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Geschlechts­spe­zi­fische Benach­tei­ligung: Lohnnach­zahlung und Entschä­digung

(dpa). Ziel des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes (AGG) ist es, ‚Benach­tei­li­gungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltan­schauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen’. Eine wichtige Rolle spielt das AGG unter anderem im Arbeitsrecht – zum Beispiel, wenn es um unterschiedliche Stundenlöhne für Männer und Frauen geht.

Die Produk­ti­ons­mit­ar­beiterin in einem Schuhfa­bri­ka­ti­ons­betrieb verdiente bis Ende 2012 weniger als ihre männlichen Kollegen. Bis zu diesem Zeitpunkt zahlte das Unternehmen den in der Produktion beschäf­tigten Frauen bei gleicher Tätigkeit geringeren Lohn als den Männern. Auch Anwesen­heits­prämie, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld berechnete es für die Frauen auf der Grundlage des niedrigeren Stunden­lohnes.

Verstoß gegen das AGG

Die Mitarbeiterin errechnete für die Jahre 2009 bis 2012 eine Vergütungs­dif­ferenz von über 8.000 Euro brutto für sich und klagte wegen Verstoßes gegen das AGG: Sie forderte die Nachzahlung dieses Betrags und eine Entschä­digung wegen geschlechts­spe­zi­fischer Benach­tei­ligung.

Der Arbeitgeber argumen­tierte, dass die Ansprüche der Frau bereits verjährt seien. Der Betroffene müsse seine Ansprüche innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie ihm bekannt geworden sind, anmelden. Der Mitarbeiterin sei während der gesamten Dauer ihrer Beschäf­tigung bekannt gewesen, dass die männlichen Produk­ti­ons­mit­ar­beiter einen höheren Lohn erhielten. Die geschlechts­be­zogenen Lohnun­ter­schiede seien im Betrieb jederzeit offen kommuniziert worden. Diesen Umstand habe das Gericht in der ersten Instanz auch nicht ausreichend berück­sichtigt. Eine offene Ungleich­be­handlung wiege nämlich weitaus weniger schwer als eine heimliche Lohndis­kri­mi­nierung.

Gericht: Geschlechts­be­zogene Entgelt­dis­kri­mi­nierung

Das sahen die Richter des Landes­ar­beits­ge­richts Rheinland-Pfalz ganz anders. Das Unternehmen musste der Frau nicht nur die Vergütungs­dif­ferenz, sondern auch eine Entschä­digung in Höhe von 6.000 Euro zahlen. „Die niedrigere Entlohnung beruhte unstreitig allein auf dem Geschlecht und stellt daher eine unmittelbare geschlechts­be­zogene Ungleich­be­handlung dar, die nicht gerecht­fertigt war“, so das Gericht.

Anspruch auf Vergütungs­dif­ferenz muss nicht innerhalb von zwei Monaten angemeldet werden

Die Klägerin habe auch keine Fristen versäumt. Die Regelung des AGG beziehe sich auf Schadens­ersatz, nicht jedoch auf die Nachzahlung von Vergütungs­dif­fe­renzen. Die Mitarbeiterin mache jedoch, was diese Nachzahlung betreffe, keinen Schadens­ersatz, sondern einen Erfüllungs­an­spruch auf vorent­haltene Leistungen geltend.

Ihren Anspruch auf Entschä­digung habe die Frau ebenfalls rechtzeitig im November 2012 angemeldet. Der Betrieb habe seinen Mitarbei­te­rinnen bis Ende 2012 weniger gezahlt. Damit handele es sich um einen so genannten Dauertat­bestand. Die Ausschlussfrist beginne hier erst mit dessen Beseitigung, also ab Jahres­beginn 2013.

Gegenüber der Entscheidung des Arbeits­ge­richts in der ersten Instanz erhöhte das Landes­ar­beits­gericht die Entschä­digung auf 6.000 Euro. Art, Schwere und Dauer der Benach­tei­ligung würden die Festsetzung eines fühlbaren Entschä­di­gungs­be­trages gebieten. Keine Entlastung für den Arbeitgeber konnten die Richter darin entdecken, dass die unterschiedliche Entlohnung von Frauen und Männern im Betrieb nicht verdeckt sondern offen erfolgte. Die geschlechts­be­zogene Ungleich­be­handlung von Männern und Frauen bei der Bezahlung sei eklatant rechts­widrig. Dass diese Ungleich­be­handlung angeblich offen zu Tage getreten sei, verringere den „Unwert­gehalt der Diskri­mi­nierung“ nicht.

Landes­ar­beits­gericht Rheinland-Pfalz am 13. August 2014 (AZ: 4 Sa 517/13)

Rechts­gebiete
Arbeitsrecht

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