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In aller Regel dann, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Das regelt seit 2005 eine EU-Verordnung. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung bekommt der Passagier 250, 400 oder 600 Euro - allerdings nicht automatisch. Er muss das Geld zunächst von der Fluggesellschaft einfordern.
Reisende haben auch einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie nicht rechtzeitig über die Streichung ihrer Flugverbindung informiert werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 11. Mai 2017 in Luxemburg geurteilt. Demnach müssen Fluggesellschaften ihren Kunden mindestens zwei Wochen vorher eine Nachricht zukommen lassen. Ob der Reisende bei der Airline selbst oder über einen Reisevermittler gebucht habe, sei unerheblich.
Online-Portale, sogenannte Legal-Tech-Dienstleister, bieten ebenfalls rechtliche Unterstützung bei Flugverspätungen und Reisemängeln an. Sie versprechen, kostenfrei zu prüfen, ob der Reisende einen Anspruch auf eine Entschädigung hat und diesen gegebenenfalls gegen ein Erfolgshonorar durchzusetzen.
In unserem Film erfahren Sie, wann Online-Portale ein guter Ansprechpartner sind und wann Reisende nach Flugverspätung oder bei einem Reisemangel besser zu einer Anwältin oder einem Anwalt gehen.
Ein Flugzeug ist erst bei Öffnung einer Tür wirklich angekommen - und dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für die Bestimmung von Flugverspätungen und Entschädigungen. Das hat der Europäische Gerichtshof Anfang September in Luxemburg klargestellt (Rechtssache C-452/13).
Denn solange die Türen geschlossen sind, könnten Reisende nur eingeschränkt mit der Außenwelt kommunizieren. Dies ende erst, wenn sie den Flieger verlassen könnten. Hintergrund war ein Streit zwischen der Lufthansa-Tochter Germanwings und einem Passagier um die Ankunftszeit eines verspäteten Flugzeugs auf dem Weg von Salzburg zum Flughafen Köln/Bonn.
Die Fluggesellschaft argumentierte, dass es darauf ankomme, wann die Räder des Fliegers die Landebahn berühren. In diesem Fall wäre die Maschine nur 2:58 Stunden zu spät angekommen – und damit knapp unter der entscheidenden Drei-Stunden-Frist geblieben. Die Parkposition erreichte das Flugzeug aber erst nach 3:03 Stunden, die Türen wurden kurz danach geöffnet.
Während des Fluges hätten sich Passagiere „in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sind“, unterstrich der EuGH. „Unter solchen Umständen können sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern.“ Ein Aufenthalt im Flugzeug über die normale Flugzeit hinaus stelle daher „verlorene Zeit“ dar.
Nein, ein Fluggast muss einen erheblich verspäteten Flug nicht antreten, um eine Entschädigung zu erhalten. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Hamburg hervor (Az: 12 C 328/15). In dem verhandelten Fall ging es um einen Flug von Amsterdam nach Hamburg. Dieser wurde auf den Folgetag verschoben. Der betroffene Passagier nahm den Flug nicht mehr wahr, da er aus beruflichen Gründen früher in Hamburg sein musste.
Von der Airline verlangte er eine Entschädigung von 250 Euro. Die Fluggesellschaft wollte nicht zahlen - der Mann habe den verspäteten Flug ja nicht angetreten. Das musste er allerdings auch nicht, so das Gericht. Die Zahlung diene dem Ausgleich verspätungsbedingter Unannehmlichkeiten. Das gelte unabhängig davon, ob ein Passagier noch mitfliegt oder nicht.
Landet ein Flug zu spät, ist das für Reisende oft nicht einfach nur ärgerlich, sondern auch sehr teuer – zum Beispiel, wenn man den ersten Teil einer Rundreise oder bereits gebuchte Hotelübernachtungen verpasst. Auch dafür können Urlauber von der Airline Schadensersatz erhalten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat nun entschieden: Diese Kostenerstattung wird auf die Entschädigung nach der Fluggastrechteverordnung angerechnet (Urteile vom 6. August 2019 – X ZR 128/18 und X ZR 165/18).
Die Höhe der Entschädigung bei Flugverspätungen bemisst sich an der Flugstrecke. Doch welche Distanz wird zugrunde gelegt, wenn eine Strecke in zwei Flüge unterteilt ist? In diesem Fall wird nur derjenige Flug berücksichtigt, der auch wirklich zu der Verspätung geführt hat. So hat das Amtsgericht (AG) Erding am 20. März 2017 entschieden (AZ: 5 C 3345/16).
