Reisen und Urlaub

Extra-Ticket für überge­wichtige Flugpas­sagiere?

Eine umstrittene Frage: Sollten übergewichtige Fluggäste einen zweiten Platz buchen müssen? © Quelle: id1974/panthermedia.net

Weltweit sind immer mehr Menschen stark überge­wichtig. Das ist nicht nur ein gesund­heit­liches Problem, sondern beschäftigt auch die Reisebranche. Denn es kommt vor, dass Fluggäste sich durch überge­wichtige Sitznachbarn beengt fühlen, sich beschweren und die Kosten für ihr Flugticket von der Airline erstattet bekommen wollen. In der Vergan­genheit wollten manche Fluglinien überge­wichtige Fluggäste dazu verpflichten, zwei Plätze statt einen zu kaufen. Davon fühlten viele Überge­wichtige sich diskri­miniert.

Wer verreist, kann zwischen vielen Verkehrs­mitteln wählen, um an sein Ziel zu kommen. Entscheidet man sich für das Flugzeug, schließt man mit der Airline einen Vertrag ab, einen sogenannten Luftbe­för­de­rungs­vertrag. Dieser fällt rechtlich in die Kategorie des Werkver­trages, was zur Folge hat, dass beispielsweise Flugge­sell­schaften haften, wenn ihre Leistung mangelhaft ist.

„Dabei kann als mangelhafte Leistung einer Flugge­sell­schaft auch zählen, wenn ein Passagier auf einem Flug etwa durch einen überge­wichtigen Mit-Passagier stark eingeengt wird“, sagt der Rechts­anwalt Paul Degott, Mitglied im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Der Reiserechts­experte verweist auf ein Urteil, das das Amtsgericht Frankfurt am Main entschieden hat. Geklagt hatte ein Passagier, der auf einem Flug durch einen überge­wichtigen Vordermann, stark eingeschränkt worden war. Der Vordermann hatte seinen Sitz viel weiter zurück­gelegt als üblich und technisch eigentlich möglich.  

In ihrem Urteil machten die Richter deutlich, dass ein unzuläng­licher Service und Komfort in einem Flugzeug zwar grundsätzlich kein Mangel im Sinne der Gewähr­leistung ist. Dennoch genüge es nicht, einen Fluggast einfach von A nach B zu befördern. „Der Fluggast ist nicht verpflichtet, jegliche Leistung des Luftfahrt­un­ter­nehmens von proble­ma­tischer Qualität hinzunehmen“, so die Richter. Eine gewisse Bewegungs­freiheit gerade auf einem Langstre­ckenflug müsse jeder Fluggast haben. Daher sprachen die Richter dem klagenden Fluggast eine Minderung des Ticket­preises von 50 Prozent zu (AZ: 31 C 4210/14 (17)).

„Die gleichen Grundsätze dürften gelten, wenn ein Passagier durch seine Körperfülle seinen Sitznachbarn so eingeengt, dass die Armlehne nicht mehr herunter­ge­drückt werden kann“, sagt der Reiserechts­experte Paul Degott. „Oder wenn ein Passagier ganz generell einen anderen stark einschränkt.“

Überge­wichtige Menschen im Flugzeug: Welche Regeln sehen Flugge­sell­schaften vor?

Mögliche Regress­an­sprüche von Fluggästen haben bislang nicht dazu geführt, dass Flugge­sell­schaften überge­wichtige Passagiere dazu verpflichten, ein zweites Ticket zu kaufen. Solche Pflichten sind in der Vergan­genheit von Airlines teils diskutiert worden, doch viele Menschen haben diese Pläne als diskri­mi­nierend kritisiert.

Aktuell gibt es keine einheit­lichen Regeln, nach denen die Flugge­sell­schaften bei der Beförderung überge­wichtiger Passagiere vorgehen. Viele Airlines setzen auf die freiwillige Mitwirkung der Fluggäste und bieten ihnen ein zweites Ticket zu einem reduzierten Preis an. „Andere Flugge­sell­schaften setzen auf indivi­duelle Lösungen“, sagt der Rechts­anwalt Paul Degott. „So wird beim Check-In zum Beispiel versucht, den Platz neben einer schwer­ge­wichtigen Person unbesetzt zu lassen oder bei nicht voll ausgebuchten Flügen Passagiere noch während des Fluges umzusetzen.“

Flugreisen und Umbuchung: Schadens­ersatz und Ansprüche nach der Fluggast­rechte-Verordnung?

Wenn dies nicht gelingt, kollidieren die Beförde­rungs­an­sprüche überge­wichtiger und „normal­ge­wichtiger“ Fluggäste miteinander. Denn ganz praktisch kann sich die Frage stellen: Kann oder muss die Airline einen überge­wichtigen Passagier auf einen anderen Flug umbuchen, der nicht vollbesetzt ist und der ihm erlaubt, auf zwei Plätzen zu sitzen? Oder wird der „nor­malgewichtige“ Flugpas­sagier umgebucht? „Letzteres wäre für den Fluggast ein Min­der­ungs­grund“, sagt Rechts­anwalt Degott. „Auch könnte eine Umbuchung eine schuldhafte Verletzung der vertrag­lichen Beförde­rungs­pflicht sein, so dass dem Fluggast Schadens­ersatz und Entschä­digung nach der Fluggast­rechte-Verordnung zustehen könn­ten.“