Die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an. Dies ist aber gerade bei der Frage der Verletzung der Aufsichtspflicht wichtig. Dabei muss berücksichtigt werden, wie alt das Kind ist, was es schon weiß und welche Einsichtsfähigkeit es besitzt. Außerdem muss die konkrete Situation berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, wie die Eltern das Kind über die Gefahren im Straßenverkehr aufgeklärt haben, erläutert die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Grundsätzlich gilt: Je gefahrenträchtiger der Weg, umso intensiver die Aufklärung des Kindes.
Darf ein achteinhalb Jahre altes Kind allein Fahrrad fahren?
Einen solchen Fall hatte jüngst das Landgericht in Saarbrücken zu entscheiden. Der Junge war allein mit seinem Fahrrad unterwegs. Er fuhr auf einer verkehrsberuhigten Straße in der Nähe der elterlichen Wohnung. Als er in eine Straße abbiegen wollte, fuhr er auf ein Auto auf. Dieses hatte an der Haltelinie gehalten, da die Fahrerin das Kind bemerkt hatte. Der achteinhalbjährige Jahre Junge war also Schuld.
Die Fahrerin wollte ihren Schaden von etwa 2.200 Euro von den Eltern ersetzt bekommen. Diese hätten ihre Aufsichtspflicht verletzte, weil sie den Jungen allein auf der Straße hätten fahren lassen. Die Eltern meinten hingegen, sie hätten den Jungen ausreichend belehrt, außerdem sei er sicher im Fahrradfahren. So fahre er auch allein zum Tischtennisspielen.
In der ersten Instanz verurteilte das Amtsgericht in St. Wendel die Eltern noch zu Schadensersatz. Die anschließende Entscheidung des Landgerichts zeigt, wie unterschiedlich die Frage beurteilt werden kann.
Keine Aufsichtspflichtverletzung bei allein Fahrrad fahrendem Kind
Das Gericht erkannte den Zwiespalt, in dem sich Eltern immer befinden. Auf der einen Seite müssten sie ihr Kind beaufsichtigen. Auf der anderen Seite wollten sie „ihre Kinder zu verantwortungsbewussten und selbständig handelnden Erwachsenen erziehen“. Dafür müsste ein wachsender Freiraum eingeräumt werden. Die Kinder müssten auch „Neuland entdecken“ können, so das Gericht.
Ab dem sechsten Lebensjahr dürfen sich Kinder allein im Straßenverkehr bewegen. Sie sollen sich auch ohne ständige Anleitung im Straßenverkehr bewähren können. Da der Junge Fahrrad fahren konnte, mussten die Eltern ihn über Regeln und Gefahren aufklären. Diese Belehrung muss umso intensiver erfolgen, je gefahrenträchtiger die Strecke ist.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine verkehrsberuhigte Straße. Daher mussten die Eltern nur allgemein aufklären und nicht die Verkehrsregeln abfragen. Sie hatten den Jungen ermahnt, langsam zu fahren und ihn auf das „Vorrecht“ der Autos hingewiesen. Darüber hinaus dürfen Eltern in verkehrsberuhigten Bereichen größere Freiheiten gewähren als im normalen Straßenverkehr.
Eltern haften nicht bei Unfall mit Kindern unter zehn Jahren
Aus Sicht der DAV-Verkehrsrechtsanwälte ist die Entscheidung richtig. Der Gesetzgeber hat schließlich entschieden, dass bei einem Unfall mit Kindern unter zehn Jahren der Autofahrer haftet. Würde man die Elternhaftung hingegen ausweiten, würde das konterkariert.
Der Fall macht auch deutlich, dass es sich lohnt, in eine nächste Instanz zu gehen. Über die Chancen und Risiken eines Prozesses informiert eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt.
Quelle: www.verkehrsrecht.de
- Datum
- Aktualisiert am
- 02.10.2015
- Autor
- red