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Kein Zwang zu politisch korrektem Grabstein

(DAV). Zu Lebzeiten versuchen immer mehr Menschen, auch durch bewusstes Einkaufen Gutes zu tun: fair gehandelte Lebens­mittel, Kleidungs­stücke aus Biobaumwolle und vieles mehr gehört dazu. Das damit verbundene gute Gewissen soll auch noch über den Tod hinaus andauern.

In Stuttgart wird jetzt sogar vorgeschrieben, dass keine Grabsteine aus Kinder­arbeit aufgestellt werden dürfen. Aber darf die Stadt das überhaupt vorschreiben? Reicht die political correctness bis zum Grab? Kann man gezwungen werden, auch noch für jedes Grabmal ein entspre­chendes Zertifikat vorzulegen?

Zertifikate kaum bekannt oder nachvoll­ziehbar

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat diesem Zwang nun eine Absage erteilt. Die Vorschrift der Stuttgarter Friedhofs­satzung, nach der nur Grabsteine aufgestellt werden dürfen, die nachweislich ohne ausbeu­te­rische Kinder­arbeit hergestellt sind, ist rechts­widrig. Der Nachweis hierfür sollte mittels Zertifikat einer anerkannten Organi­sation erbracht werden. Das war ein besonders schwer­wie­gendes Problem. 

Wie soll man überhaupt an die Zertifikate kommen und welche sind allgemein anerkannt? Ausrei­chende Nachweis­mög­lich­keiten bestünden weiterhin nicht, stellte das Gericht in Mannheim klar. Damit wiederholte es die Feststellung einer Entscheidung, die eine vergleichbare Vorschrift in der Friedhofs­satzung der Stadt Kehl für unwirksam erklärt. Es gebe schon keine allgemeine Auffassung darüber, welche Zertifikate für Grabsteine, die ohne ausbeu­te­rische Kinder­arbeit hergestellt sind, als vertrau­ens­würdig gelten können.

Friedhofs­satzung unwirksam

Den Ausfüh­rungen der Gegenseite, es würden nach allgemeiner Auffassung die Siegel der Organi­sa­tionen "XeritifiX" und "fair stone" als vertrau­ens­würdig gelten, folgte das Gericht nicht. Auch dass die baden-württem­ber­gischer Gemeinden in ihren Friedhofs­sat­zungen unterschiedliche Regelungen hätten, spreche gegen das Vorliegen einer so genannten allgemeinen Verkehrs­auf­fassung. 

Besondere Sachkunde bewies das Gericht mit einem Verweis auf die Verbrau­cher­zeit­schrift Ökotest. Diese habe im Mai 2014 festge­stellt, die Meinungen darüber, was nachprüfbare Dokumente für ohne Kinder­arbeit hergestellte Natursteine seien, gingen auseinander. Eine Anhörung von Sachver­ständigen im Landtag von Nordrhein-Westfalen habe ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft bestehender Siegel ungeklärt sei.

Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg am 21. Mai 2015 (AZ: 1 S 383/14, 1 S 403/14, 1 S 491/14, 1 S 556/14)

Rechts­gebiete
Verwal­tungsrecht

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