Laut dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat starben 256 Personen und damit jeder 14. Verkehrstote im Jahr 2015 auf Deutschlands Straßen an den Folgen eines Unfalls unter Alkoholeinfluss. Auch wenn die Zahlen leicht zurückgegangen sind, wurden zudem knapp 16.500 Personen verletzt; rund 4.600 schwer.
Meist sind es nicht nur die alkoholisierten Fahrer, die körperliche Schäden davontragen, sondern auch Bei- und Mitfahrer. Oftmals ergeht in der Folge darüber Streit: Haftet ein Beifahrer mit, sollte es zu einem Unfall kommen? Es ist ein Unterschied, ob die anderen Personen im Auto ebenfalls unter Alkoholeinfluss standen?
Nicolas Eilers ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Er erklärt vorweg: „Auch als Beifahrer kann man für einen Unfall oder dessen Folgen zumindest teilweise verantwortlich sein. Ob man auf dem Beifahrersitz oder der Rückbank Platz nimmt, spielt dabei keine Rolle“ Wenn in der folgenden Übersicht stets nur von Beifahrern gesprochen wird, dient das der Verständlichkeit, gilt aber gleichsam auch für Mitfahrer auf der Rückbank.
Fahrer und Beifahrer alkoholisiert
Der Bundesgerichtshof hat vor vielen Jahren entschieden, dass es zu den Sorgfaltspflichten des Beifahrers gehört, sich zu erkundigen, ob der Fahrer fahrtüchtig ist (Urteil vom 10. Februar 1998; AZ: VI ZR 235/97). In solchen Fällen wird geschaut, inwieweit der Beifahrer aufgrund seines Alkoholpegels die Fahruntüchtigkeit des Fahrers hätte erkennen können oder müssen. Rechtsanwalt Eilers: „Kann ein Beifahrer erkennen, dass der Fahrer in seiner Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist, etwa durch Alkohol, sollte er nicht in dessen Fahrzeug einsteigen.“
Wenn der Mitfahrer Unsicherheiten im Fahrverhalten erst während der Fahrt bemerkt, sollte er eine Weiterfahrt unterbinden. Das gilt für alkoholbedingte Unsicherheit ebenso wie für Übermüdung oder sonstige Gründe für ein unsicheres Fahrverhalten. „Tut er es nicht“, so Nicolas Eilers, „und kommt es zu einem Unfall, bei dem der Beifahrer verletzt wird, kann sich nach den Umständen sein Anspruch auf Personenschaden, beispielsweise das Schmerzensgeld, reduzieren.“ Das sei dann verschuldensabhängig und im jeweiligen Einzelfall zu klären.
Dass solch ein Nachweis jedoch nicht so einfach zu erbringen ist, zeigt ein Fall vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Hier sah das Gericht kein Mitverschulden des alkoholisierten Beifahrers, da nicht geklärt werden konnte, inwieweit er Kenntnis vom Pegel des Fahrers hatte und vor allem noch die Gelegenheit hatte, das Fahrzeug zu verlassen (Urteil vom 20. Januar 2011; AZ: 1 U 72/10).
Fahrer alkoholisiert und Beifahrer nüchtern
Auch in diesem Fall muss sich der Beifahrer nach der Fahrtüchtigkeit des Fahrers erkundigen. „Entscheidend ist, inwieweit der Beifahrer erkennen kann, dass der Fahrer nicht fahrtüchtig ist“, so Verkehrsrechtsexperte Eilers. Gegebenenfalls könne in diesem Fall sogar ein höheres Mitverschulden gesehen werden als bei einem Beifahrer, der stark alkoholisiert ist. „Bei einem nüchternen Beifahrer ist ein höherer Maßstab anzulegen als bei jemandem, der zum Beispiel durch Alkoholkonsum seinerseits in seiner Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt ist“, so der Rechtsanwalt aus Groß-Gerau.
Übrigens: Wenn man wissentlich neben einem alkoholisierten Fahrer sitzt und es zu einem Unfall kommt, beträgt das Mitverschulden des Beifahrers mindestens 25 Prozent, wie das Oberlandesgericht Frankfurt entschied (Urteil vom 18. August 2006; AZ.: 19 U 242/05).
