
Das Bürgerliche Gesetzbuch nennt drei mögliche Gründe für eine einseitige Kündigung eines Mietvertrags durch den Vermieter (§ 573 Abs. 2 BGB):
1. Wenn der Mieter gegen den Mietvertrag verstößt.
2. Wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde.
3. Und wenn der Vermieter die Räume der Wohnung für sich, Familienangehörige oder Angehörige seines Haushalts benötigt, kurz: bei Eigenbedarf.
Eigenbedarf – ein Ärger vieler Mieter, doch gleichsam gutes Recht des Wohnungseigentümers. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2014 gestärkt, denn in einem Beschluss entschieden die Karlsruher Richter pro Vermieter: Dieser, ein Chefarzt, der in Hannover lebt, wollte eine Mieterin aus seiner Berliner Wohnung kriegen, um selbige als Zweitwohnung hin und wieder zu nutzen. Während der Besuche bei seiner Tochter in der Hauptstadt, wolle er seine Wohnung beziehen.
Er bekam Recht (Beschluss vom 23. April 2014; AZ: 1 BvR 2851/13), denn es reiche aus, wenn Vermieter „vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme“ der Wohnung haben. So heißt es in dem veröffentlichten Beschluss. Eine Entscheidung, die von Seiten der Mietervereine für Kritik gesorgt hat.
Wohnungskündigung wegen Eigenbedarf: Wann liegt Eigenbedarf vor?
Zunächst muss der Vermieter die Wohnung wirklich benötigen. Um einen Mieter vor die Tür zu setzen, braucht es also gute Gründe. Nachvollziehbar müssen Vermieter darlegen, warum sie oder ein Angehöriger die Wohnung benötigen; etwa, wenn der Vermieter sie als Altersruhesitz nutzen will.
Dem Karlsruher Beschluss folgend scheint auch der engere Kontakt zu einem Kind als Grund zu gelten. Der Vermieter muss also in seinem Kündigungsschreiben genau angeben, für wen die Wohnung genutzt werden soll – und warum.
Wohnungskündigung wegen Eigenbedarf: Wer hat Anspruch auf Eigenbedarf?
Natürlich kann der Vermieter – begründet – selber einziehen, aber auch Kinder, Geschwister oder Enkel haben einen Anspruch. Dieser Kreis wurde durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausgeweitet. Demnach können auch Nichten, Neffen, Tanten und Onkel einen Anspruch auf Eigenbedarf haben (Urteil vom 27. Januar 2010; AZ: VIII ZR 159/09).
Darüber hinaus kann ein Vermieter auch Eigenbedarf für einen Angehörigen seines Haushalts anmelden, etwa eine von ihm beschäftigte Putzkraft. Doch entscheidet das der Einzelfall und kann nicht pauschal angenommen werden.
Eigenbedarf: Welche Fristen müssen eingehalten werden?
- Bei Wohnungsumwandlung: Wird eine Wohnung während der Mietzeit in eine Eigentumswohnung umgewandelt, kann frühestens nach drei Jahren Eigenbedarf angemeldet werden. Den Bundesländern steht es aber frei, Verordnungen zu erlassen, wodurch bei bestimmten Gebieten diese Sperrfrist auf bis zu zehn Jahre verlängert werden kann, wie etwa in Bayern (§ 577a Abs. 2 BGB). Auch in Hamburg, Berlin oder einigen Städten in Nordrhein-Westfalen gelten Schutzfristen von sieben bis zehn Jahren.
- Bei Eigentum zum Einzug: Anders verhält es sich in vielen Bundesländern, wenn die Wohnung beim Einzug des Mieters bereits eine Eigentumswohnung war. Oft gelten in diesem Fall die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Wie können Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung vorgehen?
Mieter sollten zunächst überprüfen, ob Sie etwa in einem vom Bundesland definierten Ballungsraum wohnen und welche Bestimmungen hier gelten. So unterscheiden sich die Schutzfristen beispielsweise auch innerhalb Berlins – von Bezirk zu Bezirk.
Wie beschrieben, muss der Vermieter auch nachvollziehbare Gründe anführen, ebenso aber in dem Kündigungsschreiben die einziehende Person und ein Auszugsdatum nennen.
