(DAV). Gewalt in der Kindheit kann lebenslange körperliche und seelische Folgen haben. Die juristische Aufarbeitung solcher Fälle ist oft schwierig und emotional belastend. Im Mittelpunkt eines aktuellen Urteils des Sozialgerichts München steht der Fall eines jungen Mannes, der in seiner Kindheit systematisch körperlich misshandelt wurde. Das Gericht hatte zu entscheiden, inwieweit die erlittenen Traumata und gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Grundlage für eine Opferentschädigung anerkannt werden können.
Urteil: Anerkennung von Trauma-Folgestörungen
Das Sozialgericht München hat in seinem Urteil vom 13. Juni 2024 (AZ: S 31 VG 20/21) dem Kläger einen Anspruch auf Beschädigtenrente wegen körperlicher Gewalt in der Kindheit zuerkannt. Die Gewalttätigkeiten, die sich ab dem 1. Dezember 2000 im Haushalt der Familie B. ereigneten, wurden als vorsätzlicher tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) anerkannt. Diese Anerkennung ist von entscheidender Bedeutung, da sie den Anspruch auf Entschädigung und Heilbehandlung ermöglicht, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Gewalt in der Kindheit
Der 1996 geborene Kläger erlitt in seiner Kindheit im Haushalt seiner Familie, die einer christlich-fundamentalistischen Gruppierung angehörte, regelmäßig körperliche Gewalt. Die Erziehung war von Schlägen und anderen gewalttätigen Erziehungsmaßnahmen geprägt. In den Jahren 2003 und 2004 entwickelten sich bei dem Beschwerdeführer Sehstörungen, die schließlich zu einer fast vollständigen Erblindung führten. Diese gesundheitlichen Probleme, die auf einen Gehirntumor zurückzuführen waren, wurden erst spät medizinisch behandelt. Im Jahr 2017 beantragte der Beschwerdeführer eine Opferentschädigung für die erlittene körperliche und seelische Gewalt.
Rentenanspruch wegen Gewalt in der Kindheit
Das Urteil stützt sich auf die Einführung des Rechts auf gewaltfreie Erziehung am 1. Dezember 2000, das körperliche Gewalt gegen Kinder in der Erziehung verbietet.
Das Gericht stellte fest, dass die Schläge und andere körperliche Züchtigungen in der Familie nicht durch erzieherische Ziele gerechtfertigt waren. Aufgrund der Aussagen von Zeugen und eines medizinischen Gutachtens konnte das Gericht die erlittenen Gesundheitsstörungen, insbesondere die komplexe Traumafolgestörung, als Folge der erlittenen Gewalt bestätigen.
Medizinische Bewertung der Schädigungsfolgen
Ein medizinisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger diagnostizierten psychischen Störungen, darunter eine komplexe Traumafolgestörung und rezidivierende Depressionen, wesentlich auf die erlittene körperliche Gewalt zurückzuführen sind.
Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) wurde mit 30 festgestellt, was den Anforderungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) entspricht und Grundlage für die Gewährung von Opferentschädigung ist. Das Urteil macht deutlich, dass die rechtliche Anerkennung körperlicher Misshandlungen in der Kindheit als Ursache psychischer Störungen ein wichtiger Schritt zur Unterstützung von Gewaltopfern ist.
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
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- red/dav