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Bundes­ge­richtshof

Keine Mitschuld von Radfahrern ohne Helm bei Unfall

Nur wenige Radfahrer setzen beim Fahren einen Schutzhelm auf. © Quelle: Simon/corbisimages.com

Das Urteil wurde mit viel Spannung erwartet, heute hat der Bundes­ge­richtshof entschieden: Radfahrer, die ohne Helm fahren und schuldlos in einen Unfall verwickelt werden, haften nicht für die Unfall­folgen. Sie müssen nach dem aktuellen Urteil der Karlsruher Richter nicht fürchten, dass ihnen der Schadens­ersatz gekürzt wird.

Millionen Radfahrer in Deutschland können aufatmen. Denn der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat heute geurteilt, dass Radfahrer nicht haften, wenn sie unbehelmt unterwegs sind und sich bei einem Unfall schwer am Kopf verletzen. Sie bekommen auch ohne Helm auf dem Kopf den vollen Schadens­ersatz zugesprochen (AZ: VI ZR 281/13).

Verhandelt hatten die Karlsruher Richter in einem Fall, der sich 2011 ereignete. Dabei ging es um eine 58jährige Radfahrerin aus dem norddeutschen Glücksburg. Sie verletzte sich auf dem Weg zur Arbeit schwer am Kopf, als eine am Straßenrand parkende Autofahrerin die Tür ihres Wagens öffnete. Die Radlerin prallte gegen die Tür und stürzte. Die Radfahrerin hatte den Unfall nicht verursacht, dennoch bescheinigte ihr das Oberlan­des­gericht (OLG) Schleswig eine Mitschuld an den Unfall­folgen, weil sie keinen Schutzhelm getragen hatte. Die Richter kürzten ihren Schadens­er­satz­an­spruch um 20 Prozent (AZ: 7 U 11/12). 

Nur wenige Radfahrer tragen Helm

Demgegenüber begründen die Richter am Bundes­ge­richtshof ihr aktuelles Urteil damit, dass es in Deutschland keine allgemeine Helmpflicht gibt. Zwar könne jemandem auch ohne eine solche Pflicht eine Mitschuld angelastet werden, wenn er die nötige Sorgfalt außer Acht gelassen habe, um Schaden von sich abzuwenden. Das treffe allerdings nur zu, wenn „das Tragen von Schutz­helmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrs­be­wusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre“, so die Karlsruher Richter in ihrem heutigen Urteil.

In der juristischen Fachsprache bedeutet das „allgemeine Verkehrs­be­wusstsein“, dass Helme üblich sind. Das waren sie im Jahr 2011 nach Ansicht der Bundes­richter allerdings nicht. Die Richter verweisen in ihrer Urteils­be­gründung auf repräsen­tative Zahlen der Bundes­anstalt für Straßenwesen, denen zu Folge im Jahr 2011 nur 11 Prozent aller Radfahrer mit Helm auf dem Kopf fuhren.

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Bundes­ge­richtshof (BGH) wiederholt mit der Frage nach der Mitschuld von Verkehrs­teil­nehmern bei Unfällen befasst.

Ähnlich wie die Richter des BGH argumentiert hatten im Vorfeld der Entscheidung auch Verkehrs­rechts­experten wie zum Beispiel der Hagener Rechts­anwalt Jörg Elsner von der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV).

„Wir haben es hier mit einem richtungs­wei­senden Urteil zu tun“, erklärt Swen Walentowski, der Sprecher der Deutschen Anwalt­auskunft. „In Stein gemeißelt muss das Urteil allerdings nicht die nächsten hundert Jahre Bestand haben. Wenn immer mehr erwachsene Fahrrad­fahrer einen Helm tragen, ändert sich das sogenannte allgemeine Verkehrs­be­wusstsein. Dadurch ist es durchaus vorstellbar, dass der BGH in 15 Jahren anders entscheidet.“

Umstrittenes Urteil

Das Urteil des OLG Schleswig war unter Juristen von Beginn an umstritten. Ihm entgegen stand etwa das Urteil der Richter am OLG Celle. Sie hatten im Februar 2014 über einen Fall verhandelt, in dem es um zwei Radfahrer ging, die zusammen­ge­stoßen waren. Einer von ihnen war ohne Helm unterwegs und verletzte sich beim Unfall am Kopf. Die Richter sprachen diesem Radfahrer Schadens­ersatz in voller Höhe zu und verneinten in ihrem Urteil, dass es ein „allgemeines Verkehrs­be­wusstsein“ pro Helm in der Gesell­schaft gebe.

Zudem sei es statistisch nicht erwiesen, dass Fahrradhelme in signifi­kanter Weise zur Abwendung von Kopfver­let­zungen beitragen könnten, so die Richter. Das Problem sei die Frage eines generellen Mitver­schuldens bei einem Unfall zwischen Fußgängern und Radfahrern, wenn beide Kopfver­let­zungen erleiden. Es bestünden Abgren­zungs­schwie­rig­keiten. Eine Einzel­fall­be­trachtung, so die Richter, werde den tatsäch­lichen Verhält­nissen am besten gerecht (AZ: 14 U 113/13).

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Datum
Aktualisiert am
19.06.2014
Autor
ime
Bewertungen
724
Themen
Fahrrad Geld Helmpflicht Schadens­ersatz Unfall

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