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Gericht muss behauptete Erbunwür­digkeit prüfen

(DAV). Ein Testament oder einen Erbvertrag kann man auch anfechten, indem man die Erbunwür­digkeit des Erben behauptet. Wer dies tut, muss allerdings seine Behauptung beweisen. Dafür muss er dem Gericht zumindest anbieten, den Erben selbst oder andere Zeugen anzuhören. Die Gerichte müssen dieses Beweis­angebot dann auch berück­sichtigen, hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Ein vermögender Mann litt seit seiner Geburt an einem offenen Rücken und daraus folgend an weiteren schweren Erkran­kungen. Außerdem hatte er ein Alkohol­problem. Er lebte mit seiner Mutter und seiner Schwester in einer Wohnung. In einem Vergnü­gungs­eta­blis­sement lernte er eine Frau kennen, die dort zeitweise arbeitete. Im September 2000 setzte er sie in einem notariellen Erbvertrag zur Alleinerbin ein. Obwohl er diesen Erbvertrag im Januar 2001 angefochten hatte, zog er zum Jahresende in die Wohnung der Frau um, die diese gemeinsam mit Ehemann und Sohn bewohnte. In einem neuen Erbvertrag setzte der Erblasser die Frau erneut zu seiner Erbin ein. Im Mai 2003 starb der Mann in der Wohnung der Frau unter nicht geklärten Umständen. Zum Todeszeitpunkt hatte er 2,4 Promille Blutalkohol.

In einem Strafprozess ging es um die Frage, ob die Erbin ihn hatte töten lassen. Zu einer strafrecht­lichen Verurteilung kam es aber nicht.

Die Familie des Erblassers behauptete nun in einem Gerichts­ver­fahren um das Erbe, die Frau sei erbunwürdig. Sie wollte ihre Behauptung beweisen, indem sie die Frau und zwei Zeugen, die sich zum Todeszeitpunkt ebenfalls in der Wohnung aufhielten, im Verfahren vor Gericht anhören lassen wollte. Das Gericht verweigerte aber diese Anhörung und wies die Klage ab.

Beweislage erneut klären

Zu Unrecht, entschieden die Karlsruher Richter. Da das Gericht die Beweise nicht zugelassen habe, habe es das Recht der Klägerinnen auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt. Die Zeugen- und Partei­ver­nehmung sei ein geeignetes Mittel zur Beweis­erhebung. Unerheblich sei, dass dies schon im Strafver­fahren geschehen sei. Das Gericht dürfe die Beweis­erhebung nicht mit dem Argument ablehnen, die jetzt vorgelegten Beweis­mittel seien untauglich. So dürften Gerichte Beweis­an­tritte auch nicht einfach wegen Unerreich­barkeit der Zeugen zurück­weisen. Sie sind vielmehr verpflichtet, den angebotenen Beweisen auf jeden Fall nachzugehen.

Die Richter in dem Erbschafts­ver­fahren müssten sich ein eigenes Bild machen, und zwar unabhängig von dem Ergebnis des Strafver­fahrens. Weil der ärztliche Gutachter im Strafprozess ein Ersticken des Erblassers für möglich gehalten habe, müsse das Gericht auch im erbrecht­lichen Verfahren die Beweislage umfassend klären.

BGH am 12. September 2012 (AZ: IV ZR 177/11)

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