Anwältin/Anwalt suchen!

Merkzettel

Es befinden sich noch keine Anwälte in Ihrer Merkliste.

Tipps&Urteile

Arzt haftet bei unzurei­chender Aufklärung im Rahmen einer Darmspie­gelung

(DAV). Begibt man sich in die Hände eines Arztes, darf man auf dessen Kompetenz vertrauen. Auch darauf, dass man vor einer Operation über alle Risiken aufgeklärt wird. Geschieht dies nicht, hat man einen Anspruch auf Schmer­zensgeld. Das Oberlan­des­gericht Hamm hat einem Patienten 220.000 Euro zugesprochen.

Wird ein Patient über die Risiken einer Darmspie­gelung nicht ausreichend aufgeklärt, darf er bei schweren Kompli­ka­tionen Schmer­zensgeld verlangen. Bei dem Patienten kam es in Folge einer solchen Untersuchung zu einer Darmper­fo­ration mit schwer­wie­genden Kompli­ka­tionen, wie die Arbeits­ge­mein­schaft Medizinrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) ausführt.

Die folgen­schwere Darmspie­gelung

Als der 48-jährige Mann Jahre Blut im Stuhl bemerkte, wandte er sich an einen Facharzt für Chirurgie. Dieser führte im November 2007 eine Koloskopie (Darmspie­gelung) mit Polypen­ab­tragung durch. In Folge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmper­fo­ration, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Mann bekam eine Bauchfell­ent­zündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensiv­me­di­zinisch behandelt werden. Er erhielt einen künstlichen Darmausgang und ist nunmehr in Frührente, da zu 100 Prozent behindert. Unter anderem mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behand­lungs­al­ter­nativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, verlangte er von dem Arzt Schadens­ersatz.

Gericht: 220.000 Euro Schmer­zensgeld

Der Arzt hafte, weil davon auszugehen sei, dass er den Patienten ohne ausrei­chende Aufklärung behandelt habe, so das Gericht. Nach der Einschätzung des medizi­nischen Sachver­ständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmper­fo­ration zwar eine seltene Kompli­kation. Trete sie jedoch ein, habe sie meist eine Bauchhöh­len­ent­zündung zur Folge, die lebens­be­drohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. 

Das Gericht war nicht der Meinung, dass der Chirurg den Mann ordnungsgemäß aufgeklärt habe. Die unterzeichnete Einver­ständ­nis­er­klärung lasse nicht auf eine ausrei­chende Risiko­auf­klärung schließen. Auf dem Vordruck heiße es unter anderem, auf "die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Kompli­ka­ti­ons­ge­fahren" sei hingewiesen worden. Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf "unvermeidbare nachteilige Folgen" verharm­losend. Ihr sei nicht zu entnehmen, dass der Patient die Erklärung gelesen und verstanden habe oder dass der Arzt sie mit ihm erörtert habe. Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklä­rungs­ge­spräch. Zudem ließen sie nicht erkennen, dass ein Patient über ein in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähntes Risiko informiert worden sei. Eine ausrei­chende Aufklärung habe der Arzt auch mit der Aussage seiner Arzthelferin nicht beweisen können. Von einer mutmaß­lichen Einwil­ligung des Patienten sei ebenfalls nicht auszugehen. Er habe plausibel begründet, dass er sich die Sache im Falle einer ordnungs­gemäßen Aufklärung noch einmal überlegt, mit einem anderen Arzt oder Verwandten besprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht hätte.

Die Höhe des Schmer­zens­geldes ergebe sich durch den kompli­ka­ti­ons­trächtigen Krankheits­verlauf mit einer langen Behand­lungszeit und bleibenden Beeinträch­ti­gungen, die schließlich zu einer Frührente geführt hätten.

Ärzte aufgepasst!

Nach Ansicht der DAV-Medizin­rechts­anwälte ergibt sich aus dem Urteil Handlungs­bedarf für viele Ärzte: Diese müssten exakt darauf achten, umfassend aufzuklären und dies auch ebenso umfassend beurkunden. Auf eine rein formularhafte Dokumen­tation sollte man sich nicht verlassen.

Oberlan­des­gericht Hamm am 3. September 2013 (AZ: 26 U 85/12)

Quelle: www.dav-medizinrecht.de

Rechts­gebiete
Medizinrecht

Zurück