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Germanwings

Flugzeug­absturz: Entschä­di­gungen für Angehörige

Die Entschädigungen, die an die Angehörigen der Opfer der abgestürzten Germanwings-Maschine gezahlt werden, werden wohl umfangreich sein. © Quelle: Burch/gettyimages.de

Wer Famili­en­an­ge­hörige völlig unerwartet verliert, dem hilft zur Schmerz­be­wäl­tigung zunächst kein Geld der Welt. Dennoch müssen Rechnungen bezahlt und die Zukunft etwa von Kindern abgesichert werden. Den Angehörigen stehen – wie jenen der Opfer der abgestürzten Germanwings-Maschine – Entschä­di­gungen zu.

„Wir können den Schmerz nicht teilen. Aber wir können ihn nachemp­finden“, sagte Joachim Gauck in einer ersten Reaktion am Tag des Flugzeug­ab­sturzes der Germanwings-Maschine.

Was der Bundes­prä­sident da sagte, trifft wohl die Stimmung vieler Deutscher in diesen Tagen nach dem schreck­lichen Unglück in den südfran­zö­sischen Alpen. Und auch wenn Angehörige derzeit mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind, stellen sich bei Katastrophen dieser Art spätestens in einigen Wochen und Monaten Fragen nach Entschä­di­gungen, auch wenn dieses Wort missver­ständlich ist: Kein Geld der Welt kann den Verlust wieder gut machen. Dennoch hilft es vielleicht dabei, dass man zumindest diesbe­züglich nicht noch zusätzliche Sorgen hat. Und auch wenn die Airline nun eine Überbrü­ckungshilfe zahlt, gibt es Ansprüche darüber hinaus.

Es spricht nun Vieles dafür, dass der Copilot der Maschine selbst den Absturz bewusst herbei­geführt hat. In diesem Fall wird von einer „unrecht­mäßigen Handlung“ gesprochen, die entweder die Flugge­sell­schaft oder einer ihrer Mitarbeiter verschuldet. Wäre ein technischer Defekt für den Absturz verant­wortlich gewesen, hätte eine Mindest­haftung bezüglich des Schadens­er­satzes gegolten. Das scheint nun nicht mehr der Fall zu sein und somit kann Schadens­ersatz an die Angehörigen in unbegrenzter Höhe anfallen – theoretisch.

Wie errechnet sich die Höhe von Schadens­er­satz­leis­tungen?

Die Höhe des Schadens­er­satzes wird individuell bestimmt. Je nach Einzelfall gibt es hier teilweise erhebliche Unterschiede.

Gerichte orientieren sich an den mit dem Tod eines Menschen zusammen­hän­genden finanziellen Ausfällen für die direkten Angehörigen, also etwa Eltern, Kinder und Ehegatten. Dies betrifft besonders Unterhalts­leis­tungen. Rechts­anwalt Paul Degott vom Deutschen Anwalt­verein (DAV) erklärt: „Stirbt ein gutver­die­nender Famili­envater, erhalten seine Frau und die Kinder deutlich mehr Schadens­ersatz als etwa die Eltern eines verunglückten Kindes.“

Denn im ersten Fall berechnen Gerichte anhand des Einkommens und des Alters sowohl des Verstorbenen als auch der Angehörigen, wie lange und in welcher vermut­lichen Höhe er für den Unterhalt noch aufgekommen wäre. Das kann – je nach Gehalt des Verstorbenen – sogar in die Millionen gehen. So schrecklich und makaber es auch klingt: Das Schadens­er­satzrecht macht noch im Tod Unterschiede.

„Auch die Bestat­tungs­kosten sind Teil des Schadens­ersatz“, erklärt Arno Schubach von der Arbeits­ge­mein­schaft Versiche­rungsrecht im DAV. Die Kosten werden von der Versicherung der betref­fenden Airline übernommen. Das betrifft auch die Überfüh­rungs­kosten einer Leiche aus dem Ausland nach Deutschland, wie bei dem tragischen Unglück in Südfrankreich.

Besteht neben Schadens­ersatz auch Anspruch auf Schmer­zensgeld?

Ja, theoretisch schon. „Sollte die Tötung eines nahen Angehörigen als Körper­ver­letzung des Hinter­bliebenen angesehen werden, gibt es einen Anspruch auf Schmer­zensgeld“, erklärt Rechts­anwalt Schubach, Vorstands­mitglied des Deutschen Anwalt­vereins. Dies könne zum Beispiel der Fall sein, wenn man etwa den Tod eines Angehörigen mitansehen müsse. Auch wenn das im Fall der abgestürzten Maschine nicht so war, können Angehörige unter Umständen mit Schmer­zensgeld rechnen.

Zum einen kommt es dann in Betracht, wenn erhebliche psychische Probleme mit dem Verlust eines Angehörigen einher gehen oder aber aufgrund ärztlicher Behandlung der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann.

Des Weiteren wird Schmer­zensgeld für die Todesangst der Passagiere selbst gezahlt, das dann wiederum auf die Angehörigen übergeht. Die Höhe bemisst sich hier nach der Zeit, die die Verunglückten erleiden mussten in dem Wissen, dass sie sterben werden.  

Das muss gegebe­nenfalls einzeln geprüft werden und bringt Belastungen für die Angehörigen mit sich. Für den Deutschen Anwalt­verein kann daher die Einführung eines einheit­lichen „Angehö­ri­gen­schmer­zens­geldes“ unter Umständen sinnvoll sein.

Gibt es Unterschiede bei der Höhe der Zahlungen je nach Land?

