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Die Höhe der Entschädigung bei Flugverspätungen bemisst sich an der Flugstrecke. Doch welche Distanz wird zugrunde gelegt, wenn eine Strecke in zwei Flüge unterteilt ist? In diesem Fall wird nur derjenige Flug berücksichtigt, der auch wirklich zu der Verspätung geführt hat. So hat das Amtsgericht (AG) Erding am 20. März 2017 entschieden (AZ: 5 C 3345/16).
In dem verhandelten Fall hatte der Kläger eine Flugreise von Lima über Paris nach München gebucht. Der erste Flug fand wie geplant statt. Doch in Paris wurde dem Passagier die Beförderung verweigert. Dadurch erreichte er München mit fast 20 Stunden Verspätung. Vor Gericht forderte er die volle Höhe der Ausgleichszahlung - 600 Euro sind für Flugdistanzen von mehr als 3500 Kilometern angemessen.
Er hatte damit keinen Erfolg. Das AG legte bei der Entschädigung die Entfernung zwischen Paris und München zugrunde. Somit stand dem Mann eine Ausgleichszahlung von 250 Euro zu. Diese Summe hatte die Airline ihm bereits erstattet, mehr Geld gab es nicht. Laut Erklärung des Gerichts hatte der Flug von Lima nach Paris keine Auswirkungen auf den Folgeflug nach München. Daher wurde diese Distanz nicht für den Anspruch auf Entschädigung berücksichtigt. Anders sieht es aus, wenn ein erster Flug sich so verspätet, dass ein Fluggast seinen Anschluss verpasst - dann muss die Flugstrecke hinzugerechnet werden.
Bei Kurzreisen von zwei oder drei Tagen sind die Fluggäste aufgeschmissen, wenn der Hinflug ausfällt. Häufig lohnt sich dann die Reise nicht mehr. „Pauschalreisende können in diesem Fall problemlos von der Reise zurücktreten und bekommen ihr Geld zurück“, sagt Reiserechtler Paul Degott, Mitglied des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Schwieriger sei die Lage für Reisende, die lediglich einen Flug gebucht haben.
Das Problem: Die Fluggesellschaft wird den Passagier auf einen späteren Flug umbuchen, womöglich am nächsten Tag. Und sie wird argumentieren: Der Rückflug findet ja wie geplant statt. Den Ticketpreis erstattet die Airline also nicht. Reisenden steht aber eine Ausgleichszahlung nach EU-Recht zu, innerhalb Europas sind das oft 250 Euro. Diesen Anspruch hat der Kunde so oder so.
Degott rät, die Fluggesellschaft zunächst um einen Ersatzflug am gleichen Tag zu bitten und für die Umbuchung eine Frist einzuräumen. Schafft die Airline das nicht, kann der Kunde sich selbst einen Alternativflug bei einer anderen Gesellschaft buchen und die Kosten dem ursprünglichen Unternehmen in Rechnung stellen. Ob die Airline zahlt, ist aber fraglich. Zur Not geht es vor Gericht.
Wenn die Fluggesellschaft der Forderung nicht nachkommt, haben Fluggäste verschiedene Möglichkeiten. Fluggäste können sich beispielsweise an die zuständige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Auch an Rechtsanwälte, die auf Reiserecht spezialisiert sind, können sich Fluggäste wenden. In jedem Fall sollten Fluggäste fremde Hilfe annehmen, denn ohne diese ist oft nur schwer, Ansprüche nachzuprüfen und durchzusetzen.
Für die Fluggesellschaften geht es um viel Geld. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit rund 132 Millionen Euro. Auf EU-Ebene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen - gegen den Widerstand von vielen, die sich für die Rechte von Fluggästen einsetzen. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.
Streitigkeiten um Entschädigungen für Fluggäste hat der Bundesgerichtshof (BGH) oft im Sinne der Passagiere entschieden. Allerdings kommt es immer auf den Einzelfall und die Details an. Sagen lässt sich aber ganz grundsätzlich, dass Fluggäste dann kein Geld bekommen, wenn die Probleme einer Airline auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgehen, die diese nicht beeinflussen kann. So hat der BGH etwa in früheren Urteilen keinen Ausgleichsanspruch für Ausfälle oder Verspätungen zugebilligt, die von Pilotenstreiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeerlaubnis verursacht waren.
Dass Fluggäste bei Verspätung wegen Vogelschlags keinen Anspruch auf Entschädigung haben, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 04. Mai 2017 bestätigt (AZ: C-315/15). Vogelschlag liege jenseits der Kontrolle der Fluggesellschaft. Für solche besonderen Umstände sehe das EU-Recht Ausnahmen von der Entschädigungspflicht vor, die grundsätzlich bei Verspätungen von mehr als drei Stunden gilt.