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Motorradunfälle

Motorrad: Betriebs­gefahr und Haftung bei Unfällen

Im Frühjahr häufen sich die Motorrad­unfälle auf deutschen Straßen. Besonders bei motori­sierten Zweirädern kann die Betriebs­gefahr des Fahrzeugs zum Problem bei der Unfall­haftung und Schadens­re­gu­lierung werden. Hier erfahren Sie, was Motorrad­fahrer beachten müssen.

Bewegt jemand im öffent­lichen Straßen­verkehr ein Kraftfahrzeug, geht davon allein auf Grund dieser Tatsache eine Gefahr für alle anderen Verkehrs­teil­nehmer aus. Dieses theore­tische Gefahren­po­tential wird als Betriebs­gefahr bezeichnet.

Die allgemeine Betriebs­gefahr eines Fahrzeugs wird vor allem durch die Schäden bestimmt, die dadurch Dritten drohen können. Die Betriebs­gefahr eines Smarts ist dementsprechend niedriger, als die eines 200 PS starken Sportwagens.

Gesetzliche Vorgaben gibt es bezüglich der Betriebs­gefahr keine. Grundsätzlich werden bei Kraftfahr­zeugen etwa 20 Prozent Haftung angelegt. Derjenige, der über die Betriebs­gefahr haftet, muss also 20 Prozent seines Schadens tragen. Oder 20 Prozent des gegnerischen Schadens ersetzen.

Betriebs­gefahr bei Fahrzeugen: Motorräder werden meistens höher eingestuft.

Bei Motorrädern wird die Betriebs­gefahr oft höher angesetzt als bei PKWs. Faktoren, wie die Geschwin­digkeit, die geringe Stabilität des Fahrzeugs und die daraus resultierende Sturzgefahr, oder die geringere Sichtbarkeit des Fahrzeugs, spielen hier eine Rolle. Daher haften Motorräder gerne auch mit 30-40 Prozent Haftung aus der Betriebs­gefahr heraus, wie Rechts­anwalt Carsten R. Hoenig gelernt hat. Er betont allerdings gegenüber der Anwalt­auskunft: „Es kommt immer auf den Einzelfall an.“

Man muss nicht zwangs­läufig an einem Unfall Schuld sein, um dafür haften zu müssen. Die Haftung aus der Betriebs­gefahr ist verschul­dens­un­ab­hängig. Sie bezieht sich allein auf den zivilrecht­lichen Bereich und ist auch strafrechtlich irrelevant.

Motorrad­fahrer: Keine automa­tische Teilhaftung aufgrund von Betriebs­gefahr

Das bedeutet allerdings im Umkehr­schluss nicht, dass Motorrad­fahrer aufgrund ihrer höheren Betriebs­gefahr immer automatisch eine Teilhaftung akzeptieren müssen. Die Haftung aus der Betriebs­gefahr heraus kann unter bestimmten Bedingungen entfallen. Was vor allem auf der (Un-)Vermeid­barkeit von Unfällen basiert:

  1. Gegenüber nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern, also bei einem Unfall mit Fußgängern, entfällt die Gefährdungshaftung, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde.
  2. Bei einem Unfall mit einem anderen Kraftfahrzeug entfällt die Gefährdungshaftung, wenn der Halter beweisen kann, dass das Unfallereignis für ihn unabwendbar war.

Die Betriebs­gefahr eines Fahrzeugs muss also verwirklicht werden. Steht das Motorrad mit ausgeschaltetem Motor an einer Ampel, oder ist geparkt, ist die Betriebs­gefahr gering. Dementsprechend würde ein Motorrad­fahrer nicht aus der Betriebs­gefahr heraus haften, wenn ein anderes Kraftfahrzeug von hinten auffährt, während er steht.

In der Rechtsprechung wird von einer Haftungsquote für die Betriebs­gefahr in der Regel auch dann abgesehen, wenn der Verkehrs­verstoß des gegnerischen Fahrzeug­führers besonders grob war.

So geschehen etwa bei einem Unfall, bei dem ein Motorrad­fahrer mit einem PKW zusammen­ge­stoßen war, der grob fahrlässig die Vorfahrt missachtet hatte. Das Gericht verwies in seiner Entscheidung zwar auf die erhöhte Betriebs­gefahr des Motorrads. Die ergebe sich aus der Bauart und der Beschleu­ni­gungs­fä­higkeit der Maschine. Sie trete aber bei einem groben Vorfahrt­verstoß regelmäßig vollständig hinter die schuldhaft gesteigerte Betriebs­gefahr des vorfahrt­ver­let­zenden Fahrzeugs zurück. Anderenfalls würde ein Motorrad­fahrer auch bei völlig korrektem Verhalten grundsätzlich mithaften (OLG Schleswig-Holstein, 7 U 58/10).

Motorrad­unfall: Viele Probleme in der Regulie­rungs­praxis

So eindeutig ist die Praxis aber meistens nicht. Bei vielen Verkehrs­un­fällen muss abgewogen werden, wie Anwalt Hoenig weiß: „Gerade zu Saison­beginn passiert es häufig, dass der Autofahrer den Motorrad­fahrer einfach übersieht. Oder er sieht ihn zwar, aber unterschätzt die Geschwin­digkeit.“ Da ließe sich dann eben diskutieren: Wäre diese Situation für den Motorrad­fahrer vermeidbar gewesen und hat sich demensprechend die Betriebs­gefahr realisiert? Hätte er früher bremsen oder langsamer anfahren können? Genau solche Fragen würden in der Regulie­rungs­praxis für Probleme sorgen.

Rechts­anwalt Hoenig, selbst langjähriger Motorrad­fahrer, rät daher: „Sich nach einer Unfall­si­tuation möglichst ruhig verhalten und immer die Polizei verständigen.“ Das sei ratsam, um die Beweis­si­tuation zu sichern und die Beteili­gungen festzu­stellen. Im Zweifelsfall könne man sich nicht auf das Wort des Unfall­gegners verlassen. Denn nicht der Unfall­gegner lege hinterher den Schaden fest, sondern sein Versicherer.

In der Hinsicht sei es ratsam, sich nach einem Motorrad­unfall anwaltliche Hilfe zu holen. Denn eine Menge Regulie­rungs­fragen in solchen Situationen würden zu Streitig­keiten führen. Beispielsweise der Wert des Fahrzeuges vor und nach dem Unfall, Nutzungs­aus­fall­schaden, Höhe des Schmer­zensgelds bei Verlet­zungen oder Verdienst­ausfall. Motorrad­experte Hoenig weiß: „Auf der anderen Seite sitzt der Regulierer der Versicherung und das sind in der Regel hochqua­li­fi­zierte Fachleute. Die werden natürlich die Preise drücken, weil sie Geld sparen wollen.“

Die Kosten, die ein Anwalt verursachen würde, seien außerdem ebenfalls regulie­rungs­pflichtige Schadens­po­si­tionen. Bekommt man Recht, muss sie also die Gegenseite tragen.

Datum
Aktualisiert am
29.05.2018
Autor
psu
Bewertungen
7556
Themen
Haftung Motorrad Straßen­verkehr Unfall Versicherung

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