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Klinik erkennt Minderwuchs nicht: 40.000 Euro Schadens­ersatz

(DAV). Hat ein Patient lediglich einen Versiche­rungs­schein nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz, so sind die Behand­lungs­mög­lich­keiten eingeschränkt: Der Versiche­rungs­schein deckt nur die zur Behandlung akuter Erkran­kungen und Schmerz­zu­stände notwendigen Kosten ab. Das entschuldigt aber weder Behand­lungs­fehler noch unzurei­chende therapeu­tische Aufklärung.

Die Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) berichtet über eine entspre­chende Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Oldenburgs. 

Asylbe­werber: Versiche­rungs­schein deckt nicht alle Untersu­chungen ab

Der Kinderarzt hatte das achteinhalb Jahre alte Mädchen, das wie seine syrische Familie seit 2005 als Asylbe­werberin in Deutschland lebt, an ein Krankenhaus überwiesen. Die Klinikärzte erkannten nicht den Minderwuchs des Kindes, der erst vier Jahre später diagnos­tiziert wurde. Als vertrau­licher Zusatz im Arztbrief an den Kinderarzt vermerkte der behandelnde Oberarzt, das Mädchen verfüge lediglich über einen Versiche­rungs­schein nach dem Asylbe­wer­ber­leis­tungs­gesetz, der weitere Untersu­chungen und eine eventuelle Therapie untersage. Das Krankenhaus hielt sich daher für nicht verpflichtet, den Gesund­heits­zustand des Kindes in einem größeren Umfang als geschehen abzuklären. Schließlich sei diese Behandlung nicht abrech­nungsfähig.

 

Gericht: Behand­lungs­fehler und mangelnde Aufklärung

Das Gericht war anderer Meinung. Es verurteilte die Klinik zur Zahlung von 40.000 Euro Schmer­zensgeld. Darüber hinaus ist sie verpflichtet, künftige Schäden, die dem Mädchen aus der fehler­haften Behandlung entstehen, zu ersetzen.
 

Die Richter stellten fest, dass der Kranken­hausarzt es versäumt habe, aus den erhobenen Befunden die richtigen Schlüsse zu ziehen. Der Sachver­ständige hatte dargelegt, dass der Arzt auf Grundlage der Ergebnisse sichere Feststel­lungen auf eine zu frühe Pubertäts­ent­wicklung mit erkennbarer Beschleu­nigung der Skelettal­terung und erheblicher Einschränkung der Wachstums­prognose hätte treffen müssen.

Ein Behand­lungs­fehler, entschieden die Richter. Darüber hinaus hätte die Klinik den Vater über die gebotenen Therapie­maß­nahmen aufklären müssen und darüber, dass eine weitere Behandlung aus Kosten­gründen nicht erfolgen könne. Zeugen­aussagen hatten ergeben, dass Famili­en­mit­glieder privat die weiteren Behand­lungs­kosten finanziert hätten, teilweise hätte eine Kranken­ver­si­cherung des Vaters gezahlt.

Das Mädchen ist heute 144 Zentimeter groß. Hätte das Krankenhaus den Minderwuchs erkannt, hätte es eine Körpergröße von 156 Zentimetern erreichen können.


Oberlan­des­gericht Oldenburg am 21. Mai 2014 (AZ: 5 U 216/11)

Informa­tionen: www.dav-medizinrecht.de

Rechts­gebiete
Arzthaf­tungsrecht Medizinrecht

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