Nach § 574 BGB kann der Mieter zudem Widerspruch gegen eine Kündigung einlegen, wenn sie eine Härte bedeuten würde, die auch unter der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre – etwa, wenn eine Hochschwangere umziehen müsste (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 1990, AZ: 16 S 378/90). Dann kann die Kündigung zumindest aufgeschoben werden.
BGH entscheidet beim Eigenbedarf für Vermieter
Mieter müssen auch in Zukunft damit rechnen, dass ihnen die Gesellschafter einer Investorengemeinschaft mit Verweis auf Eigenbedarf die Wohnung kündigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte Mitte Dezember 2016 seine bisherige Rechtsprechung, die das Landgericht München in einem Streitfall infrage gestellt hatte.
Das Urteil des BGH stellt Mieter sogar schlechter: Bisher wurde eine Eigenbedarfskündigung zum Beispiel unwirksam, wenn der Vermieter eine ähnliche Wohnung im gleichen Haus oder dem Nachbarhaus frei hatte, diese aber dem Mieter nicht als Ersatz anbot. Künftig bleibt es bei der Kündigung, der Mieter hat höchstens Anspruch auf Schadenersatz, etwa für die Umzugskosten.
In dem verhandelten Fall ging es um ältere Eheleute aus München, die nach mehr als 30 Jahren ihre Mietwohnung räumen sollen. Sie können immerhin noch einmal auf das Landgericht hoffen. Es muss den Fall neu verhandeln, weil wichtige Informationen fehlen. (AZ: VIII ZR 232/15) (Quelle: dpa)
Auch andere gesundheitliche Gründe können die Kündigung verhindern. In Berlin wollte eine Vermieterin einem 82-jährigen Mieter wegen Eigenbedarf kündigen, der die Wohnung ca. 45 Jahre bewohnt hatte. Ein Sachverständigengutachten bestätigte, dass der Verlust der Wohnung zwangsläufig Bedrohungs- und Vernichtungsgefühle bei dem Senioren auslösen würde. Nach Ansicht des Sachverständigen bestand eine ernstzunehmende Suizidgefahr, wobei die depressive Erkrankung des Mannes aufgrund seines hohen Alters nur schwer therapierbar sei.
Die Vermieterin erkannte den Widerspruch nicht an und erhob Räumungsklage. Sowohl das Amtsgericht Berlin-Lichtenberg als auch das Landgericht Berlin gaben aber dem Mieter Recht. (LG Berlin, Urteil v. 08.07.2015, AZ.: 65 S 281/14)
Wohnungskündigung wegen Eigenbedarf: Was bedeuten Härtefallregelung und Sozialklausel?
Die beschriebenen Fälle zeigen, dass Wohnungskündigungen wegen Eigenbedarf unter Umständen in Härtefällen und durch eine Sozialklausel verhindert werden können. Die Sozialklausel beschreibt Paragraf 574 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dort steht, dass ein Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, wenn das Ende „eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist“.
Das kann der Fall sein, wenn „zu zumutbaren Bedingungen“ keine neue Wohnung zu finden ist, wie es im Gesetz heißt. Eine besondere Härte kann aber beispielsweise auch vorliegen, wenn jemand schon sehr lange in der Wohnung lebt, die Mieterin bald ein Kind erwartet oder eine wichtige Prüfung bevorsteht (siehe weiter oben). Schwere Krankheit, hohes Alter oder andere körperliche Einschränkungen können ebenfalls Gründe sein. Der Verlust von Bekannten oder ein Schulwechsel sind nicht gravierend genug.
Landet der Streit vor dem Richter, kann dieser anordnen, dass das Mietverhältnis weiter zu bestehen hat. In manchen Fällen - wie bei einer Schwangerschaft oder vor einem Examen - wird das nur einen Aufschub bedeuten, denn die Hinderungsgründe gelten nur für den Moment. Damit einem alten oder dauerhaft kranken Mieter der Umzug erspart bleibt, kann das Mietverhältnis aber auch auf unbestimmte Zeit verlängert werden.
Ob die Sozialklausel greift, hängt immer vom konkreten Einzelfall ab und wie Gerichte die sich widersprechenden Interessen von Mietern und Vermietern gewichten und gegeneinander abwägen.
Wohnungskündigung wegen Eigenbedarf: Müssen auch langjährige Mieter ausziehen?
