Anwältin/Anwalt suchen!

Merkzettel

Es befinden sich noch keine Anwälte in Ihrer Merkliste.

Der gläserne Fahrer?

Dashcams im Auto: Beweis­mittel vs. Datenschutz

Dashcam im Auto
In vielen Ländern üblich, in Deutschland umstritten: Dashcams. © Quelle: DAV

Dauerhaftes Filmen des Verkehrs mit einer Dashcam an der Frontscheibe ist in Deutschland wegen Datenschutz verboten. Doch im Fall eines Unfalls sind die Aufnahmen als Beweis­mittel vor Gericht zulässig. Dies wurde vom Bundes­ge­richtshof bestätigt. Die Rechtslage zur Nutzung von Dashcams bleibt damit verworren - das Rechts­portal anwalt­auskunft.de gibt eine Übersicht über relevanter Urteile und ordnet die Rechtslage mit Hilfe einer Fachan­wältin für Verkehrsrecht ein.

Seit Langem wird über diese Frage gerichtlich gestritten. Urteile auf hoher Ebene schaffen einerseits Klarheit. Auf der anderen Seite stiften sie jedoch auch Verwirrung. So entschied der Bundes­ge­richtshof im Mai 2018, dass Aufnahmen von Auto-Minikameras bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden können (VI ZR 233/17). Die Aufnahmen von sogenannten Dashcams dürfen demnach bei Unfall-Prozessen genutzt werden.

Doch das bedeutet weiterhin nicht, dass Autofahrer automatisch immer filmen dürfen. Die Bundes­richter verwiesen in dieser Frage auf das Datenschutz­gesetz. Das permanente Aufzeichnen bleibt nach wie vor unzulässig. Diese Unzuläs­sigkeit führt aber nicht dazu, dass die Bilder in Zivilpro­zessen nicht verwertet werden dürfen. Es sei immer eine Frage der Abwägung im Einzelfall.

Konkret ging es bei der BGH-Eintscheidung um die Revision eines Autofahrers aus Sachsen-Anhalt. Dieser wollte seine Unschuld an einem Unfall in Magdeburg anhand der Aufzeich­nungen seiner Dashcam beweisen - doch weder das Amts- noch das Landgericht ließen dies zu. Da solche Aufnahmen gegen datenschutz­rechtliche Bestim­mungen verstießen, dürften sie nicht als Beweis herangezogen werden, hatten die Magdeburger Richter argumentiert. Der BGH hat diese Entscheidung revidiert.

Der Ausgang des Verfahrens wurde von Verkehrs­experten mit Spannung erwartet. Die Rechtslage war bis jetzt unklar, die Gerichte hatten bislang unterschiedlich zum Einsatz der Dashcam-Aufzeich­nungen geurteilt.

Dass Aufnahmen von Videokameras im Auto unter bestimmten Umständen Beweis­mittel sein können, hatte auch das Oberlan­des­gericht Stuttgart entschieden (AZ: 4 Ss 543/15). In einem Bußgeld­ver­fahren sei es in schwer­wie­genden Fällen grundsätzlich zulässig, auf Dashcam-Aufnahmen anderer Verkehrs­teil­nehmer zurück­zu­greifen. Demnach kann eine Aufnahme vor Gericht bei schwer­wie­genden Verstößen im Verkehr als Beweis­mittel gelten. Das gelte zum Beispiel, wenn ein Verkehrs­teil­nehmer eine mindestens sechs Sekunden rot zeigende Ampel missachte. Um genau so einen Fall ging es bei dieser Entscheidung. Die Tat des Rotsünders konnte das Gericht nur aufgrund eines Videos beweisen, dass ein anderer Verkehrs­teil­nehmer quasi aus Versehen mit einer Dashcam aufgenommen hatte.

 

Aufnahmen unter strengen Vorraus­set­zungen verwertbar

Der rechtliche Status von Dashcam-Aufzeich­nungen ist umstritten. Ob sie als Beweis­mittel in Zivil- oder Strafpro­zessen zugelassen werden, lag bisher im Ermessen der Richter. Manche Gerichte hatten die Aufnahmen berück­sichtigt – allerdings innerhalb enger Grenzen.

Anfang 2015 ließ das Amtsgericht Nienburg Privat­auf­nahmen einer Dashcam als Beweis­mittel zu, doch nur aufgrund der Tatsache, dass die Kamera erst im Verlauf des Geschehens eingeschaltet wurde. Da es sich dabei nach Ansicht des Gerichts nicht um eine dauerhafte Verkehrs­überwa­chung handelte, ließ es den Beweis zu (AZ: 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14).

