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Kündigung: Arbeitgeber muss ‚betriebliche Erfordernisse’ erklären

(dpa/red). Die Produktion wird umgestellt, die Aufträge gehen zurück. Nicht selten werden in solchen Fällen Mitarbeiter gekündigt. Von dringenden betrieb­lichen Erforder­nissen spricht dann das Unternehmen. Reicht dies als Begründung?

Im Falle einer Kündigungs­schutzklage muss der Arbeitgeber diese Erfordernisse und ihre Auswir­kungen auf den wegfal­lenden Arbeitsplatz genau erklären können, so das Landes­ar­beits­gericht Rheinland-Pfalz.

Ein Unternehmen hatte einen Großauftrag erhalten und benötigte personelle Unterstützung in der Abteilung Rechnungs­er­stellung. Im Juni 2011 stellte es eine Bürokauffrau in Teilzeit ein. Deren Tätigkeits­schwerpunkt war die Rechnungs­er­stellung. In der Abteilung Rechnungs­er­stellung waren außer ihr noch eine Vollzeit- und eine weitere Teilzeitkraft beschäftigt.

Kündigung wegen Umsatz­rückgang

Im Juli 2013 erhielt die Mitarbeiterin ein Kündigungs­schreiben. Sie erhob Kündigungs­schutzklage. Rund einen Monat später kündigte die andere in der Abteilung arbeitende Teilzeitkraft, da sie vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen wollte.

Das Unternehmen hatte die Kündigung der Bürokauffrau mit dem Wegfall des Großauftrags begründet. Während der Betrieb im Jahr 2009 – also vor dem Großauftrag – einen Umsatz von 6,7 Millionen Euro gemacht hätte, seien es in den Jahren 2011 und 2012 10,5 Millionen Euro beziehungsweise 11,3 Millionen Euro gewesen. Nach Abschluss des Großauftrags habe der Umsatz im Jahr 2013 dann nur noch bei 4,8 Millionen Euro gelegen.

Die Frau bestritt jedoch, dass ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt würde. Außerdem habe das Unternehmen bereits von der Kündigungs­absicht der anderen Teilzeitkraft gewusst, als es ihr gekündigt habe. 

Kündigung nicht sozial gerecht­fertigt

Die Richter gaben der Frau Recht. Die Kündigung sei nicht sozial gerecht­fertigt. Es hätten für sie keine „dringenden betrieb­lichen Erfordernisse“ gegeben. Solche betrieb­lichen Erfordernisse könnten einerseits innerbe­trieblich bedingt sein, etwa durch Rationa­li­sie­rungs­maß­nahmen oder eine Produk­ti­ons­um­stellung. Andererseits könnten es außerbe­triebliche Gründe sein, zum Beispiel Auftrags­mangel oder Umsatz­rückgang. In jedem Fall müssten die Erfordernisse ‚dringend’ sein und eine Kündigung im Interesse des Unternehmens notwendig machen.

Auswir­kungen auf wegfal­lenden Arbeitsplatz darlegen

Beruft sich der Arbeitgeber auf betriebliche Erfordernisse, muss er diese in einem Kündigungs­schutz­prozess genau darlegen können – und zwar so, dass der Arbeit­nehmer Gegentat­sachen vorbringen könne und das Gericht die Möglichkeit einer Überprüfung habe. Der Arbeitgeber müsse auch in der Lage sein, zu erklären, wie sich die Umstände, die er für die Kündigung angeben hat, auf den Arbeitsplatz des betroffenen Mitarbeiters ausgewirkt hätten.

Nach Ansicht des Gericht konnte dies das Unternehmen gerade nicht. Es konnte nicht nachweisen, dass sich infolge des Umsatz­rück­ganges der Arbeits­anfall im Bereich Rechnungs­er­stellung so reduziert hatte, dass es deswegen der Mitarbeiterin kündigen musste. Zum einen – das habe das Unternehmen selbst dargelegt – sage allein die Anzahl der Rechnungen wenig über den Arbeits­anfall in der Rechnungs­er­stellung aus. Zum anderen bestehe kein Zusammenhang zwischen Umsatz und Anzahl der Rechnungen. Die Richter wiesen darauf hin, dass 2012 trotz eines im Vergleich zu 2009 fast 70 Prozent höheren Umsatzes die Anzahl der Rechnungen nur geringfügig höher lag. 

Auch das Argument des Unternehmens, seit Anfang September 2013 habe sich gezeigt, dass die vorhandene Arbeitsmenge eine Vollzeitkraft alleine erledigen könne, wiesen die Richter zurück. Denn der Rückgang dieser Arbeitsmenge beruhe darauf, dass aktuell immer mehr Aufträge in der Abteilung Arbeits­vor­be­reitung abgewickelt würden. Diese Abteilung sollte zum Zeitpunkt der Kündigung jedoch erst aufgebaut werden. Aus Sicht des Gerichts war daher zu dieser Zeit noch gar keine Prognose möglich, ob, wann und in welchem Umfang die Tätigkeit der neuen Abteilung zu einer Reduzierung der Arbeitsmenge für die gekündigte Mitarbeiterin führen würde.

Landes­ar­beits­gericht Rheinland-Pfalz am 2. Juli 2014 (AZ: 4 Sa 36/14)

Rechts­gebiete
Arbeitsrecht Kündigungs­schutzrecht

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