Lieber Stefan P.,
Ihr Vermieter darf Fahrräder aus dem Hinterhof nicht einfach so entfernen, denn es ist zunächst einmal Ihr Eigentum. So Ihr Vermieter davon ausgegangen ist, dass der Besitzer des Rads verzogen ist, dem aber wie in Ihrem Fall nicht so ist, können Sie Schadensersatz verlangen.
Jetzt kenne ich Ihre Hausordnung nicht, denn darin kann der Vermieter bestimmte Regeln aufstellen, etwa bestimmen, dass die Räder primär an dafür vorgesehenen Plätzen abgestellt werden müssen. Daran sollten sich die Mieter halten. Doch selbst wenn das nicht immer geschieht darf der Vermieter nicht gleich zum Äußersten übergehen, denn beispielsweise gibt es häufig gar nicht genügend Stellplätze für alle Räder im Haus.
Aufforderung zur Markierung vor Entfernung der Fahrräder
Häufig nutzen Vermieter die Möglichkeit, dass Besitzer von Rädern innerhalb einer gesetzten Frist diese markieren sollen. Alle herrenlosen Räder werden dann entsorgt. Das ist zunächst einmal nicht verboten, gerade bei häufig wechselnder Mieterschaft sind viele Hinterhöfe geradezu zugemüllt mit alten Drahteseln, die dazu noch den Stellplatz für verkehrstüchtige und genutzte Räder blockieren.
Wer aber den Aushang übersieht oder länger im Urlaub war, muss nicht tatenlos bleiben, wenn sein Rad auf einmal weg ist. Womöglich steht dem Mieter auch in diesem Fall Schadenersatz zu. Das allerdings ist eine rechtliche Grauzone, eine Gewissheit auf Erfolg gibt es hier nicht.
2012 entschied dazu das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, dass der Vermieter Schadensersatz in einem solchen Fall zumindest dann leisten muss, wenn er auch ordnungsgemäß abgeschlossene und funktionstüchtige Fahrräder dabei hat entsorgen lassen. In diesem Fall hieß es im Aushang, dass nicht funktionsfähige und herrenlose Räder entsorgt werden würden. Die Kläger gingen daher davon aus, dass ihre täglich genutzten Fahrräder nicht darunter fallen würden und verzichteten auf eine entsprechende Markierung (Entscheidung vom 20. Juli 2012; AZ: 23 C 9/12).
Stadt entfernt Fahrräder: nur in seltenen Fällen erlaubt
Jenseits möglicher Auseinandersetzungen mit dem Vermieter kann es auch ein böses Erwachen außerhalb des eigenen Hauses geben. Denn Städte und Gemeinden lassen hier und da ebenfalls Räder entfernen. Doch Vorsicht: Auch hier können Radbesitzer mitunter Schadensersatz verlangen.
Beispielsweise ließ die Stadt Göttingen einst das Schloss eines Fahrrads, das am Bahnhofsvorplatz abgestellt war, aufknacken und das Fahrrad abtransportieren. Zudem stellte die Verwaltung dem Mann das Entfernen des Rads in Rechnung.
Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen stellte allerdings klar: Das geht nicht. Das Rad war an der Rückseite einer Parkbank angeschlossen und laut Gericht seien die einzigen Bedingungen für das Entfernen eines Rads an einem öffentlichen Ort die Beeinträchtigung oder Belästigung von Passanten gewesen, hier insbesondere von Rollstuhlfahrern (Beschluss vom 12. März 2009; AZ: 11 LA 172/08).
Etwas anderes kann es allerdings sein, wenn Fahrräder dort abgestellt und angeschlossen werden, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das nicht erlaubt sei. Auch hier entscheidet – wie so oft – der Einzelfall.
Entfernen von Rädern durch die Stadt: Dilemma der Behörden
Der Berliner Tagesspiegel hat sich vor einigen Jahren mit dem Dilemma von Städten beim Entfernen von Fahrrädern beschäftigt. Denn das Abschließen von Fahrrädern in der Stadt signalisiert zunächst einmal, dass es unter dem so genannten Eigentumsvorbehalt steht, auch benutzt werden soll und das auch unabhängig von der wirklichen Funktionstüchtigkeit.
Wenn die Stadt nun Räder entfernen lässt, läuft sie Gefahr, dass das als Diebstahl und Sachbeschädigung gewertet wird. Auf der anderen Seite gibt es in größeren Städten hunderte Räder die sehr offensichtlich bereits seit Monaten oder Jahren nicht mehr bewegt worden sind. Aber wie damit umgehen? Es ist knifflig.
Lieber Stefan P., ich hoffe, dass Ihnen diese Informationen weiterhelfen.
Viele Grüße in die Hansestadt
Ihr Swen Walentowski
- Datum
- Aktualisiert am
- 20.05.2015
- Autor
- Swen Walentowski