Nach Auffassung des Landge­richts Traunstein (Urteil, Az. 3 O 1200/15) ist die Kamera­aufnahme einer Dashcam unter bestimmten Vorraus­set­zungen zivilrechtlich verwertbar. Sie muss technisch so gestaltet sein, dass sie nur die 15 Sekunden vor und nach einem "auslösenden Ereignis" (starke Bremsung, starke Seiten­flieh­kräfte, Kollision) dauerhaft speichert und die sonstigen Aufnahmen ohne auslösendes Ereignis alle 30 Sekunden endgültig und nicht mehr rekonstru­ierbar überschreibt.

Dashcams im Strassen­verkehr: Dauerhafte Überwachung verboten

Die dauerhafte Verkehrs­über­wachung mit einer Dashcam ist verboten – insbesondere dann, wenn Verkehrs­teil­nehmer sich mit der Kamera selbst zum Verkehrs­po­li­zisten machen. In einem solchen Fall hat das Verwal­tungs­gericht Göttingen entschieden (AZ: 1 B 171/16). Ein unter dem Namen „Knöllchen-Horst“ bekannter, selbst­er­nannter Verkehrs­wächter hatte immer wieder tatsächliche oder angenommene Verkehrs­verstöße anderer Autofahrer gemeldet, die er mit seinen beiden Dashcams aufgenommen hatte. Dagegen wehrte sich die Landes­be­auf­tragten für den Datenschutz in Nieder­sachsen, Barbara Thiel.

Da solche Aufnahmen des öffent­lichen Verkehrs einen schweren Eingriff in das Recht auf informatio­nelle Selbst­be­stimmung der Aufgenommenen darstellen, untersagte sie weiteres Filmen. Außerdem verfügte sie die Löschung der rechts­widrigen Aufnahmen.

Das Verwal­tungs­gericht bestätigte die Verfügung gegen "Knöllchen-Horst" gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen aus datenschutz­recht­lichen Gründen, die enge Grenzen für die Überwachung des öffent­lichen Raumes ziehen. Zum anderen sei die Gewähr­leistung der öffent­lichen Sicherheit eine staatliche Aufgabe.

Bußgeld: Wer dauerhaft filmt, muss zahlen

Auch das Amtsgericht München entschied gegen eine Autofahrerin, die den Straßen­verkehr mit zwei Kameras an ihrem Auto dauerhaft filmte. Es verurteilte sie zu einer Geldbuße (Entscheidung vom 9. August 2017, AZ: 1112 OWi 300 Js 121012/17).

Wie die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des DAV informiert, hatte die Frau einen Streif­schaden an ihrem Wagen festge­stellt. Sie übergab die Videoauf­zeich­nungen der beiden Kameras der Polizei. Sie hoffte, mit den Videomit­schnitten ein Beweis­mittel zu haben. Zu ihrer Überra­schung wurde gegen die Frau ein Bußgeld­ver­fahren wegen Verstoßes gegen das Bundes­da­ten­schutz­gesetz eingeleitet und ein Bußgeld­be­scheid erlassen.

Die Frau legte dagegen Einspruch ein. Das Amtsge­richt München gab der Polizei Recht und verur­teilte die Frau zu einer Geldbuße von 150 Euro wegen vorsätz­licher unbefugter Erhebung, Verar­beitung und Bereit­haltung personen­be­zogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind.

Nach Auffassung des Amtsge­richts ist das Verhalten der Frau als vorsätzliche Ordnungs­wid­rigkeit zu verurteilen. In dem Fall überwiege das Recht der gefilmten Personen auf informa­tionelle Selbstbe­stimmung. Das Interesse der Betrof­fenen an der Aufdeckung einer potentiellen Straftat müsse hier zurück­stehen.

Privat­personen ohne deren Wissen filmen: Verstoß gegen Bundes­da­ten­schutz­gesetz

Für die kritische Haltung der Gerichte gab es also wichtige Gründe: Mit dem Einsatz von Dashcams sind erhebliche datenschutz­rechtliche Probleme verbunden. Denn wer als Privat­person mittels durchge­hender Aufnahmen anderen Personen gegen deren Willen und/oder Wissen filmt, verstößt gegen das Bundes­da­ten­schutz­gesetz.

In Bayern müssen Autofahrer, die den Straßen­verkehr mit der Dashcam filmen und die Filme im Internet veröffent­lichen, mit empfind­lichen Strafen rechnen. Es drohen bis zu 300.000 Euro Bußgeld. Strafen drohen auch in Nordrhein-Westfalen.

