Der sogenannte Anscheinsbeweis spricht meist dafür, dass den Abbiegenden die Schuld trifft. Dies vor allem dann, wenn der Überholende sich ordnungsgemäß verhält. Dann haftet der Abbiegende allein, der Überholende muss auch nicht aufgrund seiner Betriebsgefahr haften. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken.
Unfall beim Abbiegen
Der Autofahrer war auf einer Landstraße unterwegs. Auf Höhe einer Skaterbahn wollte er links abbiegen. Als er ausscherte, fuhr ihm ein überholendes Motorrad in die Seite. Die Fahrerin wurde in die Luft geschleudert und lebensgefährlich verletzt. Sie verlangte Schadensersatz und 50.000 Euro Schmerzensgeld, da sie ordnungsgemäß überholt hätte. Der Autofahrer rechtfertigte sich damit, dass er rechtzeitig den Blinker gesetzt und sich nach links in die Mitte eingeordnet hätte. Auch hätte er sein Tempo bereits gedrosselt.
Schadensersatz und Schmerzensgeld gerechtfertigt
Die Frau hatte in zwei Instanzen Erfolg. Der Autofahrer hafte allein. Auch die Höhe des Schmerzensgeldes sei angesichts ihrer schweren Verletzungen gerechtfertigt.
Wer abbiege, müsse immer besonders vorsichtig sein, erläutert das Gericht. Ebenso müsse er auch mit Überholenden rechnen. Im Verfahren konnte auch der Anscheinsbeweis nicht widerlegt werden, wonach der Abbiegende grundsätzlich haftet. Wer abbiege und mit einem anderen zusammenstoße, der ordnungsgemäß überholt, trage am Unfall allein die Schuld.
Wann der Autofahrer seinen Blinker gesetzt hatte, konnte nicht ermittelt werden. Klar war, dass die Motorradfahrerin so überholen durfte, wie sie es getan hatte. Für sie habe sich keine unklare Verkehrslage ergeben, die dazu geführt hätte, dass sie nicht hätte überholen dürfen.
Wer abbiegt, muss das grundsätzlich dem nachfolgenden Verkehr rechtzeitig signalisieren. Das bedeutet: rechtzeitig blinken (hier nach links), das Auto in die Mitte nach links ziehen und die Geschwindigkeit reduzieren. Im vorliegenden Fall konnte der Sachverständige anhand des Aufprallwinkels nicht ausschließen, dass der Autofahrer das nicht rechtzeitig tat.
Fehlen von Schutzkleidung hier unerheblich
Auch das Argument, die Motorradfahrerin habe außer dem Helm keine Schutzkleidung getragen, ließ das Gericht nicht gelten. Gesetzlich sei nur der Helm vorgeschrieben. Allerdings sprächen einige Gerichte beim Fehlen von spezieller Schutzkleidung von einer Mitschuld des Fahrers. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch unerheblich: Die schweren Verletzungen resultierten ganz überwiegend vom Aufprall auf das Auto, nicht von der Auslaufphase. Selbst Protektoren und Schutzstiefel hätten die Verletzungen nicht verhindert.
Oberlandesgericht Saarbrücken am 12. März 2015 (AZ: 4 U 187/13)
Quelle: www.verkehrsrecht.de
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