Fahrer nüchtern und Beifahrer alkoholisiert
Solange sich der Beifahrer nicht in die Fahrzeugführung einmischt, darf er betrunken sein. Im Schadensfall haftet der Fahrer dann alleine – vorausgesetzt der Fahrer ist gleichzeitig der Halter des Fahrzeugs. Sollte er sich aber doch in die Fahrt einmischen und sich daraus in der Folge ein Unfall entwickeln, kann es auch strafrechtliche Folgen haben – bis hin zur fahrlässigen Tötung oder Körperverletzung, das jedoch ist wiederum sehr vom Einzelfall abhängig.
Fahrer alkoholisiert und Beifahrer nüchtern, Fahrer fährt Auto des Beifahrers
Auch bei dieser Konstellation ist entscheidend, inwieweit der Beifahrer davon wusste, dass der Fahrer betrunken fährt. Erlaubt ein Fahrzeughalter einem Betrunkenen oder einer Person ohne Fahrerlaubnis die Nutzung seines Fahrzeuges, hat dies auch versicherungsrechtliche Konsequenzen, die in der Kaskoversicherung bis hin zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes führen können. In der Haftpflichtversicherung kann zudem ein Regress des Versicherers drohen.
Nüchterner Beifahrer löst alkoholisierten Fahrer am Steuer ab
Hier wird häufig auf den so genannten „stillschweigenden Haftungsausschluss“ verwiesen. Er besagt, dass der Fahrer dann keine Mitschuld an einem Unfall trägt, wenn er explizit gebeten wurde, das Steuer zu übernehmen – und er zugleich nicht Halter des Wagens ist. Rechtsanwalt Eilers warnt aber davor, daraus eine allgemeingültige Regelung abzuleiten. „Man nimmt den Ausschluss an, um den Fahrer zu entlasten. Dennoch handelt es sich stets um Einzelfallentscheidungen. Der Haftungsausschluss kann gelten, muss es aber nicht.“
Sonderfall: Beifahrer eines Fahranfängers
Beifahrer dürfen also betrunken sein, solange sie nicht ins Fahren eingreifen. Etwas anderes ist es bei Begleitern von Fahranfängern ab 17 Jahren, also jene, die trotz Führerschein zunächst nur mit Begleitung hinter das Steuer dürfen. Es ist Ordnungswidrigkeit, sollte der Fahranfänger gewusst haben, dass der Beifahrer alkoholisiert gewesen ist.
50 Euro müssten bezahlt werden und es gibt einen Punkt in Flensburg, was in dem Alter gleichbedeutend mit dem Führerscheinentzug ist. Zunächst müsste ein Aufbauseminar belegt werden, zudem würde sich die Probezeit um weitere zwei Jahre verlängern. Der Beifahrer darf seinerseits die Promillegrenze von 0,5 nicht überschreiten. Tut er es doch, begeht er eine Ordnungswidrigkeit und muss gegebenenfalls seinerseits zahlen - bis zu 3.000 Euro, wie es das die Straßenverkehrsordnung festschreibt (§ 24a).
Zusammenfassung: Nüchtern bleiben – auf allen Plätzen
Die recht komplizierte und einzelfallabhängige Sachlage lässt einen plausiblen Schluss zu: Ohnehin muss der Fahrer nüchtern sein. Und damit die Fahrt ohne Probleme sicher zu Ende geführt werden kann, sollten am besten auch die Mitfahrer keinen Alkohol im Blut haben. Zwar ist es nicht verboten, auch als Beifahrer nicht, doch wenn dieser alkoholisiert doch mal in das Lenkrad greift, droht nicht nur Gefahr für Leib und Leben der anderen Insassen und möglicher weiterer Verkehrsteilnehmer. Ärger ist auch mit den Versicherungen vorprogrammiert.
Und wer sich von einem nüchternen Fahrer doch betrunken nach Hause fahren lässt, sollte sich nach hinten setzen – oder wenigstens auf dem Beifahrersitz ein Nickerchen machen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 23.01.2017
- Autor
- ndm/red