Darf nun jeder eine Dashcam nutzen?

Auch mit der oberge­richt­lichen Entscheidung sind die datenschutz­recht­lichen Bedenken nicht ausgeräumt. „Das informa­tionelle Selbst­be­stim­mungsrecht und das Recht am eigenen Bild sind bedeutende Rechtsgüter“, sagt Rechts­anwalt Swen Walentowski vom Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Gerade der dauerhafte und anlasslose Einsatz von Dashcams, also das ständige Filmen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern, verletzt deren Rechte.“

Eine Kamera im Auto mitzuführen kann grundsätzlich sinnvoll sein. Ihr Einsatz empfiehlt sich beispielsweise, um nach einem Unfall Schäden und Beweise zu dokumen­tieren – nicht aber für ein dauerhaftes und anlassloses Abfilmen des Verkehrs. Unter keinen Umständen sollten Autofahrer solche Aufnahmen im Internet hochladen.

Forderung: Klare gesetzliche Regelung für alle Fahrzeugdaten

Daniela Mielchen ist Fachan­wältin für Verkehrsrecht und Mitglied des Verkehrs­rechts­aus­schusses des DAV. Auch sie hat eine klare Haltung zu den On-Board-Kameras: „Es sollte weiter­gehend als bisher gesetzlich geregelt werden, welche Daten wann, wo, zu welchem Zweck und wie lange gespeichert werden und an wen sie weiter­ge­leitet werden dürfen“, sagt sie.

Aufnahmen von Dashcams sind dabei längst nicht die einzigen kriti­schen Daten, die im Fahrzeug gesammelt werden. Mittlerweile gibt es laut Mielchen bis zu 80 Steuer­geräte, die in Fahrzeugen Daten sammeln. Einige dieser Daten werden – zumindest kurzfristig – in internen Speichern abgelegt. Die Daten können be- und entlasten und sind für viele inter­essant: nicht nur für den Fahrer und den Halter, sondern auch für den Hersteller, Versiche­rungen und die Polizei.

Fahrzeugdaten: Fahrzeugdaten meist ohne Richter­vor­behalt zu beschlag­nahmen

Auf einen Teil der Daten haben bisher alleine die Hersteller der Fahrzeuge Zugriff, die diese Daten unter anderem dann verwenden, wenn es darum geht, Ansprüche der Fahrzeug­be­sitzer abzuwehren. Dabei steht die Beschlag­nahmung von Daten unter Richter­vor­behalt. Das heißt, dass nur ein Richter sie anordnen darf. Ohne Richter geht es nur bei Gefahr im Verzug, wenn also die Zeit für eine Anfrage beim Richter nicht ausreicht.

Da Datensamm­lungen immer veränderbar und löschbar sind, besteht auch immer Gefahr im Verzug. Der Richter­vor­behalt laufe dadurch ins Leere – so die Kritiker der zunehmenden Datensamm­lungen. Verkehrs­rechts­expertin Mielchen: „Somit besteht die Gefahr, dass unser bisheriger Schutz­me­cha­nismus gegen unbefugte Eingriffe in die Privat­sphäre ausgehöhlt wird“.

Daniela Mielchen fordert, dass Fahrer eine freiwillige (also nicht an etwaige Versprechen gekoppelte) Einver­ständ­nis­er­klärung über die Datener­hebung und -verwendung abgeben müssten, die jederzeit widerruflich sei und die genau bestimme, an wen welche Daten weiter­gegeben werden. „Zudem muss der Betroffene die Möglichkeit haben, als Erster Einsicht in die Daten zu erhalten, bevor es zu einer Datenwei­tergabe kommt“, so die Rechts­an­wältin.

Das Thema Daten­schutz im Auto dürfte Gerichte und Gesetzgeber – wie auch die Dashcams – in den kommenden Jahren noch vielfach beschäftigen.

 

Datum
Aktualisiert am
17.06.2019
Autor
red
Bewertungen
8210 1
Themen
Auto Autounfall Datenschutz Versicherung

Zurück

Anwältin/Anwalt finden!
Leben
Mahngebühren: Wie hoch dürfen Sie sein?
Gesellschaft
Cannabis: Was ist erlaubt?
Leben
Drohnen: Was ist erlaubt, was verboten?
Mobilität
Motorroller frisieren: Diese Strafen drohen Tunern
Wohnen
Hausbau: Festpreis oder unbegrenzte Kosten?
zur
Startseite