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Krankenkasse entscheidet zu langsam: Behandlung gilt als genehmigt

(red/dpa). Kranken­kassen müssen über den Antrag zur Übernahme von Behand­lungs­kosten innerhalb von fünf Wochen entscheiden. Sind sie dazu nicht im Stande, müssen sie den Versicherten darüber informieren. Andernfalls gilt die Behandlung als genehmigt.

Das Sozial­gericht Heilbronn hat entschieden, dass eine beantragte Hautstraf­fungs­ope­ration als genehmigt gilt, weil die Krankenkasse nicht rechtzeitig entschied oder zumindest über Verzögerung hinreichend informierte. Darüber informiert die Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV). 

Krankenkasse will Hautstraffung nicht bezahlen

Die 55-jährige, bei einer Betriebs­kran­kenkasse (BKK) versicherte Frau lebt bei Ludwigsburg. Nach einer von der Krankenkasse bezahlten Schlauchmagen-OP im September 2012 verlor sie knapp 50 Kilogramm. Bei einer Größe von 1,46 Meter wiegt sie seit mehr als zwei Jahren nunmehr stabil 43 Kilogramm. Ende 2013 beantragte sie bei der BKK die operative Straffung von erheblichen Hautüber­schüssen an verschiedenen Körper­partien.

Sie habe wegen ihrer drastischen Gewichts­re­duktion am ganzen Körper schmerzhafte Hautlappen. Ihr Gesäß habe so viele Hautfalten, dass sie nicht mehr schmerzfrei sitzen könne. Unter ihren hängenden Busen, an ihrem Bauch und im Nabelbereich hätten sich schmerzhafte Pilzin­fek­tionen und übelrie­chende Wunden gebildet. Sie schlafe daher sehr unruhig, zumal sie an ihren Hautlappen hängen bleibe und ihr dies sehr weh tue. Aus Scham zeige sie sich in der Öffent­lichkeit nur mit vollständiger Körper­be­deckung. 

Ohne die Klägerin schriftlich darüber zu informieren, dass sie den Antrag nicht binnen der gesetz­lichen Fünf-Wochen-Frist bearbeiten könne, lehnte die BKK erst ein halbes Jahr nach dem Antrag ab, die Kosten für die operative Hautstraffung in den Bereichen Oberarme, Gesäß und Oberschenkel zu übernehmen. Es lägen "keine organischen Beeinträch­ti­gungen" vor. Hingegen bewilligte die BKK die Kosten­übernahme für eine operative Hautstraffung der Bauchwand und der Brüste.

Die Frau klagte. Sie wollte feststellen lassen, dass der Antrag insgesamt als genehmigt gilt. Die Entscheidung habe zu lange gedauert. Die BKK entgegnete, sie räume zwar ein, die gesetz­lichen Fristen und Mittei­lungs­pflichten nicht eingehalten zu haben. Allerdings sei eine Genehmi­gungs­fiktion nicht eingetreten, weil weder eine Krankheit vorliege noch eine OP wirtschaftlich sei, sie den Antrag also habe ablehnen müssen. 

Zu lange gewartet: Krankenkasse bezahlt Hautstraffung

Die Klage hatte Erfolg. Die BKK habe sich nicht an die gesetz­lichen Vorgaben gehalten, was sie selbst eingeräumt hatte. Nach Auffassung des Sozial­ge­richts liefen die gesetz­lichen Vorgaben aber ins Leere, wenn die Krankenkasse im nachhinein erfolgreich vor Gericht hätte argumen­tieren können, dass die Leistung gar nicht hätte bewilligt werden dürfen.

Im übrigen benötigten die Versicherten auch zügig Gewissheit darüber, ob eine beantragte Leistung von der Krankenkasse bezahlt oder zumindest die Kosten hierfür erstattet würden. Das Patien­ten­rech­te­gesetz habe das Ziel, die Rechte des Patienten zu stärken und general­prä­ventiv die Zügigkeit des Verwal­tungs­ver­fahrens zu verbessern.

Sozial­gericht Heilbronn am 11. März 2015 (AZ: S 11 KR 2425/14)

Gegen das Urteil wurde Berufung beim Landes­so­zi­al­gericht Baden-Württemberg eingelegt (AZ: L 5 KR 1510/15).

Quelle: www.dav-sozialrecht.de

Rechts­gebiete
Kranken­ver­si­che­rungsrecht Sozialrecht

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