Kann man ein kleines Waldstück brachliegen lassen? Das kann man, trotzdem möchte aber die landwirtschaftliche Unfallversicherung ihren Jahresbeitrag kassieren. Denn: Verfügt jemand über Waldeigentum, liegt die Vermutung nahe, dass es sich dabei um ein forstwirtschaftliches Unternehmen handelt – auch dann, wenn die Waldfläche klein ist. Ist das der Fall, müssen die Eigentümer in die landwirtschaftliche Unfallversicherung einzahlen. Entgegen den bisherigen Vorstellungen des Bundessozialgerichts hält es das Sozialgericht Karlsruhe für ausreichend, wenn der Eigentümer eine forstwirtschaftliche Nutzung plausibel bestreitet. Es sei nicht notwendig, eine anderweitige Nutzung nachzuweisen. Für ein komplett brachliegendes Waldstück müsse dann nicht in die Unfallversicherung eingezahlt werden, so die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Gegen eine Versicherungspflicht allein aufgrund von Waldeigentum hatten die Sozialrichter in Karlsruhe verfassungsrechtliche Bedenken.
Landwirtschaftliches Unternehmen auch bei kleinem Wald
Dem Mann gehört ein zu vier Fünfteln mit Wald bewachsenes, 0,58 Hektar großes Grundstück. Er meinte, er ziehe keinen Nutzen aus seinem Grundstück. Es würde nur zur dauerhaften Verwilderung sowie als Brachland, als Anfahrgrundstück und zur Werterhaltung genutzt. Die Flächen lägen schon immer brach, und eine Bewirtschaftung sei auch nicht vorgesehen.
Die Behörde war jedoch der Überzeugung, dass dennoch ein landwirtschaftliches Unternehmen bestehe, für das der Eigentümer in die forstwirtschaftliche Unfallversicherung einzahlen müsse. Für ein forstwirtschaftliches Unternehmen sei eine Gewinnerzielungsabsicht oder Gewerbsmäßigkeit keine zwingende Voraussetzung. Es komme auch ein „aussetzendes Unternehmen“ in Betracht, das nur in größeren zeitlichen Abständen die Fläche nutze. Ansonsten müsse der Eigentümer eine andere Nutzung konkret nachweisen.
Freiheit für Karl den Käfer
Der streitbare Kleinwald-Eigentümer zeigte sich unbeeindruckt: Gegen den Bescheid über die Versicherungs- und Beitragspflicht für ein forstwirtschaftliches Unternehmen erhob er Widerspruch. Er führte aus, dass er kein forstwirtschaftliches Unternehmen führe. Die Waldfläche sei aufgrund ihrer geringen Größe für eine wirtschaftliche Nutzung nicht geeignet. Der Wald sei zur Verwilderung bestimmt, um seinen „Öko-Terrorismus vollstens auszuleben sowie Karl dem Käfer eine Heimat zu bieten“. Es ging wohl nicht so sehr um die rund 42 Euro pro Jahr, sondern ums Prinzip.
Keine Unfallversicherungspflicht
Nach Ansicht des Gerichts betreibt der Mann kein forstwirtschaftliches Unternehmen. Damit sei er nicht in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versichert und auch nicht gegenüber der landwirtschaftlichen Unfallversicherung beitragspflichtig. Zwar könnten auch sehr kleine Flächen ein Unternehmen der Forstwirtschaft sein. Auch sei richtig, dass allein schon das Wachsen und Nachwachsen von Bäumen ein Unternehmen vermuten lassen.
Die Bearbeitung und Bewirtschaftung von Waldflächen könne entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft auf verschiedene Weise erfolgen. Während die so genannten Nachhaltsunternehmen jedes Jahr schlagreifes Holz ernteten, geschehe dies bei den sogenannten aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Abständen. Dabei könnten sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen. Demnach könnten sich forstwirtschaftliche Unternehmen zumindest über lange Zeiträume hinweg in ihrer äußeren Erscheinung stark unterscheiden.
Abkehr vom Bundessozialgericht
Allerdings dürften die Anforderungen an den Nachweis des Gegenteils nicht zu hoch sein. Und hier verließen die Karlsruher Sozialrichter die Linie des Bundessozialgerichts: Würde man – wie das Bundessozialgericht – verlangen, dass eine konkrete andere Nutzung nachgewiesen werden müsste, könnte ein Brachliegenlassen nicht von der Versicherungspflicht befreit werden – selbst wenn gar keine Forstwirtschaft erfolge. Dies sei verfassungsrechtlich bedenklich. Daher genüge die plausible Behauptung des Eigentümers, das Grundstück nicht zu bewirtschaften.
Fazit
Mit Hilfe eines Sozialrechtsanwalts kann man sich erfolgreich auch gegen Versicherungen und Behörden wehren. Und: Sozialrechtsanwältinnen und -anwälte machen mehr als „Hartz-IV“.
Sozialgericht Karlsruhe am 9. April 2014 (AZ: S 15 U 2643/13)
Quelle: www.dav-sozialrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 24.06.2014