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Straßenverkehr

Wildunfälle: Wenn Bremsen nicht mehr hilft

Wildunfälle: Wenn Bremsen nicht mehr hilft
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Im Frühjahr und im Herbst haben Wildunfälle Hochsaison. Der Zusammenstoß mit einem Tier kann unangenehme Folgen haben – auch finanziell. Die Deutsche Anwalt­auskunft verrät, was bei einem Wildunfall zu tun ist.

Eine dunkle Straße im Wald. Im schmalen Lichtkegel der Schein­werfer fliegt die Straße vorbei. Hinter einer Kurve plötzlich ein dunkler Schatten, zwei leuchtende Augen, dann ein lauter Knall: ein Wildunfall. Das Risiko, hinter dem Steuer eine solche Szene zu erleben, ist hoch – besonders im Frühjahr und im Herbst.

Der Deutsche Jagdverband erfasste in seiner jüngsten Statistik über 227.000 Wildunfälle pro Jahr. Kleinere Tiere werden dabei gar nicht mitgezählt. Der beste Schutz vor dem unange­nehmen Rendezvous mit Keiler und Co. ist eine vorsichtige Fahrweise – insbesondere dort, wo Straßen­schilder vor Wildwechsel warnen. Aber wie lassen sich solche Unfälle vermeiden – und was ist zu tun, wenn sich ein Zusammenstoß nicht mehr verhindern lässt?

Wie Sie Wildunfälle wirksam vermeiden: Die wichtigsten Tipps für mehr Sicherheit

Besonders hoch ist die Gefahr eines Wildunfalls in den frühen Morgen­stunden und während der Abenddäm­merung, da Rehe, Wildschweine und andere Wildtiere dann besonders aktiv sind. Risiko­be­reiche sind Straßen, die durch Wälder führen oder an Felder grenzen. Die einfachste und effektivste Maßnahme ist hier: Reduzieren Sie Ihre Geschwin­digkeit und seien Sie besonders aufmerksam.

Wenn Sie ein Tier am Fahrbahnrand sehen, handeln Sie besonnen:

  • Geschwindigkeit reduzieren: Drosseln Sie sofort kontrolliert das Tempo.

  • Abblenden: Schalten Sie das Fernlicht aus. Geblendetes Wild erstarrt oft aus Panik und verharrt regungslos auf der Straße.

  • Hupen: Ein kurzes, lautes Hupzeichen kann das Tier dazu bringen, die Fahrbahn zu verlassen.

  • Bremsbereit sein: Halten Sie sich stets bremsbereit.

Daneben gibt es grundlegende Verhal­tens­weisen, die das Risiko für Wildunfälle generell verringern können:

  • Geschwindigkeit anpassen: Fahren Sie in ausgewiesenen Gefahrenzonen stets mit einer Geschwindigkeit, die ein rechtzeitiges Anhalten ermöglicht.

  • Immer mit Nachzüglern rechnen: Wildtiere leben oft in Gruppen. Wenn ein Tier die Straße überquert, folgen häufig weitere.

  • Straßenränder im Auge behalten: Achten Sie auf reflektierende Augenpaare am Fahrbahnrand – sie sind oft das erste erkennbare Anzeichen.

  • Warnschilder ernst nehmen: Wildwechsel-Schilder werden von Behörden nicht willkürlich, sondern genau in Bereichen mit hoher Wildunfallhäufigkeit aufgestellt.

  • Auf Ausweichmanöver verzichten: Halten Sie das Lenkrad fest und bremsen Sie kontrolliert, anstatt riskante Ausweichmanöver zu starten.

  • Bei schlechter Sicht extra vorsichtig sein: Bei Nebel, Regen oder in der Dunkelheit sind Tiere später zu erkennen und der Bremsweg ist länger. Passen Sie Ihre Geschwindigkeit entsprechend an.

Ausweichen oder draufhalten?

