Zumindest haftet er dann nicht, wenn der Patient keine realistische Chance auf Zuteilung einer Leber hat, entschied das Oberlandesgericht Hamm. In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall war der Patient an Leberkrebs erkrankt. Die Tatsache, dass der behandelnde Arzt ihn nicht bei Eurotransplant angemeldet hatte, war jedoch kein Behandlungsfehler.
Leberkrebs und keine Hoffnung auf Transplantation
Der im Januar 2010 im Alter von 60 Jahren verstorbene Patient litt infolge eines 15 Jahre zurückliegenden chronischen Alkoholmissbrauchs an einer Leberzirrhose. Seit April 2008 prüfte die Transplantationsambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in regelmäßigen Abständen den Krankheitsverlauf. Im Juni 2009 wurde ein erhöhter AFP-Wert (Alpha-1-Fetoprotein) festgestellt, im September 2009 der Leberkrebs diagnostiziert. Eine Anmeldung des Patienten zur Vermittlung eines Spenderorgans bei Eurotransplant unterblieb, da die so genannten Mailand-Kriterien nicht mehr erfüllt waren. Anhand dieser Kriterien werden die Erfolgsaussichten einer Lebertransplantation eingeschätzt.
Eine vom Sohn des Patienten angebotene Lebendspende wurde nicht berücksichtigt. Aus Sicht der Erben lag deshalb ein Behandlungsfehler vor. Sie forderten ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für den Verstorbenen als Schadensersatz.
Keine Aussicht auf Transplantation – keine Arzthaftung
Vor zwei Instanzen hatten die Erben keinen Erfolg. Es gebe keinen ärztlichen Behandlungsfehler, der für den vorzeitigen Tod und die Leiden des Patienten verantwortlich sei. Die unterlassene Anmeldung des Patienten bei Eurotransplant könne man der MHH nicht vorwerfen. Zu keinem Zeitpunkt habe die Möglichkeit einer erfolgreichen Anmeldung bestanden. Zu Anfang seien die Leberwerte noch zu gut gewesen, so dass die Zuteilung einer Leber nicht möglich gewesen wäre. Nach der Feststellung des Leberkrebses habe eine Anmeldung nicht mehr erfolgen können, weil die Mailand-Kriterien nicht erfüllt gewesen seien. Der Leberkrebs sei bereits zu weit fortgeschritten gewesen. An die strengen Auswahlkriterien habe sich die Klinik halten müssen. Grund für diese strengen Kriterien sei ein Organmangel, für den die Klinik nicht verantwortlich sei.
Spendenangebot des Sohnes muss nicht berücksichtigt werden
Auf die vom Sohn angebotene Lebendspende hätten die behandelnden Ärzte nicht eingehen müssen. Diese wäre mit einem tödlichen Risiko von einem Prozent für den Spender verbunden gewesen. Ein Arzt könne nicht verpflichtet werden, ein solches Risiko für den – kindlichen – Spender in Kauf zu nehmen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Mailand-Kriterien nicht erfüllt seien. In Deutschland werde eine solche Spende nur dann durchgeführt, wenn auch die Möglichkeit einer
Transplantation bestehe. Eine Lebendspende sei anfangs immer stärker gefährdet als eine Transplantation, denn hierbei komme eine durch Teilung geschädigte Leber in einen geschwächten Körper.
Oberlandesgericht Hamm am 25. März 2014 (AZ: 26 U 135/13)
Quelle: www.dav-medizinrecht.de
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