Die Abwägung widerstreitender Interessen musste am 15. März 2017 auch der Bundesgerichtshof (BGH) vornehmen. Den Richtern in Karlsruhe lag der Fall eines betagten Mieter-Ehepaares vor, dem eine junge Familie wegen Eigenbedarf gekündigt hatte.
Die Richter hoben das Räumungsurteil vorerst auf und verwiesen den Streit ans zuständige Landgericht zurück. Sie äußerten Bedenken, ob die Interessen beider Seiten dort ausreichend gewürdigt worden seien. Das Landgericht muss den Fall nun gründlicher prüfen.
Die Vermieter, die mit ihren zwei kleinen Kindern selbst mit in dem Haus in Sinzheim bei Baden-Baden wohnen, wollen das Erdgeschoss künftig selbst nutzen, um mehr Platz zu haben. Aber der 87 Jahre alte Mieter und seine 78-jährige Frau, die dort seit zwei Jahrzehnten wohnen, wollen nicht mehr umziehen.
Nach ihrer Darstellung ist das zumindest dem Mann, der eine beginnende Demenz habe, nicht zuzumuten. Sie wollen die Räumung abwenden, indem sie sich auf die Härteklausel im Bürgerlichen Gesetzbuch (siehe oben) berufen (AZ: VIII ZR 270/15).
Vor dem Amts- und Landgericht hatten sich bisher die Vermieter durchgesetzt. Dabei wurde aber nicht genau genug hingeschaut, wie dringlich deren Bedarf eigentlich ist, wie die BGH-Richter nun kritisierten. Hier komme es darauf an, ob die Wohnsituation wirklich katastrophal beengt sei oder ob es nur um mehr Komfort gehe. Es habe bisher keinen Ortstermin gegeben, um sich das anzuschauen.
Eigentümer vermietet Wohnung anders als angekündigt: Vorgetäuschter Eigenbedarf?
Wie steht es um die Mieterrechte, wenn der Eigentümer die Wohnung gar nicht wie angekündigt braucht und jemand anderes einzieht als geplant? In diesem Fall muss der Eigentümer dies gut und stimmig begründen. Das unterstreichen die Richter des BGH in einem aktuellen Urteil (Urteil vom 29. März 2017, AZ: VIII ZR 44/16).
In dem Fall kündigte ein Eigentümer seinem Mieter, damit der neue Hausmeister in die Wohnung einziehen konnte. Am Ende zog dieser aber gar nicht in die Wohnung ein – sondern eine andere Familie. Der Mieter sah sich getäuscht und will Schadenersatz für seine Umzugskosten und die neue höhere Miete. Der Vermieter sagte hingegen, der Hausmeister habe sich später umentschieden, er wolle wegen Kniebeschwerden nun doch nicht in den dritten Stock.
Während das Landgericht Koblenz dies noch plausibel fand, hielten die Richter des BGH die Darstellung des Eigentümers für kaum nachvollziehbar. Begründe er nicht stimmig, warum er die Wohnung doch anderweitig vergeben habe, seien die Gerichte verpflichtet davon auszugehen, dass der Mieter getäuscht wurde. Mit dieser Maßgabe muss das Landgericht Koblenz den Fall nun neu entscheiden.
Zusammenfassung: Wann ist eine Eigenbedarfskündigung unwirksam?
... Wenn bei Vertragsschluss mit dem aktuellen Mieter schon absehbar war, dass Eigenbedarf vorliegt oder zeitnah in Anspruch genommen wird. Dann kann die Kündigung mitunter „treuwidrig“ und damit unwirksam sein.
... Wenn der Wohnbedarf „überhöht“ ist, also beispielsweise Eigenbedarf für die alleinstehende Tochter angemeldet, die Wohnung allerdings 250 Quadratmeter groß ist. Auch hier entscheidet aber der Einzelfall.
… Wenn ein Härtefall vorliegt und die im BGB beschriebene Sozialklausel greift. Doch wie bereits im Punkt zuvor dargestellt: Auch hier kann der Einzelfall entscheiden.
Diese hier angeführten Gründe können auch nachträglich festgestellt werden. Wenn nachweisbar wird, dass der Vermieter seinen Einzug in die Wohnung nur vortäuschte, stehen dem Mieter Schadensersatzansprüche zu; etwa einen Ausgleich höherer Mietausgaben für die neue Wohnung.
- Datum
- Aktualisiert am
- 29.03.2017
- Autor
- ndm/dpa