass die Mutter zur Ausübung und Erweiterung der Berufs­tä­tigkeit eine Fremdbe­treuung in Anspruch nehme, rechtfertige nicht den Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters. Es bestünden somit keinerlei Bedenken gegen die Erziehungs­fä­higkeit der Mutter.

Neben der Bindung zur Mutter verfüge der Junge am Wohnort über Kontakte, die er bei einem Wechsel in den Haushalt des Vaters verlöre. Er besuche vier Tage pro Woche die Kinder­ta­ges­stätte. Nach Aussagen der Erziehe­rinnen gehe er sehr gerne in die Einrichtung. Er sei ein unproble­ma­tisches, sehr soziales Kind, freundlich, hilfsbereit und nicht aggressiv. Demgegenüber könne er die bestehenden familiären und freund­schaft­lichen Beziehungen am Wohnort des Vaters durch das regelmäßige umfang­reiche Umgangsrecht weiter fortsetzen. Es sei für die Entwicklung des Kindes positiv zu bewerten, dass er die Vorzüge einer ländlichen Umgebung am Wochenende beim Vater unbeschwert genießen könne. Die Vorteile einer städtischen Umgebung – das größere Angebot an Kitas, Schulen und Freizeit­ein­rich­tungen sowie deren bessere Erreich­barkeit – gingen bei einem Wechsel des Wohnorts verloren.

Auch die etwas stärkere Orientierung zum Vater rechtfertige keine andere Entscheidung. Der Junge verfüge über sichere Bindungen zu beiden Eltern­teilen. Der Sachver­ständige habe dargelegt, dass in diesem Alter das Kriterium der Bindung nicht zu hoch zu gewichten sei, da sich in der frühen Kindheit die Orientie­rungen des Kindes sehr schnell ändern könnten.

Außerdem gehe das umfang­reiche Umgangsrecht des Vaters weit über das übliche Maß hinaus. Trotz des Eltern­kon­flikts werde der Umgang an drei Wochenenden im Monat regelmäßig und weitgehend unproble­matisch praktiziert. Dies spreche eindeutig für die Toleranz der Mutter.

Oberlan­des­gericht Köln am 31. Juli 2012 (AZ: II-4 UF 262/11)

Quelle: www.dav-famili­enrecht.de 

Rechts­gebiete
Ehe- und Famili­enrecht

Zurück