Oft bleibt vor dem Zusammenprall mit dem Tier aber keine Zeit zum Nachdenken. Falls doch, stellt sich die Frage: ausweichen oder nicht? Auch wenn es herzlos klingt, sollten Sie zuerst an Ihr eigenes Wohl denken und nicht an das Tier. Also: nicht ausweichen. Wenn Sie ausweichen, riskieren Sie eine deutlich härtere Kollision, etwa mit entgegen­kom­menden Autos oder Bäumen am Straßenrand.

Auch aus rechtlicher Sicht ist Ausweichen riskant. Denn ein Unfall wird meist nur als Wildunfall anerkannt, wenn es tatsächlich einen Zusammenprall mit dem Tier gab. „Nach einem Ausweich­manöver auf einer einsamen Landstraße ist es oft schwer zu beweisen, dass es sich nicht um einen Fahrfehler handelte – sondern wirklich ein Tier auf der Fahrbahn stand“, erklärt Rechts­anwalt Christian Janeczek, Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV)

Wildunfall: Größerer Schaden durch Ausweichen

Versiche­rungen weigern sich oft, für den Schaden bei Ausweich­ma­növern aufzukommen. Selbst wenn es Zeugen gibt, kann ein Lenkrad­schwenk zu Problemen führen – generell bei kleineren Tieren wie Hasen oder Mardern.

Ein durch Bremsen oder Ausweichen entstandener Schaden wird in der Regel nur ersetzt, wenn ein Zusammenstoß mit dem Wild einen ebenso großen Schaden verursacht hätten. Gerade bei kleinen Tieren ist der Schaden durch das Ausweichen aber oft deutlich größer.

Eine interessante Ausnahme hat das Oberlan­des­gericht Saarbrücken (AZ: 5 U 120/21, 23.11.2022) bestätigt: Weicht ein Fahrer einem Reh oder einem größeren Wildtier in einer nachweislich gefähr­lichen Situation aus, können auch ohne Zusammenstoß sogenannte Rettungs­kosten (§ 83 Abs. 1 VVG) geltend gemacht werden. Gemeint sind damit die Kosten für Schäden, die beim Versuch entstehen, einen noch größeren Versiche­rungs­schaden zu verhindern oder zu verringern. „Es bleibt aber eine Einzel­fall­ent­scheidung“, schränkt Verkehrs­recht­experte Janeczek ein. Pauschal gibt es keinen Anspruch darauf.

Vollbrem­sungen wegen kleiner Wildtiere sind nicht zu empfehlen. Denn verursachen Sie dadurch zum Beispiel einen Auffahr­unfall mit einem nachfol­genden Auto, müssen Sie den Schaden tragen. „Laut geltender Rechtsprechung ist es nicht verhält­nismäßig, andere Verkehrs­teil­nehmer zu gefährden, indem man für ein kleines Tier bremst“, so Verkehrsrecht-Fachanwalt Janeczek.

Nach dem Wildunfall: Unfallort absichern und Polizei rufen

Wie bei jedem anderen Unfall gilt bei einem Wildunfall als erstes: Unfall­stelle sichern. Platzieren Sie das Warndreieck mit genügend Abstand zur Unfall­stelle und ziehen Sie die Warnweste an. Anstatt den zuständigen Förster ausfindig zu machen, sollten Sie direkt die Polizei anrufen, die alles Weitere regelt. Melden Sie den Unfall immer so schnell wie möglich und warten Sie, bis die Polizei eintrifft und den Schaden aufnimmt.

„In vielen Bundes­ländern besteht eine gesetzliche Meldepflicht für Wildunfälle“ erklärt Rechts­anwalt Janeczek. Beispiel Brandenburg: Hier muss ein Unfall mit Haarwild unverzüglich der Polizei mitgeteilt werden – selbst dann, wenn das Tier scheinbar unverletzt wegläuft (§ 27 BbgJagdG). Lässt man angefahrenes Wild mit Verlet­zungen einfach zurück, verstößt man womöglich gegen das Tierschutz­gesetz.

