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Fluggast­rechte: Wann erhalten Fluggäste eine Entschä­digung?

Verspätete oder gestrichene Flüge sorgen immer wieder für Streit zwischen Fluggästen und Airlines. © Quelle: Jyunichi/EyeEm/gettyimages.de

Flug gestrichen, Flieger überbucht, der Anschluss nicht mehr zu schaffen: Wenn die Urlaubsreise schon so beginnt, ist an Erholung kaum noch zu denken. Für größere Unannehm­lich­keiten steht Passagieren in der EU von der Flugge­sell­schaft zumindest ein finanzieller Ausgleich zu. In unserem Überblick zeigen wir die wichtigsten Fakten zum Thema Fluggast­rechte und Entschä­digung.

Wann haben Reisende Anspruch auf eine Ausgleichs­zahlung?

In aller Regel dann, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Das regelt seit 2005 eine EU-Verordnung. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung bekommt der Passagier 250, 400 oder 600 Euro - allerdings nicht automatisch. Er muss das Geld zunächst von der Flugge­sell­schaft einfordern.

Reisende haben auch einen Anspruch auf Entschä­digung, wenn sie nicht rechtzeitig über die Streichung ihrer Flugver­bindung informiert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 11. Mai 2017 in Luxemburg geurteilt. Demnach müssen Flugge­sell­schaften ihren Kunden mindestens zwei Wochen vorher eine Nachricht zukommen lassen. Ob der Reisende bei der Airline selbst oder über einen Reisever­mittler gebucht habe, sei unerheblich.

Sind Online-Portale bei einer Flugver­spätung eine Alternative zur anwalt­lichen Beratung?

Online-Portale, sogenannte Legal-Tech-Dienst­leister, bieten ebenfalls rechtliche Unterstützung bei Flugver­spä­tungen und Reisemängeln an. Sie versprechen, kostenfrei zu prüfen, ob der Reisende einen Anspruch auf eine Entschä­digung hat und diesen gegebe­nenfalls gegen ein Erfolgs­honorar durchzu­setzen.

In unserem Film erfahren Sie, wann Online-Portale ein guter Ansprech­partner sind und wann Reisende nach Flugver­spätung oder bei einem Reisemangel besser zu einer Anwältin oder einem Anwalt gehen.

 

Woran bemisst sich die Flugver­spätung?

Ein Flugzeug ist erst bei Öffnung einer Tür wirklich angekommen - und dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für die Bestimmung von Flugver­spä­tungen und Entschä­di­gungen. Das hat der Europäische Gerichtshof Anfang September in Luxemburg klarge­stellt (Rechtssache C-452/13).

Denn solange die Türen geschlossen sind, könnten Reisende nur eingeschränkt mit der Außenwelt kommuni­zieren. Dies ende erst, wenn sie den Flieger verlassen könnten. Hintergrund war ein Streit zwischen der Lufthansa-Tochter Germanwings und einem Passagier um die Ankunftszeit eines verspäteten Flugzeugs auf dem Weg von Salzburg zum Flughafen Köln/Bonn.

Die Flugge­sell­schaft argumen­tierte, dass es darauf ankomme, wann die Räder des Fliegers die Landebahn berühren. In diesem Fall wäre die Maschine nur 2:58 Stunden zu spät angekommen – und damit knapp unter der entschei­denden Drei-Stunden-Frist geblieben. Die Parkpo­sition erreichte das Flugzeug aber erst nach 3:03 Stunden, die Türen wurden kurz danach geöffnet.

Während des Fluges hätten sich Passagiere „in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, in dem ihre Möglich­keiten, mit der Außenwelt zu kommuni­zieren, aus technischen und aus Sicher­heits­gründen erheblich beschränkt sind“, unterstrich der EuGH. „Unter solchen Umständen können sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persön­lichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angele­gen­heiten kümmern.“ Ein Aufenthalt im Flugzeug über die normale Flugzeit hinaus stelle daher „verlorene Zeit“ dar.

Muss ich einen verspäteten Flug antreten, um eine Entschä­digung erhalten zu können?

Nein, ein Fluggast muss einen erheblich verspäteten Flug nicht antreten, um eine Entschä­digung zu erhalten. Das geht aus einem Urteil des Amtsge­richts Hamburg hervor (Az: 12 C 328/15). In dem verhan­delten Fall ging es um einen Flug von Amsterdam nach Hamburg. Dieser wurde auf den Folgetag verschoben. Der betroffene Passagier nahm den Flug nicht mehr wahr, da er aus beruflichen Gründen früher in Hamburg sein musste.

Von der Airline verlangte er eine Entschä­digung von 250 Euro. Die Flugge­sell­schaft wollte nicht zahlen - der Mann habe den verspäteten Flug ja nicht angetreten. Das musste er allerdings auch nicht, so das Gericht. Die Zahlung diene dem Ausgleich verspä­tungs­be­dingter Unannehm­lich­keiten. Das gelte unabhängig davon, ob ein Passagier noch mitfliegt oder nicht.

Unterkunft, Mietwagen, Rundreise: Werden bei Flugver­spätung andere Erstat­tungen auf die Entschä­digung angerechnet?

Landet ein Flug zu spät, ist das für Reisende oft nicht einfach nur ärgerlich, sondern auch sehr teuer – zum Beispiel, wenn man den ersten Teil einer Rundreise oder bereits gebuchte Hotelüber­nach­tungen verpasst. Auch dafür können Urlauber von der Airline Schadens­ersatz erhalten. Der Bundes­ge­richtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun entschieden: Diese Kosten­er­stattung wird auf die Entschä­digung nach der Fluggast­rech­te­ver­ordnung angerechnet (Urteile vom 6. August 2019 – X ZR 128/18 und X ZR 165/18).

