Gesetzliche Krankenkassen müssen unter bestimmten Umständen auch die Kosten für Medikamente zahlen, die für die konkrete Therapie nicht zugelassen sind. Wann dies der Fall ist, hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden: Wenn herkömmliche Maßnahmen keine Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung bieten und die Therapie mit diesem Medikament als erfolgreich einzuschätzen ist.
Lebensbedrohliche Krebserkrankung
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall war der 46jährige Patient an einem bösartigen Hirntumor erkrankt. Operative, radiologische und chemotherapeutische Maßnahmen konnten den Krebs nicht stoppen. Das Leben des Patienten war akut bedroht. Die behandelnden Ärzte der Universitätsklinik sahen nur noch die Chance, mittels des Medikaments Avastin den tödlichen Verlauf zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Das Medikament ist jdoch für diese Krebsbehandlung nicht zugelassen. Deshalb lehnte die Kasse es ab, die Therapie zu übernehmen. Sie stützte sich dabei auf die Einschätzung des Medizinischen Dienstes.
Gericht: Schnelle Hilfe ist geboten – auf Kosten der Krankenkasse
Das Gericht hat die Krankenkasse im Eilverfahren zur Übernahme der Kosten verpflichtet.
Nach Auffassung der Richter verbiete es die besondere Dringlichkeit, dem Patienten ein langwieriges Verfahren mit Beweiserhebung und Sachverständigengutachten zuzumuten. Vielmehr seien die Rechte des Patienten und der Krankenkasse gegeneinander abzuwägen. Dabei seien der im Grundgesetz verankerte Schutz von Leben und Gesundheit mit den Interessen aller Beitragszahler abzuwägen, keine Kosten für aussichtslose Behandlungen zu tragen. Im Fall des Patienten seien die zugelassenen Methoden der medizinischen Wissenschaft als ausgeschöpft anzusehen. Nach ärztlicher Einschätzung sei die Avastin-Therapie auf Grund gesicherter Daten als erfolgreich einzuschätzen. Unter diesen Voraussetzungen überwiege das Rechtsgut des Patienten auf Leben. Das mehr oder weniger rein finanzielle Risiko einer nicht vollständig sicheren Therapie wiege dagegen weniger.
Bayerisches Landessozialgericht am 8. April 2013 (AZ: L 5 KR 102/13 B ER)
Quelle: www.dav-medizinrecht.de