So dokumen­tieren Sie Wildschäden richtig

Lassen Sie den Vorfall von der Polizei aufnehmen. Ein solches behörd­liches Unfall­pro­tokoll ist auch für die Abwicklung des Schadens bei der Versicherung wichtig. Trotzdem sollten Sie auch selbst aktiv werden:

  • Fotos oder Videos anfertigen: Dokumentieren Sie den Unfallort, das Tier (falls noch vorhanden) und sichtbare Spuren am Auto, etwa Reste von Haaren oder Blut. Ein Handy mit Kamera oder ein kleiner Fotoapparat im Handschuhfach sind dabei nützlich. Die Aufnahmen können Sie später als Beweis­mittel für den Wildunfall nutzen.

  • Spuren nicht sofort beseitigen: Warten Sie mit Reinigung oder Reparatur, bis der Schaden bei der Versicherung gemeldet ist. In manchen Fällen beauftragen Versicherer Gutachter, die die Spuren am Fahrzeug prüfen.

  • Zeugen notieren: Wenn andere den Unfall beobachtet haben, bitten Sie um Kontaktdaten – Zeugenaussagen können später entscheidend sein.

  • Unfallzeit und -ort festhalten: Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Straße und Fahrtrichtung. Diese Details helfen, den Hergang nachvollziehbar zu machen.

Wie Sie am besten nach dem Unfall mit dem Tier umgehen

Vom angefahrenen Tier sollten Sie sich fernhalten, wenn es noch lebt. Grund dafür: Verletztes Wild reagiert oft panisch und kann gefährlich ausschlagen oder beißen. Außerdem können bestimmte Parasiten oder Krankheiten wie Tollwut auf den Menschen übertragen werden.

Aber auch wenn das Tier tot ist, gilt: „Laden Sie es auf keinen Fall in Ihr Auto und nehmen Sie es erst recht nicht mit nach Hause“, warnt Verkehrs­rechts­experte Janeczek. Denn: Wenn Sie das Tier eigenmächtig mitnehmen, kann das den Straftat­bestand der Jagdwilderei (§ 292 StGB) erfüllen.

Der Bund der Versicherten rät, ebenfalls den zuständigen Jäger zu kontak­tieren. Er kann ebenfalls bescheinigen, dass es sich um einen Wildunfall handelt und kümmert sich gegebe­nenfalls um das Tier.

Welche Versicherung zahlt was bei Wildun­fällen?

  • Haftpflicht – nur Fremdschäden: Sie ersetzt ausschließlich Schäden, die Sie anderen zufügen. Am eigenen Auto müssen Sie nach einem Wildunfall selbst für die Kosten aufkommen.

  • Teilkasko – Zusammenstoß mit Haarwild: Unter dem Begriff sind nach dem Bundesjagdgesetz § 2 eine Reihe von Tierarten wie Rehe, Wildschweine, Hirsche, Füchse, Dachse oder Hasen zusammengefasst. Viele Versicherer haben ihre Policen inzwischen erweitert und bieten Deckung bei Zusammenstößen mit „Tieren aller Art“. Daher gilt: Das Kleingedruckte im eigenen Vertrag prüfen.

  • Vollkasko – auch Ausweichen und selbstverschuldete Schäden: Sie enthält alle Leistungen der Teilkasko und übernimmt zusätzlich Schäden nach Ausweichmanövern ohne direkten Kontakt sowie selbstverschuldete Unfälle.

Besonder­heiten: Nutztiere und tote Tiere

Unfälle mit Nutztieren wie Kühen und Schafen sind in der Standard-Teilkasko meist nicht enthalten. Hier greift die Versicherung oft nur, wenn der Tarif diese ausdrücklich umfasst. „Wer mit dem Auto häufig in Gegenden mit freilau­fenden Nutztieren unterwegs ist, sollte seinen Versiche­rungstarif daher genau prüfen“, rät Verkehrs­rechts­experte Janeczek.

Eine Police mit einer erweiterten Wildscha­den­klausel deckt laut Bund der Versicherten Kollisionen mit allen Tierarten ab. Dies umfasst dann auch Nutztiere und Haustiere.

