Kinder

Aufsichts­pflicht der Eltern im Straßen­verkehr

Kinder sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. © Quelle: Rodriguez/corbisimages.com

Wie weit Eltern ihre Kinder im Straßen­verkehr beaufsichtigen müssen, sorgt immer wieder für Streit und beschäftigt die Gerichte. Grundsätzlich gilt, dass Kinder unter zehn Jahren nicht „deliktsfähig“ sind. Der Autofahrer muss dann bei einem Unfall haften. Es sei denn, die Eltern haben ihre Aufsichts­pflicht verletzt. Ab wann etwa darf ein Kind allein Fahrrad fahren?

Die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an. Dies ist aber gerade bei der Frage der Verletzung der Aufsichts­pflicht wichtig. Dabei muss berück­sichtigt werden, wie alt das Kind ist, was es schon weiß und welche Einsichts­fä­higkeit es besitzt. Außerdem muss die konkrete Situation berück­sichtigt werden. Dazu gehört auch, wie die Eltern das Kind über die Gefahren im Straßen­verkehr aufgeklärt haben, erläutert die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV). Grundsätzlich gilt: Je gefahren­trächtiger der Weg, umso intensiver die Aufklärung des Kindes.

Darf ein achteinhalb Jahre altes Kind allein Fahrrad fahren?

Einen solchen Fall hatte jüngst das Landgericht in Saarbrücken zu entscheiden. Der Junge war allein mit seinem Fahrrad unterwegs. Er fuhr auf einer verkehrs­be­ru­higten Straße in der Nähe der elterlichen Wohnung. Als er in eine Straße abbiegen wollte, fuhr er auf ein Auto auf. Dieses hatte an der Haltelinie gehalten, da die Fahrerin das Kind bemerkt hatte. Der achtein­halb­jährige Jahre Junge war also Schuld.

Die Fahrerin wollte ihren Schaden von etwa 2.200 Euro von den Eltern ersetzt bekommen. Diese hätten ihre Aufsichts­pflicht verletzte, weil sie den Jungen allein auf der Straße hätten fahren lassen. Die Eltern meinten hingegen, sie hätten den Jungen ausreichend belehrt, außerdem sei er sicher im Fahrrad­fahren. So fahre er auch allein zum Tischten­nis­spielen.

In der ersten Instanz verurteilte das Amtsgericht in St. Wendel die Eltern noch zu Schadens­ersatz. Die anschließende Entscheidung des Landge­richts zeigt, wie unterschiedlich die Frage beurteilt werden kann.

Keine Aufsichts­pflicht­ver­letzung bei allein Fahrrad fahrendem Kind

Das Gericht erkannte den Zwiespalt, in dem sich Eltern immer befinden. Auf der einen Seite müssten sie ihr Kind beaufsichtigen. Auf der anderen Seite wollten sie „ihre Kinder zu verant­wor­tungs­be­wussten und selbständig handelnden Erwachsenen erziehen“. Dafür müsste ein wachsender Freiraum eingeräumt werden. Die Kinder müssten auch „Neuland entdecken“ können, so das Gericht.

Ab dem sechsten Lebensjahr dürfen sich Kinder allein im Straßen­verkehr bewegen. Sie sollen sich auch ohne ständige Anleitung im Straßen­verkehr bewähren können. Da der Junge Fahrrad fahren konnte, mussten die Eltern ihn über Regeln und Gefahren aufklären. Diese Belehrung muss umso intensiver erfolgen, je gefahren­trächtiger die Strecke ist.

Im vorlie­genden Fall handelte es sich um eine verkehrs­be­ruhigte Straße. Daher mussten die Eltern nur allgemein aufklären und nicht die Verkehrs­regeln abfragen. Sie hatten den Jungen ermahnt, langsam zu fahren und ihn auf das „Vorrecht“ der Autos hingewiesen. Darüber hinaus dürfen Eltern in verkehrs­be­ru­higten Bereichen größere Freiheiten gewähren als im normalen Straßen­verkehr.

Eltern haften nicht bei Unfall mit Kindern unter zehn Jahren

Aus Sicht der DAV-Verkehrs­rechts­anwälte ist die Entscheidung richtig. Der Gesetzgeber hat schließlich entschieden, dass bei einem Unfall mit Kindern unter zehn Jahren der Autofahrer haftet. Würde man die Eltern­haftung hingegen ausweiten, würde das konter­kariert.

Der Fall macht auch deutlich, dass es sich lohnt, in eine nächste Instanz zu gehen. Über die Chancen und Risiken eines Prozesses informiert eine Rechts­an­wältin oder ein Rechts­anwalt.

Quelle: www.verkehrsrecht.de