Ältere Autofahrer sind nicht selten in Autounfälle verwickelt. Deshalb hat sich etwa der für Politik und Fachwelt wichtige Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar schon mehrfach mit Auto fahrenden Senioren und der Fahrtauglichkeit Älterer befasst. Auch der diesjährige Verkehrsgerichtstag 2017 wird über das Thema „Senioren im Straßenverkehr“ diskutieren.
Im Vorfeld des Kongresses hat die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) gesetzlich verbindliche Gesundheitstests für Autofahrer ab dem 75. Lebensjahr gefordert, um die Fahreignung Auto fahrender Rentner zu überprüfen.
„Die statistischen Zahlen zeigen, dass Fahrer über 75 Jahre überproportional häufig Verursacher von Verkehrsunfällen sind“, sagt Rechtsanwalt Christian Funk von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins. „Zudem sind 46 Prozent der Geisterfahrer älter als 65 Jahre.“ Dies zeige, dass diese Gruppe auch ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer darstelle.
Verursachen Autofahrer ab 75 Jahre mehr Unfälle als jüngere Autofahrer?
Was sagen die statistischen Daten, die es zum Thema Unfälle und ältere Autofahrer gibt?
„Statistisch gesehen sind Autofahrer unter 75 Jahren völlig unauffällig“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Brockmann zu Folge seien ältere Autofahrer zwischen 60 und 64 Jahre sogar die besten Autofahrer überhaupt, denn sie rasten nicht, seien erfahren, besonnen und gesundheitlich fit.
Aber die Fitness nimmt mit steigendem Alter ab und das schlägt sich auch in der Unfallstatistik nieder: 2015 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 380.000 Pkw-Fahrer an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt. In 55,5 Prozent der Fälle hatten die PkW-Fahrer den Unfall auch selbst verursacht. Bei den Fahrern der Generation 75 war dies jedoch bei 75,1 Prozent der Fall. Laut Statistischem Bundesamt ist das mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen.
Noch sind die Unfälle, die Autofahrer ab 75 Jahren verursachen, in absoluten Zahlen gering. Aber das könnte sich ändern, wenn es künftig mehr Senioren gibt. Schon heute sind 21 Prozent der Bundesbürger 65 Jahre und älter, 2060 wird ihr Anteil bei einem Drittel liegen.
Ältere Autofahrer: Kann man ihnen Fahrtests oder Gesundheitschecks vorschreiben?
Das Verkehrsrecht sieht aktuell keine verpflichtenden Gesundheitschecks für ältere Autofahrer vor, wie sie etwa in den Niederlanden, Spanien oder Italien üblich sind. Hierzulande müssen Senioren ihre Fitness nur ausnahmsweise testen lassen. „Die Straßenverkehrsbehörde kann zum Beispiel dann eine Untersuchung von einem älteren Autofahrer verlangen, wenn er sich im Straßenverkehr auffällig benommen hat“, sagt der Hagener Rechtsanwalt Jörg Elsner von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Wenn ein älterer Autofahrer sehr langsam oder in Schlangenlinien fährt oder in einen Autounfall verwickelt ist und dabei wirr und orientierungslos wirkt, melden die Polizisten ihre Beobachtungen der Straßenverkehrsbehörde. Diese kann dem älteren Autofahrer auferlegen, innerhalb einer bestimmten Frist ein positives Gutachten nach einer Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU) vorzulegen. Kommt der Senior dem nach und legt der Behörde ein positives Gutachten vor, behält er seine Fahrerlaubnis.
Versäumt der ältere Autofahrer aber, das Gutachten zu beauftragen oder fällt es negativ aus, verliert er seine Fahrerlaubnis. Dagegen kann er zwar vor Gericht klagen, aber seine Chancen, die Fahrerlaubnis wiederzubekommen, sind meist gering.
Ältere Autofahrer: Sind Gesundheittests rechtlich bedenklich?
