Das Oberlandesgericht Köln hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Vater die Erziehungseignung der Mutter in Frage stellte. Er begründete dies damit, dass sie abends ab und zu ausgehe und zunehmend berufstätig sei. Zudem habe der Sohn eine stärkere Bindung an den Vater.
Der Junge lebt seit seiner Geburt ununterbrochen im Haus der Mutter. Sie betreut und versorgt ihn. Die Eltern hatten sich darauf verständigt, dass die Mutter im ersten Lebensjahr Erziehungszeit nimmt. Nach der Trennung der Eltern blieb der Junge im Haushalt der Mutter.
Kontinuität – ein wichtiger Grundsatz
Der Antrag des Vaters blieb ohne Erfolg, teilt die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mit. Die Richter entschieden auf Basis des Sachverständigengutachtens, der Berichte des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie der persönlichen Anhörung von Eltern und Kind. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn die Mutter entscheidet, wo das Kind dauerhaft lebt.
Bei gleicher Erziehungseignung der Eltern spreche der Grundsatz der Kontinuität dafür, dass der Junge seinen Lebensmittelpunkt im Haus der Mutter behalte. Zwar orientiere sich der Junge derzeit mehr am Vater, doch entspreche eine Beibehaltung des Lebensmittelpunktes bei der Mutter mit einem möglichst umfangreichen Umgangsrecht des Vaters dem Kindeswohl am besten.
Der Junge habe sich altersgerecht entwickelt. Schon dies spreche gegen die vom Vater wiederholt erhobenen Vorwürfe gegen die Erziehungseignung der Mutter. Es sei keinesfalls zu beanstanden, wenn sie an einem Abend ausgehe, soweit sie für eine angemessene Kinderbetreuung sorge. Auch der Umstand, dass die Mutter zur Ausübung und Erweiterung der Berufstätigkeit eine Fremdbetreuung in Anspruch nehme, rechtfertige nicht den Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters. Es bestünden somit keinerlei Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Mutter.
Neben der Bindung zur Mutter verfüge der Junge am Wohnort über Kontakte, die er bei einem Wechsel in den Haushalt des Vaters verlöre. Er besuche vier Tage pro Woche die Kindertagesstätte. Nach Aussagen der Erzieherinnen gehe er sehr gerne in die Einrichtung. Er sei ein unproblematisches, sehr soziales Kind, freundlich, hilfsbereit und nicht aggressiv. Demgegenüber könne er die bestehenden familiären und freundschaftlichen Beziehungen am Wohnort des Vaters durch das regelmäßige umfangreiche Umgangsrecht weiter fortsetzen. Es sei für die Entwicklung des Kindes positiv zu bewerten, dass er die Vorzüge einer ländlichen Umgebung am Wochenende beim Vater unbeschwert genießen könne. Die Vorteile einer städtischen Umgebung – das größere Angebot an Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen sowie deren bessere Erreichbarkeit – gingen bei einem Wechsel des Wohnorts verloren.
Auch die etwas stärkere Orientierung zum Vater rechtfertige keine andere Entscheidung. Der Junge verfüge über sichere Bindungen zu beiden Elternteilen. Der Sachverständige habe dargelegt, dass in diesem Alter das Kriterium der Bindung nicht zu hoch zu gewichten sei, da sich in der frühen Kindheit die Orientierungen des Kindes sehr schnell ändern könnten.
Außerdem gehe das umfangreiche Umgangsrecht des Vaters weit über das übliche Maß hinaus. Trotz des Elternkonflikts werde der Umgang an drei Wochenenden im Monat regelmäßig und weitgehend unproblematisch praktiziert. Dies spreche eindeutig für die Toleranz der Mutter.
Oberlandesgericht Köln am 31. Juli 2012 (AZ: II-4 UF 262/11)
Quelle: www.dav-familienrecht.de