
Der Brief kam unerwartet: Nach mehr als zehn Jahren in ihrer Mietwohnung flatterte den Müllers die Kündigung wegen Eigenbedarf ins Haus. Das Ehepaar ist geschockt – und hat nun einige Monate Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen. Wann das rechtens ist und in welchen Szenarien eine Kündigung durch die Vermieter noch erlaubt ist.
Kündigung wegen Eigenbedarfs
Wohnungseigentümer dürfen ihren Mietern kündigen, wenn sie oder nahe Familienangehörige den Wohnraum selbst brauchen. Die Anforderungen an Eigenbedarfskündigung sind allerdings hoch. Vermieter müssen nachweisen, dass sie ein berechtigtes Interesse haben.
Folgende Gründe können eine solche Kündigung kann unter Umständen unwirksam machen:
- Wenn bei Vertragsschluss mit dem aktuellen Mieter schon absehbar war, dass Eigenbedarf vorliegt oder zeitnah in Anspruch genommen wird. Dann kann die Kündigung mitunter „treuwidrig“ und damit unwirksam sein.
- Wenn der Wohnbedarf „überhöht“ ist. Also zum Beispiel Bedarf für die alleinstehende Tochter angemeldet wird, die Wohnung allerdings 250 Quadratmeter groß ist. Auch hier entscheidet aber der Einzelfall.
- Wenn als Grund ein Härtefall vorliegt und die im §574 BGB beschriebene Sozialklausel greift. Den wichtigsten Härtegrund findet man im genannten Paragraphen: Fehlender angemessener Ersatzwohnraum. Gekündigte Mieter können sich hierauf berufen, wenn sie keine neue Wohnung zu zumutbaren Bedingungen finden. Was "zumutbar" ist, entscheidet der Einzelfall.
Als Härtegründe kommen zudem auch in Betracht:
- hohes Alter
- Gebrechlichkeit
- schwere Erkrankung
- Invalidität
- Kinder
- Schwierigkeiten bei Schul- oder Kindergartenwechsel
- Schwangerschaft
- geringes Einkommen
- lange Mietdauer
Nicht selten sind auch mehrere dieser Härtegründe gleichzeitig gegeben. Ob die Sozialklausel greift, entscheidet im Zweifel stets der Einzelfall. Eine anwaltliche Beratung kann hier Erfolgsaussichten bewerten. Die angeführten Gründe für eine Unwirksamkeit bei Eigenbedarfskündigung können auch nachträglich festgestellt werden. Wenn nachweisbar wird, dass der Vermieter seinen Einzug nur vortäuschte, stehen dem Mieter Schadensersatzansprüche zu. Etwa ein Ausgleich höherer Mietausgaben für eine neue Wohnung.
Ist auch eine fristlose Kündigung wegen Eigenbedarf möglich? Vermieter haben hier nur in einer bestimmten Situation ein Sonderkündigungsrecht: Wenn es sich um ein Zweifamilienhaus handelt, der Vermieter in einer der Wohnungen wohnt und die zweite für sich benötigt. Vermieter können hier aufgrund von Eigenbedarf kündigen, müssen dann jedoch berechtigte Gründe anführen. Ansonsten ist bei Kündigungen wegen Eigenbedarf ein Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen.
Außerdem wichtig: Befristete Mietvertäge können nicht wegen Eigenbedarf gekündigt werden. Denn bei der Eigenbedarfskündigung handelt es sich um eine ordentliche Kündigung. Diese ist aber nur bei unbefristeten Mietverhältnissen möglich.
Verwertungskündigung
Möchte ein Haus- oder Wohnungseigentümer das Grundstück verkaufen oder das Gebäude abreißen lassen, darf er seinen Mietern in diesem Gebäude ebenfalls kündigen. In diesem Fall spricht man von einer Verwertungskündigung. Diese ist aber nur erlaubt, wenn der Vermieter andernfalls Nachteile hätte. In solchen Fällen muss man die Nachteile, die dem Vermieter durch Fortführung des Mietverhältnisses entstehen, mit denen des Mieters vergleichen, wenn das Mietverhältnis gekündigt wird. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. September 2017 hervor (AZ: VIII ZR 243/16).
In dem Fall hatte eine Gesellschaft ihren Mietern gekündigt, weil sie das Gebäude abreißen wollte, um das Modegeschäft auf dem Nachbargrundstück zu erweitern, das ihr ebenfalls gehörte. Die Kündigung war unwirksam, wie der BGH entschied. Die Klägerin konnte keine erheblichen Nachteile für den Fall nachweisen, dass das Mietverhältnis weiter bestanden hätte. Generell gelten folgende Verwertungen als Grund, um eine ordentliche Verwertungskündigung auszusprechen:
- der Verkauf des Gebäudes
- der Abriss des Gebäudes der Umbau
- die Sanierung/Modernisierung des Gebäudes
Allerdings muss auch in diesen Fällen die Maßnahme ausreichend begründet werden.
Vermieter kündigt, da der Mieter die Miete nicht zahlt
Zahlt ein Mieter seine Miete nicht oder zu spät, darf der Vermieter kündigen, wenn der Mieter zwei Monate im Rückstand ist. Das gilt als Vertragsverletzung. In diesem Fall ist auch eine fristlose Kündigung erlaubt. Eine vorherige Abmahnung ist nicht notwendig.