Experten sind sich uneins über die Frage, wie man mit einer möglichen mangelnden Fahrtauglichkeit von Senioren umgehen sollte. Während die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV gesetzlich verbindliche medizinische Tests spätestens ab dem 75. Lebensjahr fordert (siehe oben), wehren sich andere Fachleute gegen starre Altersgrenzen. „Es ist schwer zu sagen, wann Menschen nicht mehr gesund genug sind, um Auto zu fahren. Deshalb lehnen wir den Zwang zu Gesundheitstests ab“, sagt etwa Erhard Hackler, Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Seniorenliga.
Andere Fachleute warnen, dass vorgeschriebene Gesundheitschecks für nur eine bestimmte Altersgruppe in der Bevölkerung diskriminierend sein könnten. Um nicht diskrimierend zu sein, müssten diese Tests sicher belegen, dass geistige und körperliche Defizite die Gefahr erhöhen, einen Unfall zu verursachen.
Doch Diagnoseverfahren, die einen solchen Nachweis erbringen, sind wissenschaftlich schwer zu entwickeln. „Man kann im Labor zwar testen, wie schnell jemand zum Beispiel denkt und reagiert, aber die Testergebnisse sagen nichts darüber aus, ob dieser Mensch einen Unfall verursachen wird“, sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV).
Bei Demenz oder anderen schweren Krankheiten sei klar, dass jemand nicht mehr fahren könne. „Doch was ist, wenn jemand zum Beispiel herzkrank ist? Niemand kann sagen, ob und wie das seine Fahrtauglichkeit beeinflusst. Soll man deshalb jemanden präventiv vom Fahren ausschließen?“, fragt Brockmann. „Tests müssen wissenschaftlich fundiert sein, sonst ist es rechtlich bedenklich, sie einer bestimmten Altersgruppe vorzuschreiben.“
Rechtsanwalt Christian Funk hält dagegen und verweist auf die statistischen Daten und auf die Gesetzgebung in anderen europäischen Staaten: „In Spanien zum Beispiel sind verbindliche Gesundheitschecks bereits ab dem 45. Lebensjahr vorgeschrieben.“
Senioren und Auto fahren: Sollen Rentner verpflichtende Testfahrten machen müssen?
Siegfried Brockmann hingegen hält verbindliche Testfahrten für eine mögliche Lösung. Ihr Ziel solle nicht unbedingt sein, dass Senioren ihren Führerschein abgeben. „Deshalb sollten auch nicht die Führerscheinbehörden, sondern nur die getesteten Personen selbst eine detaillierte Rückmeldung bekommen“, sagt Brockmann. „Ansonsten bleibt das Ergebnis geheim.“
Die Betroffenen könnten nach den Testfahrten jedoch ihre Fähigkeiten besser einschätzen. Sollten Defizite festgestellt werden, könnte es vielfach schon helfen, wenn Senioren anschließend ihre Fahrweise darauf einstellen und zum Beispiel nur in bekannten Gebieten und nicht mehr im Dunkeln fahren.
Damit, die eigenen Grenzen zu erkennen, steht und fällt auch ein Angebot, das zum Beispiel der TÜV, der ADAC, aber auch die Polizei speziell für ältere Autofahrer im Programm haben: Seniorentrainings. Ältere Autofahrer lernen dabei zum Beispiel Fahrtechniken, mit denen sie brenzlige Situationen im Straßenverkehr besser bewältigen können.
Seit längerer Zeit arbeitet die Autoindustrie an Modellen zum automatisierten Fahren und stattet bereits einige ihrer Wagenserien mit technischen Assistenzsystemen aus. Diese könnten vielleicht ausgleichen, was manch Auto fahrender Rentner körperlich oder geistig nicht mehr schafft. Technische Assistenten helfen dem Fahrer zum Beispiel beim Einparken und sie reagieren auf andere Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer oder Fußgänger und bremsen im entscheidenden Augenblick, wenn es der Fahrer nicht tut.