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Berück­sich­tigung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten: Landes­so­zi­al­gericht Nieder­sachsen-Bremen sieht Handlungs­bedarf

(DAV). Zur Zeit können für Kinder, die vor dem ersten Januar 1992 geboren sind, Kinder­er­zie­hungs­zeiten von zwölf Kalender­monaten berück­sichtigt werden. Für Kinder, die 1992 oder später geboren wurden, betragen diese dagegen drei Jahre.

Diese Regelung ist verfas­sungsmäßig, erläutert die Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) und verweist auf eine Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm.

Der Fall

Die Renten­ver­si­cherung hatte im Falle einer 1951 geborenen Mutter jeweils zwölf Monate Kinder­er­zie­hungs­zeiten für ihre beiden 1971 und 1974 Söhne berück­sichtigt. Die Frau forderte jedoch eine Berück­sich­tigung von drei Jahren Kinder­er­zie­hungs­zeiten je Kind. Sie berief sich dabei auf das Grundgesetz.

Gericht: Aktuelle gesetzliche Regelung spiegelt Leistung der Mütter nicht angemessen wider

Die Richter wiesen die Klage der Frau ab. Die Renten­ver­si­cherung habe die Kinder­er­zie­hungs­zeiten korrekt errechnet. Für eine weiter­gehende Berück­sich­tigung fehle es aktuell an der gesetz­lichen Grundlage. Derzeit sei es auch nicht verfas­sungs­widrig, wenn der Gesetzgeber Frauen, die vor 1992 Mütter wurden, keinen Anspruch auf die Berück­sich­tigung einer mehr als zwölfmo­natigen Erziehungszeit einräume.

Allerdings, so die Richter, spiegele dies den von der Klägerin erbrachten Gesamt­beitrag zur Renten­ver­si­cherung nur unzureichend wider. Denn die Kinder­er­ziehung habe maßgebliche Bedeutung für das System der Alters­ver­sorgung, wie schon das Bundes­ver­fas­sungs­gericht festge­stellt habe. Der Genera­tio­nen­vertrag lasse sich ohne die nachrü­ckende Generation nicht aufrecht­erhalten. Die bisherige Ausgestaltung des Sozial­leis­tungs­rechts führe im Ergebnis zu einer Benach­tei­ligung der Familie, insbesondere solcher mit mehreren Kindern.

1996 habe das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, hier für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen und langfristig die Anerkennung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten auszuweiten. Allerdings hätten die Verfas­sungs­richter dem Gesetzgeber dabei einen langjährigen Umsetzungs­zeitraum zugebilligt. Auch könne der Abbau der Benach­tei­li­gungen stufenweise vollzogen werden. Stichtags­re­ge­lungen seien zulässig. (BVerfG, Entschei­dungen vom 7. Juli 1992 und 12. März 1996)

Seit der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts habe es bereits mehrere Reform­fort­schritte gegeben, erläuterten die Richter des Landes­so­zi­al­ge­richts. Der Gesetzgeber habe sich also bislang keiner pflicht­widrigen Verzögerung bei der Umsetzung der verfas­sungs­recht­lichen Mindest­an­for­de­rungen an eine Berück­sich­tigung von Kinder­er­zie­hungs­zeiten schuldig gemacht. 

Landes­so­zi­al­gericht Nieder­sachsen-Bremen am 4. November 2013 (AZ: L 2 R 352/13)

Quelle: www.dav-famili­enrecht.de

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