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Befreiung von Klassen­fahrten auch aus religiösen Gründen nur in besonderen Ausnah­me­fällen

(DAV) Die Befreiung von der Teilnahme an Schulpflicht­ver­an­stal­tungen aus religiösen Motiven ist und bleibt die Ausnahme. In Fällen, in denen Eltern für ihre Kinder eine solche Freistellung aus Gründen der Glaubens- und Gewissens­freiheit beziehungsweise des elterlichen Erziehungs­rechts beanspruchen, müssen Eltern und Schule versuchen, einen Kompromiss zu finden.

Scheitere dies, komme eine Befreiung nur in Frage, wenn die befürchtete Beeinträch­tigung von „gravie­render Intensität“ sei, entschied das Oberver­wal­tungs­gericht Bremen.

Vater: Christliche Betreuung nicht gewähr­leistet

In dem von der Arbeits­ge­mein­schaft Famili­enrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) mitgeteilten Fall sollten drei Geschwister nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen. Der Vater beantragte die Befreiung der Kinder von der Teilnahme. Die Familie war Mitglied der Freien Christen­ge­meinde. Der Vater sah die christliche Betreuung seiner Kinder, wozu gemeinsame Gebete und Bibelle­sungen gehörten, nicht gewähr­leistet. Die Unterbringung der Kinder außerhalb des Eltern­hauses greife in die grundrechtlich geschützte christlich geprägte Erziehung der Kinder ein. Das Angebot der Schule, die Kinder jeden Abend von dem 35 Kilometer entfernt liegenden Ziel der Klassenfahrt abzuholen und sie morgens wieder zurück­zu­bringen, lehnte der Vater ab.

Weitge­hendes Kompro­miss­angebot der Schule

Die Kinder müssen teilnehmen, entschieden die Richter. Die Befreiung von schulischen Pflicht­ver­an­stal­tungen, weil die Eltern Beeinträch­ti­gungen ihrer religiösen Erziehungs­vor­stel­lungen befürchteten, müsse die Ausnahme bleiben. Zwar seien der staatliche Bildungs- und Erziehungs­auftrag und das religiöse Erziehungsrecht sowie die Glaubens­freiheit gleich­rangig. Deswegen müsse der Staat bei der Ausgestaltung des Unterrichts religiöse und weltan­schauliche Neutralität und Toleranz wahren. Gleich­zeitig habe die Schule aber die Aufgabe, allen Schülern ihren Fähigkeiten entspre­chende Bildungs­mög­lich­keiten zu bieten und so einen Grundstein für ihre selbst­be­stimmte Teilhabe am gesell­schaft­lichen Leben zu legen. Der staatliche Bildungs- und Erziehungs­auftrag würde praktisch leerlaufen, müsste sich die Schule in ihrer Unterrichts­ge­staltung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken und alle religiösen Verhal­tens­regeln mit Auswir­kungen auf den Schulalltag berück­sichtigen.

Legten Eltern den Konflikt zwischen der Glaubens- und Gewissens­freiheit und dem staatlichen Erziehungs­auftrag dar, müsse man zunächst nach einem Kompromiss suchen. Scheide ein Kompromiss aus, komme eine Befreiung nur dann in Betracht, wenn die dargelegte Beeinträch­tigung besonders schwer­wiegend sei.

Im vorlie­genden Fall sei das Kompro­miss­angebot der Schule dazu geeignet gewesen, den Konflikt zu entschärfen. Die Richter betonten, die Schule sei dem Vater mit ihrem Angebot, auf die Übernachtung der Kinder außer Haus zu verzichten, weit entgegen­ge­kommen. Da diese das Angebot ausgeschlagen hätten, bedürfe es nun keiner weiter­ge­henden Abwägung der widerstrei­tenden Rechts­po­si­tionen mehr.

Oberver­wal­tungs­gericht Bremen am 19. November 2013 (AZ: 1 A 275/10)

Quelle: www.dav-famili­enrecht.de

Rechts­gebiete
Ehe- und Famili­enrecht

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