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Keine Aussage - keine Strafe: Gericht setzt Zeugen­pflichten klare Grenzen

(DAA). Stellen Sie sich vor, Sie werden Zeuge einer Straftat. Die Polizei fordert Sie auf, einen Zeugen­fra­gebogen auszufüllen. Müssen Sie darin alle Details angeben, auch wenn nicht explizit danach gefragt wird?

Das Landgericht Berlin I hat am 14. August 2024 (AZ: 525 Qs 80/24) entschieden, dass das Verschweigen von Umständen, nach denen in einem polizei­lichen Zeugen­fra­gebogen nicht ausdrücklich gefragt wird, keine Strafver­ei­telung darstellt. Das Gericht bestätigte damit die Entscheidung des Amtsge­richts Berlin-Tiergarten, das die Hauptver­handlung gegen einen Beschul­digten wegen fehlender ‚Garanten­stellung‘ nicht eröffnet hatte. Unter Garanten­stellung versteht man eine besondere rechtliche Verant­wortung zur Verhin­derung rechts­widriger Zustände.

Unvoll­ständige Angaben in einem Zeugen­fra­gebogen

Im Mittelpunkt des Falles stand ein Zeugen­fra­gebogen, in dem ein Zeuge zur Identi­fi­zierung von Tatver­dächtigen befragt wurde. Der Zeuge hatte die Fragen zwar beantwortet, aber eine wichtige Information weggelassen: eine ihm bekannte Videoauf­zeichnung, die die Tatver­dächtigen zeigte.

Die Staats­an­walt­schaft warf dem Zeugen vor, er habe auf die Frage, ob er die Tatver­dächtigen auf Lichtbildern wieder­erkennen könne, verschwiegen, dass ihm eine Videoauf­zeichnung der Tat bekannt sei, die eine schnelle Identi­fi­zierung der Täter ermöglicht hätte. Diese Information sei für die Aufklärung der Tat entscheidend gewesen und hätte die Ermitt­lungen erheblich beschleunigen können. Durch das Verschweigen der Videoauf­zeichnung sei die Verfolgung der Tatver­dächtigen um mehr als ein Jahr verzögert worden.

Keine umfassende Offenba­rungs­pflicht - keine Strafver­ei­telung im Amt

Das Landgericht Berlin I wies die Beschwerde der Staats­an­walt­schaft zurück und stellte fest, dass ein Zeuge nur dann zur umfassenden Offenbarung verpflichtet sei, wenn eine besondere Pflicht bestehe; rechtlich müsse eine entspre­chende Garanten­stellung vorliegen.

Bei schrift­lichen Zeugen­ver­neh­mungen, wie sie z.B. in polizei­lichen Fragebögen durchgeführt werden, ist dies nicht der Fall. Der Zeuge muss sich hier nur zu den konkret gestellten Fragen äußern. Im Gegensatz zu einer richter­lichen Vernehmung (nach § 69 Abs. 1 StPO), die eine umfassende Offenlegung aller für den Sachverhalt relevanten Informa­tionen verlangt, ist der Zeuge bei schrift­lichen polizei­lichen Verneh­mungen nicht zu einer lückenlosen Schilderung verpflichtet.

Zeugen­pflicht nicht schran­kenlos

Die Entscheidung des Landge­richts macht deutlich, dass die Offenba­rungs­pflicht von Zeugen nicht grenzenlos ist.

Für die Strafver­fol­gungs­be­hörden bedeutet das Urteil, dass schriftliche Befragungen durch präzise Fragestel­lungen so zu gestalten sind, dass vollständige und aussage­kräftige Informa­tionen gewonnen werden.

Themen
Behinderte Versicherung
Rechts­gebiete
Sozialrecht
Datum
Autor
red/dav

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