Zusammenstöße mit bereits toten Tieren, die auf der Straße liegen, sind übrigens nicht über die Teilkasko versichert. Rechtlich handelt es sich bei solchen Unfällen nämlich um das Auffahren auf ein Hindernis. Schäden werden dann nur in der Vollkasko übernommen.

Was bedeutet ein Wildunfall für den Schaden­frei­heits­rabatt?

Der Schaden­frei­heits­rabatt sorgt dafür, dass Autofahrer, die lange unfallfrei fahren, in günstigere Klassen eingestuft werden und weniger Beitrag zahlen.

  • Teilkasko: Hier gibt es keine Rückstufung – ein gemeldeter Wildschaden wirkt sich also nicht auf die Prämie aus.

  • Vollkasko: Meldet man hier einen Schaden, kann der Schadenfreiheitsrabatt sinken. Folge: höhere Beiträge. Daher überlegen viele Betroffene, ob sie kleinere Schäden lieber selbst bezahlen.

Vorsicht bei Altschäden und Nachweis­pro­blemen

Wer der Versicherung einen Wildunfall meldet, muss klare Beweise liefern. Dazu können Fotos, Haare des Tiers oder Spuren am Auto gehören. Fehlen diese Nachweise, kann es schnell schwierig werden – vor allem, wenn das Fahrzeug bereits ältere Schäden hat. Das zeigt ein Urteil des Landge­richts Hagen (AZ: 9 O 268/22, 13.2.2025).

Ein Autofahrer hatte umfang­reiche Repara­tur­kosten geltend gemacht und angegeben, mit einem Reh kollidiert zu sein. Die Versicherung blieb skeptisch, ließ das Auto prüfen – und fand weder typische Wildspuren noch eindeutige Unfall­merkmale.

Noch schwerer wog, dass der Fahrer frühere Schäden am Wagen nicht offengelegt hatte. Das Gericht wertete dies als arglistiges Verschweigen. Ergebnis: Die Versicherung musste weder in der Teil- noch in der Vollkasko zahlen.

Für Verbraucher heißt das: ehrlich bleiben, Vorschäden angeben und Beweise sichern. Schon kleine Unstim­mig­keiten oder Lücken können im schlimmsten Fall den Versiche­rungs­schutz kosten. Weitere Informa­tionen zu dem Fall und Wildun­fällen allgemein gibt es in diesem Podcast mit Rechts­anwalt Swen Walentowski von anwalt­auskunft.de.

Wildunfall: Autofahrer zahlt nicht für Bergung

Tötet ein Autofahrer bei einem Wildunfall ein Tier, muss er nicht für die Bergung und Entsorgung des Kadavers aufkommen. Das geht aus einem Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts Lüneburg vom 22.11.2017 hervor (AZ: 7 LC 34/17). In der Regel kümmert sich ein Jäger darum. Zur Zeit des Unfalls waren die Jäger in der Region aber in eine Art Streik getreten. Die Gemeinde hatte dem Autofahrer die Rechnung für die Beseitigung des Kadavers geschickt.

Checkliste: So verhalten Sie sich nach einem Wildunfall richtig

  1. Sichern und melden:

    Unfallstelle absichern (Warnblinker, Warndreieck, Warnweste) und umgehend die Polizei (110) alarmieren.

  2. Dokumen­tieren:

    Machen Sie Fotos oder Videos vom Ort, dem Tier, den Fahrzeugschäden und allen Spuren (z.B. Haare). Notieren Sie Zeugendaten.

  3. Beschei­nigung holen:


    Lassen Sie sich eine Wildunfallbescheinigung von der Polizei oder dem Jäger für Ihre Versicherung ausstellen.

  4. Versicherung informieren:


    Melden Sie den Schaden noch vor einer Reparatur oder Reinigung Ihrer Kfz-Versicherung.

  5. Tier nicht anfassen:

    Halten Sie Abstand zu verletztem Wild. Das eigenmächtige Mitnehmen des Tieres ist strafbar.

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Datum
Aktualisiert am
02.10.2025
Autor
Vivian Chang
Bewertungen
4724
Themen
Auto Autounfall Herbst Straßen­verkehr Unfall

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