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Gemeinsames Sorgerecht hat Vorrang

(DAV). Eine Scheidung ist oft mit negativen Folgen befrachtet: Wer sich einst geliebt, will heute nicht mehr mit einander sprechen. Betrifft das nur das ehemalige Paar, ist das hinzunehmen. Was aber, wenn dieses ein Kind hat, für das ein gemeinsames Sorgerecht besteht?

Das Elternrecht ist verfas­sungs­rechtlich geschützt. Die gemeinsame elterliche Sorge soll der Regelfall sein, entschied der Gesetzgeber. Ob aber Eltern gemeinsam die notwendigen Entschei­dungen treffen können, wenn sie nicht mehr miteinander sprechen, ist fraglich. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob dann das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben wird.

Kommuni­kation als Zettel­wirt­schaft

In dem von der Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitgeteilten Fall sind die Eltern geschieden. Nach längeren Konflikten, auch bei der Übergabe des Kindes, stellten die Eltern die direkte Kommuni­kation ein. Soweit notwendig tauschten sie sich über Zettel aus. Der Vater hat aber weiterhin Umgang mit dem Kind. Dieses hat trotz der elterlichen Konflikte eine gute Bindung an beide Elternteile. Die Mutter beantragte jedoch wegen der Kommuni­ka­ti­ons­schwie­rig­keiten mit Erfolg das alleinige Sorgerecht. Dagegen wandte sich der Vater.

Kindeswohl entscheidend

Die Probleme der Eltern allein seien kein Grund für die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts. Dieses müsse sich vielmehr negativ auf das gemeinsame Kind auswirken, erläutert das Gericht. Im vorlie­genden Fall gingen die Richter jedoch nicht davon aus, dass eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des betroffenen Kindes besser entspreche. „Zwar besteht derzeit zwischen den Eltern keine tragfähige soziale Beziehung, die es ihnen möglich machen würde, über die Belange ihres gemeinsamen Kindes zu kommuni­zieren“, stellten die Richter fest. Trotzdem sei nicht erkennbar, weshalb das alleinige Alleinsorge der Mutter dem Wohl des Kindes besser entsprechen sollte. Das betroffene Kind habe eine gute Bindung an beide Elternteile, denen es bislang offenbar gelungen sei, ihren Konflikt vom Kind fernzu­halten. Eine Belastung des Kindes durch diesen Konflikt lasse sich den Äußerungen des Kindes nicht entnehmen.

Fazit

Hat das Beibehalten der gemeinsamen Sorge keinerlei negativen Auswir­kungen auf das Befinden des Kindes, ist diesem der Vorzug zu geben. Dies ergibt sich schon aus dem verfas­sungs­rechtlich geschützten Elternrecht.

Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main am 16. Dezember 2011 (AZ: 4 UF 257/11)

Quelle: www.dav-famili­enrecht.de 

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