Ja, erhebliche. In Deutschland fallen die Schaden­ersatz- und Schmer­zens­geldhöhen gemeinhin relativ niedrig aus, anders in den USA: Hier wird schon mal Schmer­zensgeld in Millio­nenhöhe gezahlt. Warum das so ist, weiß Versiche­rungs­rechts­experte Arno Schubach: „In Deutschland beziehen sich diese Zahlungen auf die direkt Betroffenen.“ Mit dem Geld werde versucht, den immate­riellen Schaden auszugleichen. „In den USA wird die Bedrohung der Gesell­schaft mit einbezogen.“ Damit solle also auch ein Unternehmen für die Bedrohung bestraft werden. Dieser Gedanke ist dem deutschen Recht fremd.

Können deutsche Angehörige auch in Deutschland klagen?

Ja. Auch wenn ein Flugzeug außerhalb Deutschlands abstürzt, kann dann in Deutschland geklagt werden, wenn das Opfer einen ständigen Wohnsitz in Deutschland oder die betreffende Flugge­sell­schaft ihren Firmensitz hierzulande hat.

Theoretisch könnten Angehörige der Opfer der Germanwings-Maschine neben Deutschland aber auch in Spanien (Abflugort) oder Frankreich (Land des Absturzes) klagen; unter Umständen sogar in einem vierten Land, nämlich dann, wenn das Flugticket woanders erworben wurde. Die Gerichte müssen eine Klage allerdings nicht zulassen und könnten sie an ein deutsches Gericht verweisen.

Hat die Flugge­sell­schaft bereits erste Zahlungen eingeleitet?

Die Lufthansa beziehungsweise Germanwings bestätigten am vergangenen Freitag, wonach in dieser Woche viele Angehörige bis zu 50.000 Euro an Abschlags­zahlung überweisen bekommen, um ihre unmittelbaren Ausgaben zu decken.

Ohnehin hätte den Angehörigen eine Soforthilfe aufgrund des so genannten Montrealer Überein­kommen (siehe unten) beziehungsweise der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen von Germanwings zugestanden. Innerhalb der ersten zwei Wochen nach der Identi­fi­zierung der Leichen, auf die in diesem Fall verzichtet wird, verpflichtet sich die Airline zu einer Zahlung von etwa 24.000 Euro an Hinter­bliebene.

Welche Versicherung muss für den entstandenen Schaden aufkommen?

Diese Frage lässt sich bezogen auf das aktuelle Unglück nicht beantworten, da die Inhalte der unterschied­lichen Versiche­rungs­policen nicht bekannt sind.

Reiserechts­experte Paul Degott kennt aus anderen Zusammen­hängen aber zumindest die dahinter­liegende Mechanik: „Meistens agiert hier ein Konsortium von Haftpflicht­ver­si­che­rungen, bei denen eine führende Versicherung mit den Anspruch­stellern spricht.“ Nach Medien­be­richten ist die hier führende Versicherung die Allianz.

Wird es im Fall der Opfer der Germanwings-Tragödie überhaupt zu Gerichts­pro­zessen kommen?

Natürlich lässt sich das derzeit noch nicht absehen, doch gehen Experten davon aus, dass es keine gericht­lichen Rechts­strei­tig­keiten geben wird. Arno Schubach: „Es handelt sich hier um die größte Tragödie in der Geschichte des Lufthan­sa­konzerns. Ich gehe davon aus, dass alles dafür getan werden wird, Gerichts­prozesse in den kommenden Jahren zu verhindern.“

Das vermutet auch Rechts­anwalt Degott: „Ich nehme an, dass die Versicherer, die für etwaige Schäden aufkommen müssen, Vergleiche anstreben werden.“

Darauf deuten auch die offiziellen Stellung­nahmen der Germanwings- und Lufthansa-Vertreter hin, die in den vergangenen Tagen stets betont haben, alles für die Angehörigen zu tun – auch finanzieller Art.

Zusatz­in­for­ma­tionen zum Montrealer Überein­kommen 

Jenseits dieser teilweise sehr speziellen Fragen und Regelungen, gilt seit 2004 in Deutschland das Montrealer Überein­kommen aus dem Jahr 1999. Damals verstän­digten sich einen Vielzahl von Staaten auf Haftungs­regeln im Rahmen von Schäden während eines interna­tionalen Fluges an Personen, Gepäck oder Fracht.

Sollte einem Fluggast etwas zustoßen, besteht des Montrealer Überein­kommens in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 zufolge eine Mindest­haftung von 113.100 „Sonder­zie­hungs­rechten“. Dies ist eine künstliche Währung, die interna­tional als Zahlungs­mittel verwendet werden kann. Umgerechnet sind dies nach aktuellem Kurs gut 143.000 Euro.

Paul Degott: „Da es aufgrund der Absturz­grundes bei der Germanwings-Maschine nun wohl keine Mindest­haftung mehr geben wird, kann die zu zahlende Summe auch höher ausfallen als der Mindest­haf­tungs­betrag aus dem Montrealer Überein­kommen. Grundsätzlich gilt es aber auch in diesem Fall.“

Das Besondere an dem Montrealer Überein­kommen: Es greift immer, auch wenn die Absturz­ursache noch nicht ermittelt wurde. Das dauert manchmal Wochen, Monate oder sogar Jahre. Doch sollen Angehörige früher Unterstützung erhalten.

Die Deutsche Anwalt­auskunft rät den Hinter­bliebenen zudem, in die Klauseln der Kredit­karten zu schauen, falls damit das Ticket bezahlt wurde. Manchmal finden sich auch dort zusätzliche Ansprüche bei einem Unglück.

Datum
Aktualisiert am
26.01.2016
Autor
ndm
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Themen
Flug Reisen Schadens­ersatz Versicherung

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