In dem verhandelten Fall hatte der Kläger eine Flugreise von Lima über Paris nach München gebucht. Der erste Flug fand wie geplant statt. Doch in Paris wurde dem Passagier die Beförderung verweigert. Dadurch erreichte er München mit fast 20 Stunden Verspätung. Vor Gericht forderte er die volle Höhe der Ausgleichszahlung - 600 Euro sind für Flugdistanzen von mehr als 3500 Kilometern angemessen.
Er hatte damit keinen Erfolg. Das AG legte bei der Entschädigung die Entfernung zwischen Paris und München zugrunde. Somit stand dem Mann eine Ausgleichszahlung von 250 Euro zu. Diese Summe hatte die Airline ihm bereits erstattet, mehr Geld gab es nicht. Laut Erklärung des Gerichts hatte der Flug von Lima nach Paris keine Auswirkungen auf den Folgeflug nach München. Daher wurde diese Distanz nicht für den Anspruch auf Entschädigung berücksichtigt. Anders sieht es aus, wenn ein erster Flug sich so verspätet, dass ein Fluggast seinen Anschluss verpasst - dann muss die Flugstrecke hinzugerechnet werden.
Bei Kurzreisen von zwei oder drei Tagen sind die Fluggäste aufgeschmissen, wenn der Hinflug ausfällt. Häufig lohnt sich dann die Reise nicht mehr. „Pauschalreisende können in diesem Fall problemlos von der Reise zurücktreten und bekommen ihr Geld zurück“, sagt Reiserechtler Paul Degott, Mitglied des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Schwieriger sei die Lage für Reisende, die lediglich einen Flug gebucht haben.
Das Problem: Die Fluggesellschaft wird den Passagier auf einen späteren Flug umbuchen, womöglich am nächsten Tag. Und sie wird argumentieren: Der Rückflug findet ja wie geplant statt. Den Ticketpreis erstattet die Airline also nicht. Reisenden steht aber eine Ausgleichszahlung nach EU-Recht zu, innerhalb Europas sind das oft 250 Euro. Diesen Anspruch hat der Kunde so oder so.
Degott rät, die Fluggesellschaft zunächst um einen Ersatzflug am gleichen Tag zu bitten und für die Umbuchung eine Frist einzuräumen. Schafft die Airline das nicht, kann der Kunde sich selbst einen Alternativflug bei einer anderen Gesellschaft buchen und die Kosten dem ursprünglichen Unternehmen in Rechnung stellen. Ob die Airline zahlt, ist aber fraglich. Zur Not geht es vor Gericht.
Wenn die Fluggesellschaft der Forderung nicht nachkommt, haben Fluggäste verschiedene Möglichkeiten. Fluggäste können sich beispielsweise an die zuständige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Auch an Rechtsanwälte, die auf Reiserecht spezialisiert sind, können sich Fluggäste wenden. In jedem Fall sollten Fluggäste fremde Hilfe annehmen, denn ohne diese ist oft nur schwer, Ansprüche nachzuprüfen und durchzusetzen.
Für die Fluggesellschaften geht es um viel Geld. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit rund 132 Millionen Euro. Auf EU-Ebene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen - gegen den Widerstand von vielen, die sich für die Rechte von Fluggästen einsetzen. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.
Streitigkeiten um Entschädigungen für Fluggäste hat der Bundesgerichtshof (BGH) oft im Sinne der Passagiere entschieden. Allerdings kommt es immer auf den Einzelfall und die Details an. Sagen lässt sich aber ganz grundsätzlich, dass Fluggäste dann kein Geld bekommen, wenn die Probleme einer Airline auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgehen, die diese nicht beeinflussen kann. So hat der BGH etwa in früheren Urteilen keinen Ausgleichsanspruch für Ausfälle oder Verspätungen zugebilligt, die von Pilotenstreiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeerlaubnis verursacht waren.
Dass Fluggäste bei Verspätung wegen Vogelschlags keinen Anspruch auf Entschädigung haben, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 04. Mai 2017 bestätigt (AZ: C-315/15). Vogelschlag liege jenseits der Kontrolle der Fluggesellschaft. Für solche besonderen Umstände sehe das EU-Recht Ausnahmen von der Entschädigungspflicht vor, die grundsätzlich bei Verspätungen von mehr als drei Stunden gilt.