Welche Distanz zählt bei der Entschä­digung, wenn ich umsteigen muss?

Die Höhe der Entschä­digung bei Flugver­spä­tungen bemisst sich an der Flugstrecke. Doch welche Distanz wird zugrunde gelegt, wenn eine Strecke in zwei Flüge unterteilt ist? In diesem Fall wird nur derjenige Flug berück­sichtigt, der auch wirklich zu der Verspätung geführt hat. So hat das Amtsgericht (AG) Erding am 20. März 2017 entschieden (AZ: 5 C 3345/16).

In dem verhan­delten Fall hatte der Kläger eine Flugreise von Lima über Paris nach München gebucht. Der erste Flug fand wie geplant statt. Doch in Paris wurde dem Passagier die Beförderung verweigert. Dadurch erreichte er München mit fast 20 Stunden Verspätung. Vor Gericht forderte er die volle Höhe der Ausgleichs­zahlung - 600 Euro sind für Flugdi­stanzen von mehr als 3500 Kilometern angemessen.

Er hatte damit keinen Erfolg. Das AG legte bei der Entschä­digung die Entfernung zwischen Paris und München zugrunde. Somit stand dem Mann eine Ausgleichs­zahlung von 250 Euro zu. Diese Summe hatte die Airline ihm bereits erstattet, mehr Geld gab es nicht. Laut Erklärung des Gerichts hatte der Flug von Lima nach Paris keine Auswir­kungen auf den Folgeflug nach München. Daher wurde diese Distanz nicht für den Anspruch auf Entschä­digung berück­sichtigt. Anders sieht es aus, wenn ein erster Flug sich so verspätet, dass ein Fluggast seinen Anschluss verpasst - dann muss die Flugstrecke hinzuge­rechnet werden.

Bekomme das Geld für die Reise zurück, wenn der Hinflug bei einem Kurztrip annulliert wird?

Bei Kurzreisen von zwei oder drei Tagen sind die Fluggäste aufgeschmissen, wenn der Hinflug ausfällt. Häufig lohnt sich dann die Reise nicht mehr. „Pauschal­reisende können in diesem Fall problemlos von der Reise zurück­treten und bekommen ihr Geld zurück“, sagt Reiserechtler Paul Degott, Mitglied des Deutschen Anwalt­vereins (DAV). Schwieriger sei die Lage für Reisende, die lediglich einen Flug gebucht haben.

Das Problem: Die Flugge­sell­schaft wird den Passagier auf einen späteren Flug umbuchen, womöglich am nächsten Tag. Und sie wird argumen­tieren: Der Rückflug findet ja wie geplant statt. Den Ticketpreis erstattet die Airline also nicht. Reisenden steht aber eine Ausgleichs­zahlung nach EU-Recht zu, innerhalb Europas sind das oft 250 Euro. Diesen Anspruch hat der Kunde so oder so.

Degott rät, die Flugge­sell­schaft zunächst um einen Ersatzflug am gleichen Tag zu bitten und für die Umbuchung eine Frist einzuräumen. Schafft die Airline das nicht, kann der Kunde sich selbst einen Alterna­tivflug bei einer anderen Gesell­schaft buchen und die Kosten dem ursprüng­lichen Unternehmen in Rechnung stellen. Ob die Airline zahlt, ist aber fraglich. Zur Not geht es vor Gericht.

Wie kann man Geld von der Flugge­sell­schaft einfordern?

Wenn die Flugge­sell­schaft der Forderung nicht nachkommt, haben Fluggäste verschiedene Möglich­keiten. Fluggäste können sich beispielsweise an die zuständige Schlich­tungs­stelle für den öffent­lichen Personen­verkehr (SÖP) wenden. Auch an Rechts­anwälte, die auf Reiserecht spezia­lisiert sind, können sich Fluggäste wenden. In jedem Fall sollten Fluggäste fremde Hilfe annehmen, denn ohne diese ist oft nur schwer, Ansprüche nachzu­prüfen und durchzu­setzen.

Fluggast­rechte und Entschä­digung: Warum gibt es so oft Streit?

Für die Flugge­sell­schaften geht es um viel Geld. Der Bundes­verband der Deutschen Luftver­kehrs­wirt­schaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit rund 132 Millionen Euro. Auf EU-Ebene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen - gegen den Widerstand von vielen, die sich für die Rechte von Fluggästen einsetzen. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.

Streit um Fluggast­rechte und Entschä­digung: Wer hat die besseren Chancen?

Streitig­keiten um Entschä­di­gungen für Fluggäste hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) oft im Sinne der Passagiere entschieden. Allerdings kommt es immer auf den Einzelfall und die Details an. Sagen lässt sich aber ganz grundsätzlich, dass Fluggäste dann kein Geld bekommen, wenn die Probleme einer Airline auf „außerge­wöhnliche Umstände“ zurückgehen, die diese nicht beeinflussen kann. So hat der BGH etwa in früheren Urteilen keinen Ausgleichs­an­spruch für Ausfälle oder Verspä­tungen zugebilligt, die von Piloten­streiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeer­laubnis verursacht waren.

Dass Fluggäste bei Verspätung wegen Vogelschlags keinen Anspruch auf Entschä­digung haben, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 04. Mai 2017 bestätigt (AZ: C-315/15). Vogelschlag liege jenseits der Kontrolle der Flugge­sell­schaft. Für solche besonderen Umstände sehe das EU-Recht Ausnahmen von der Entschä­di­gungs­pflicht vor, die grundsätzlich bei Verspä­tungen von mehr als drei Stunden gilt.

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Datum
Aktualisiert am
19.07.2018
Autor
dpa/tmn/red
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Themen
Flug Reisemangel Reisen

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