Seit Langem wird über diese Frage gerichtlich gestritten. Urteile auf hoher Ebene schaffen einerseits Klarheit. Auf der anderen Seite stiften sie jedoch auch Verwirrung. So entschied der Bundesgerichtshof im Mai 2018, dass Aufnahmen von Auto-Minikameras bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden können (VI ZR 233/17). Die Aufnahmen von sogenannten Dashcams dürfen demnach bei Unfall-Prozessen genutzt werden.
Doch das bedeutet weiterhin nicht, dass Autofahrer automatisch immer filmen dürfen. Die Bundesrichter verwiesen in dieser Frage auf das Datenschutzgesetz. Das permanente Aufzeichnen bleibt nach wie vor unzulässig. Diese Unzulässigkeit führt aber nicht dazu, dass die Bilder in Zivilprozessen nicht verwertet werden dürfen. Es sei immer eine Frage der Abwägung im Einzelfall.
Konkret ging es bei der BGH-Eintscheidung um die Revision eines Autofahrers aus Sachsen-Anhalt. Dieser wollte seine Unschuld an einem Unfall in Magdeburg anhand der Aufzeichnungen seiner Dashcam beweisen - doch weder das Amts- noch das Landgericht ließen dies zu. Da solche Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstießen, dürften sie nicht als Beweis herangezogen werden, hatten die Magdeburger Richter argumentiert. Der BGH hat diese Entscheidung revidiert.
Der Ausgang des Verfahrens wurde von Verkehrsexperten mit Spannung erwartet. Die Rechtslage war bis jetzt unklar, die Gerichte hatten bislang unterschiedlich zum Einsatz der Dashcam-Aufzeichnungen geurteilt.
Dass Aufnahmen von Videokameras im Auto unter bestimmten Umständen Beweismittel sein können, hatte auch das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden (AZ: 4 Ss 543/15). In einem Bußgeldverfahren sei es in schwerwiegenden Fällen grundsätzlich zulässig, auf Dashcam-Aufnahmen anderer Verkehrsteilnehmer zurückzugreifen. Demnach kann eine Aufnahme vor Gericht bei schwerwiegenden Verstößen im Verkehr als Beweismittel gelten. Das gelte zum Beispiel, wenn ein Verkehrsteilnehmer eine mindestens sechs Sekunden rot zeigende Ampel missachte. Um genau so einen Fall ging es bei dieser Entscheidung. Die Tat des Rotsünders konnte das Gericht nur aufgrund eines Videos beweisen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer quasi aus Versehen mit einer Dashcam aufgenommen hatte.
Aufnahmen unter strengen Vorraussetzungen verwertbar
Der rechtliche Status von Dashcam-Aufzeichnungen ist umstritten. Ob sie als Beweismittel in Zivil- oder Strafprozessen zugelassen werden, lag bisher im Ermessen der Richter. Manche Gerichte hatten die Aufnahmen berücksichtigt – allerdings innerhalb enger Grenzen.
Anfang 2015 ließ das Amtsgericht Nienburg Privataufnahmen einer Dashcam als Beweismittel zu, doch nur aufgrund der Tatsache, dass die Kamera erst im Verlauf des Geschehens eingeschaltet wurde. Da es sich dabei nach Ansicht des Gerichts nicht um eine dauerhafte Verkehrsüberwachung handelte, ließ es den Beweis zu (AZ: 4 Ds 155/14, 4 Ds 520 Js 39473/14).
Nach Auffassung des Landgerichts Traunstein (Urteil, Az. 3 O 1200/15) ist die Kameraaufnahme einer Dashcam unter bestimmten Vorraussetzungen zivilrechtlich verwertbar. Sie muss technisch so gestaltet sein, dass sie nur die 15 Sekunden vor und nach einem "auslösenden Ereignis" (starke Bremsung, starke Seitenfliehkräfte, Kollision) dauerhaft speichert und die sonstigen Aufnahmen ohne auslösendes Ereignis alle 30 Sekunden endgültig und nicht mehr rekonstruierbar überschreibt.
Dashcams im Strassenverkehr: Dauerhafte Überwachung verboten
Die dauerhafte Verkehrsüberwachung mit einer Dashcam ist verboten – insbesondere dann, wenn Verkehrsteilnehmer sich mit der Kamera selbst zum Verkehrspolizisten machen. In einem solchen Fall hat das Verwaltungsgericht Göttingen entschieden (AZ: 1 B 171/16). Ein unter dem Namen „Knöllchen-Horst“ bekannter, selbsternannter Verkehrswächter hatte immer wieder tatsächliche oder angenommene Verkehrsverstöße anderer Autofahrer gemeldet, die er mit seinen beiden Dashcams aufgenommen hatte. Dagegen wehrte sich die Landesbeauftragten für den Datenschutz in Niedersachsen, Barbara Thiel.
Da solche Aufnahmen des öffentlichen Verkehrs einen schweren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Aufgenommenen darstellen, untersagte sie weiteres Filmen. Außerdem verfügte sie die Löschung der rechtswidrigen Aufnahmen.
Das Verwaltungsgericht bestätigte die Verfügung gegen "Knöllchen-Horst" gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen aus datenschutzrechtlichen Gründen, die enge Grenzen für die Überwachung des öffentlichen Raumes ziehen. Zum anderen sei die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine staatliche Aufgabe.
Bußgeld: Wer dauerhaft filmt, muss zahlen
Auch das Amtsgericht München entschied gegen eine Autofahrerin, die den Straßenverkehr mit zwei Kameras an ihrem Auto dauerhaft filmte. Es verurteilte sie zu einer Geldbuße (Entscheidung vom 9. August 2017, AZ: 1112 OWi 300 Js 121012/17).
Wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV informiert, hatte die Frau einen Streifschaden an ihrem Wagen festgestellt. Sie übergab die Videoaufzeichnungen der beiden Kameras der Polizei. Sie hoffte, mit den Videomitschnitten ein Beweismittel zu haben. Zu ihrer Überraschung wurde gegen die Frau ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzgesetz eingeleitet und ein Bußgeldbescheid erlassen.
Die Frau legte dagegen Einspruch ein. Das Amtsgericht München gab der Polizei Recht und verurteilte die Frau zu einer Geldbuße von 150 Euro wegen vorsätzlicher unbefugter Erhebung, Verarbeitung und Bereithaltung personenbezogener Daten, die nicht allgemein zugänglich sind.
Nach Auffassung des Amtsgerichts ist das Verhalten der Frau als vorsätzliche Ordnungswidrigkeit zu verurteilen. In dem Fall überwiege das Recht der gefilmten Personen auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung einer potentiellen Straftat müsse hier zurückstehen.
Privatpersonen ohne deren Wissen filmen: Verstoß gegen Bundesdatenschutzgesetz
Für die kritische Haltung der Gerichte gab es also wichtige Gründe: Mit dem Einsatz von Dashcams sind erhebliche datenschutzrechtliche Probleme verbunden. Denn wer als Privatperson mittels durchgehender Aufnahmen anderen Personen gegen deren Willen und/oder Wissen filmt, verstößt gegen das Bundesdatenschutzgesetz.
In Bayern müssen Autofahrer, die den Straßenverkehr mit der Dashcam filmen und die Filme im Internet veröffentlichen, mit empfindlichen Strafen rechnen. Es drohen bis zu 300.000 Euro Bußgeld. Strafen drohen auch in Nordrhein-Westfalen.
Darf nun jeder eine Dashcam nutzen?
Auch mit der obergerichtlichen Entscheidung sind die datenschutzrechtlichen Bedenken nicht ausgeräumt. „Das informationelle Selbstbestimmungsrecht und das Recht am eigenen Bild sind bedeutende Rechtsgüter“, sagt Rechtsanwalt Swen Walentowski vom Deutschen Anwaltverein (DAV). „Gerade der dauerhafte und anlasslose Einsatz von Dashcams, also das ständige Filmen von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern, verletzt deren Rechte.“
Eine Kamera im Auto mitzuführen kann grundsätzlich sinnvoll sein. Ihr Einsatz empfiehlt sich beispielsweise, um nach einem Unfall Schäden und Beweise zu dokumentieren – nicht aber für ein dauerhaftes und anlassloses Abfilmen des Verkehrs. Unter keinen Umständen sollten Autofahrer solche Aufnahmen im Internet hochladen.
Forderung: Klare gesetzliche Regelung für alle Fahrzeugdaten
Daniela Mielchen ist Fachanwältin für Verkehrsrecht und Mitglied des Verkehrsrechtsausschusses des DAV. Auch sie hat eine klare Haltung zu den On-Board-Kameras: „Es sollte weitergehend als bisher gesetzlich geregelt werden, welche Daten wann, wo, zu welchem Zweck und wie lange gespeichert werden und an wen sie weitergeleitet werden dürfen“, sagt sie.
Aufnahmen von Dashcams sind dabei längst nicht die einzigen kritischen Daten, die im Fahrzeug gesammelt werden. Mittlerweile gibt es laut Mielchen bis zu 80 Steuergeräte, die in Fahrzeugen Daten sammeln. Einige dieser Daten werden – zumindest kurzfristig – in internen Speichern abgelegt. Die Daten können be- und entlasten und sind für viele interessant: nicht nur für den Fahrer und den Halter, sondern auch für den Hersteller, Versicherungen und die Polizei.
Fahrzeugdaten: Fahrzeugdaten meist ohne Richtervorbehalt zu beschlagnahmen
Auf einen Teil der Daten haben bisher alleine die Hersteller der Fahrzeuge Zugriff, die diese Daten unter anderem dann verwenden, wenn es darum geht, Ansprüche der Fahrzeugbesitzer abzuwehren. Dabei steht die Beschlagnahmung von Daten unter Richtervorbehalt. Das heißt, dass nur ein Richter sie anordnen darf. Ohne Richter geht es nur bei Gefahr im Verzug, wenn also die Zeit für eine Anfrage beim Richter nicht ausreicht.
Da Datensammlungen immer veränderbar und löschbar sind, besteht auch immer Gefahr im Verzug. Der Richtervorbehalt laufe dadurch ins Leere – so die Kritiker der zunehmenden Datensammlungen. Verkehrsrechtsexpertin Mielchen: „Somit besteht die Gefahr, dass unser bisheriger Schutzmechanismus gegen unbefugte Eingriffe in die Privatsphäre ausgehöhlt wird“.
Daniela Mielchen fordert, dass Fahrer eine freiwillige (also nicht an etwaige Versprechen gekoppelte) Einverständniserklärung über die Datenerhebung und -verwendung abgeben müssten, die jederzeit widerruflich sei und die genau bestimme, an wen welche Daten weitergegeben werden. „Zudem muss der Betroffene die Möglichkeit haben, als Erster Einsicht in die Daten zu erhalten, bevor es zu einer Datenweitergabe kommt“, so die Rechtsanwältin.
Das Thema Datenschutz im Auto dürfte Gerichte und Gesetzgeber – wie auch die Dashcams – in den kommenden Jahren noch vielfach beschäftigen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 17.06.2019
- Autor
- red