Kündigung wegen Störung des Hausfriedens
Auch wer den Hausfrieden stört, kann gekündigt werden. Das gilt für Mieter, die ihre Nachbarn belästigen, regelmäßig die Ruhezeiten verletzten oder Nachbarn und Vermieter gar beleidigen oder bedrohen. Bevor er kündigt, muss der Vermieter den Mieter aber zunächst abmahnen. Die Gründe für eine Störung des Hausfriedens können vielfältig sein. Auch eine grobe Beleidigung des Vermieters kann ein Kündigungsgrund sein.
Wie vielfältig, zeigt ein Urteil des Amtsgericht Wetzlar aus dem Jahr 2013: Dort wurde Mietern fristlos gekündigt, der Grund: "unerträglicher Geruch durch Zigarettenqualm und mangelnde Hygiene".
Der Fall: Aus der Wohnung der Mieter drang ein unangenehmer Geruch nach Schweiß und Zigarettenqualm. Dieser breitete sich im Treppenhaus aus und drang in die Wohnungen anderer Mieter ein. Diese beschwerten sich und drohten mit Mietminderung und Kündigung. Daraufhin mahnte der Vermieter die Mieter ab und kündigte fristlos, keine Verbesserung erreicht wurde. Die gekündigten Mieter weigerten sich, die Kündigung zu akzeptieren. Der Vermieter erhob daher Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Das Amtsgericht verurteilte die Mieter zur Räumung und Herausgabe. Nach durchgeführter Beweisaufnahme war das Gericht davon überzeugt, dass eine erhebliche Geruchsbelästigung von der Wohnung der Mieter ausging. Dadurch wurde der Hausfrieden nachhaltig gestört, die Kündigung sei daher wirksam.
Das Amtsgericht betonte jedoch, dass menschliche Ausdünstungen zur körperlichen Natur des Menschen gehören und daher in der Regel zu dulden sind. Die Mieter dürfen zudem im Rahmen der ihnen zustehenden ausschließlichen Nutzungsrechte, innerhalb der angemieteten Wohnräume Essens-, Rauch- und Parfümgerüche verbreiten. Etwas anderes gelte erst dann, solange weder die Mitbewohner des Hauses in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise gestört werden. Dies war hier jedoch der Fall. (AZ.:38 C 1389/12).
Kündigung wegen unerlaubter Untervermietung
Wer untervermieten will, muss den Vermieter in der Regel um Erlaubnis fragen. Macht der Mieter das nicht oder vermietet er sogar unter, obwohl der Vermieter es verboten hat, muss er mit einer Kündigung rechnen. Unerlaubte Untervermietung ermöglicht auch eine fristlose Kündigung.
Besonders für die Untervermietung an Touristen braucht es eine schriftliche Erlaubnis. Eine allgemeine Genehmigung für Untervermietungen reicht dabei nicht aus, wie der Bundesgerichtshof 2014 feststellte. Dafür brauche es eine explizite Erlaubnis für Touristenvermietungen (Urteil vom 8. Januar 2014, AZ: VIII ZR 210/13). Dies gilt auch für die Vermietung an Kurzzeitgäste über Dienste wie etwa AirBnB.
Diese Erlaubnis muss dann nicht eingeholt werden, wenn der Mietvertrag ausdrücklich eine Untervermietung für die vermietete Wohnung – auch an Touristen – erlaubt. Das ist aber wiederum in der Praxis nahezu nie der Fall.
Urteil des LG Berlin: Alte Menschen haben besonderen Kündigungsschutz
Nach einer Entscheidung des Landgerichts Berlin im Februar 2019 können Mieter vom Vermieter allein unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen (Landgericht Berlin, Urteil vom 12. März 2019, Aktenzeichen 67 S 345/18).
Verhandelt wurde vor Gericht ein Streit über die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung, die von einem 87- und 84-jährigen Paar bewohnt wird. Die Vermieterin hatte 2015 die Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs erklärt.
Die Beklagten widersprachen der Kündigung. Und verwiesen auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel – mit Erfolg.
Dem Gericht zufolge hätten sich die beklagten Mieter berechtigterweise darauf berufen, dass der Verlust der Wohnung - unabhängig von gesundheitlichen und sonstigen Folgen - für Mieter hohen Alters eine „Härte“ im Sinne des Gesetzes (§ 574 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeutet. Die Vorschrift sei mit Blick auf den durch Grundgesetz Art. 1 Abs. 1 und das Sozialstaatsprinzip verkörperten und garantierten Wert- und Achtungsanspruch alter Menschen entsprechend weit auszulegen.
Die Richter ließen allerdings offen, ab welchem Alter sich Mieter auf den Härtegrund „hohen Alters“ berufen können.
Streit mit Mieter oder Vermieter? Anwälte für Mietrecht helfen
Sie möchten Ihrem Mieter kündigen, weil sie die Wohnung selbst brauchen oder er den Mietvertrag verletzt hat, sind aber nicht sicher, ob das rechtlich in Ordnung ist? Sie haben Streit mit Ihrem Vermieter oder schon eine Abmahnung oder sogar die Kündigung auf dem Tisch? In diesem und anderen mietrechtlichen Fällen können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte helfen. Die Experten können Sie auch dazu beraten, wann eine Klage sinnvoll ist. Mietrechtler aus ganz Deutschland finden Sie in unserer Anwaltssuche.
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- vhe/red