Wer verreist, kann zwischen vielen Verkehrsmitteln wählen, um an sein Ziel zu kommen. Entscheidet man sich für das Flugzeug, schließt man mit der Airline einen Vertrag ab, einen sogenannten Luftbeförderungsvertrag. Dieser fällt rechtlich in die Kategorie des Werkvertrages, was zur Folge hat, dass beispielsweise Fluggesellschaften haften, wenn ihre Leistung mangelhaft ist.
„Dabei kann als mangelhafte Leistung einer Fluggesellschaft auch zählen, wenn ein Passagier auf einem Flug etwa durch einen übergewichtigen Mit-Passagier stark eingeengt wird“, sagt der Rechtsanwalt Paul Degott, Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV). Der Reiserechtsexperte verweist auf ein Urteil, das das Amtsgericht Frankfurt am Main entschieden hat. Geklagt hatte ein Passagier, der auf einem Flug durch einen übergewichtigen Vordermann, stark eingeschränkt worden war. Der Vordermann hatte seinen Sitz viel weiter zurückgelegt als üblich und technisch eigentlich möglich.
In ihrem Urteil machten die Richter deutlich, dass ein unzulänglicher Service und Komfort in einem Flugzeug zwar grundsätzlich kein Mangel im Sinne der Gewährleistung ist. Dennoch genüge es nicht, einen Fluggast einfach von A nach B zu befördern. „Der Fluggast ist nicht verpflichtet, jegliche Leistung des Luftfahrtunternehmens von problematischer Qualität hinzunehmen“, so die Richter. Eine gewisse Bewegungsfreiheit gerade auf einem Langstreckenflug müsse jeder Fluggast haben. Daher sprachen die Richter dem klagenden Fluggast eine Minderung des Ticketpreises von 50 Prozent zu (AZ: 31 C 4210/14 (17)).
„Die gleichen Grundsätze dürften gelten, wenn ein Passagier durch seine Körperfülle seinen Sitznachbarn so eingeengt, dass die Armlehne nicht mehr heruntergedrückt werden kann“, sagt der Reiserechtsexperte Paul Degott. „Oder wenn ein Passagier ganz generell einen anderen stark einschränkt.“
Übergewichtige Menschen im Flugzeug: Welche Regeln sehen Fluggesellschaften vor?
Mögliche Regressansprüche von Fluggästen haben bislang nicht dazu geführt, dass Fluggesellschaften übergewichtige Passagiere dazu verpflichten, ein zweites Ticket zu kaufen. Solche Pflichten sind in der Vergangenheit von Airlines teils diskutiert worden, doch viele Menschen haben diese Pläne als diskriminierend kritisiert.
Aktuell gibt es keine einheitlichen Regeln, nach denen die Fluggesellschaften bei der Beförderung übergewichtiger Passagiere vorgehen. Viele Airlines setzen auf die freiwillige Mitwirkung der Fluggäste und bieten ihnen ein zweites Ticket zu einem reduzierten Preis an. „Andere Fluggesellschaften setzen auf individuelle Lösungen“, sagt der Rechtsanwalt Paul Degott. „So wird beim Check-In zum Beispiel versucht, den Platz neben einer schwergewichtigen Person unbesetzt zu lassen oder bei nicht voll ausgebuchten Flügen Passagiere noch während des Fluges umzusetzen.“
Flugreisen und Umbuchung: Schadensersatz und Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung?
Wenn dies nicht gelingt, kollidieren die Beförderungsansprüche übergewichtiger und „normalgewichtiger“ Fluggäste miteinander. Denn ganz praktisch kann sich die Frage stellen: Kann oder muss die Airline einen übergewichtigen Passagier auf einen anderen Flug umbuchen, der nicht vollbesetzt ist und der ihm erlaubt, auf zwei Plätzen zu sitzen? Oder wird der „normalgewichtige“ Flugpassagier umgebucht? „Letzteres wäre für den Fluggast ein Minderungsgrund“, sagt Rechtsanwalt Degott. „Auch könnte eine Umbuchung eine schuldhafte Verletzung der vertraglichen Beförderungspflicht sein, so dass dem Fluggast Schadensersatz und Entschädigung nach der Fluggastrechte-Verordnung zustehen könnten.“