Zum BGH-Urteil

Die Pflichten der Fluglinien bei Verspä­tungen

Beruft sich eine Fluglinie auf außergewöhnliche Umstände, um Ansprüche ihrer Passagiere zu vereiteln, muss sie die beweisen. © Quelle: Sohm/corbisimages.com

Bei Streik können sich Fluglinien auf "außerge­wöhnliche Umstände" berufen, um Ansprüche ihrer Passagiere abzuwehren. Das hat der Bundes­ge­richtshof in einem Urteil heraus­ge­setllt. Anlass war die Klage von Passagieren auf eine Ausgleichs­zahlung, nachdem Hin- und Rückflug unter anderem wegen eines Streiks stark verspätet waren. Ein Überblick zu den Ansprüchen der Passagiere.

Über welchen Fall die BGH-Richter aktuell verhandelt haben

Im betref­fenden Fall (AZ: X ZR 104/13) hatten die Kläger auf eine Ausgleichs­zahlung wegen verspäteter Flüge geklagt. Sowohl beim Hin- als auch beim Rückflughabe es Verspä­tungen von mehr als drei Stunden gegeben. Die Verspätung des Hinflugs sei auf einen General­streik in Griechenland zurück­zu­führen gewesen. Beim Rückflug habe es einen Radarausfall gegeben. In beiden Fällen habe keine Ersatz­ma­schine zur Verfügung gestanden.

Laut EU-Fluggast­rech­te­ver­ordnung und EuGH greift der Anspruch auf eine Ausgleichs­zahlung bei allen Flügen ab einer Verspätung von mehr als drei Stunden. Den Klägern vorm BGH stünde mindestens – so sie denn Recht bekommen – eine Ausgleichs­zahlung in Höhe von jeweils 250 Euro zu.

Passagie haben nur einen Anspruch, wenn Fluglinien sich nicht auf "außerge­wöhnliche Umstände berufen können

„Außerge­wöhnliche Umstände“ heißt der Persil­schein für Flugge­sell­schaften, die sich vor Ansprüchen ihrer Passagier verwahren wollen. Laut EU-Fluggast­rech­te­ver­ordnung stehen Passagieren bei einem Flugausfall oder auch massiven Verspä­tungen nämlich eigentlich Ausgleichs­zah­lungen zu. Aber eben nur solange sich die Airline nicht auf „außerge­wöhnliche Umstände“ berufen kann.

Beweislast über „außerge­wöhnliche Umstände“ liegt bei Fluglinie

„Der Begriff meine vor allem Umstände, die nicht aus dem Flugbetrieb stammen“, sagt der auf Touris­musrecht spezia­li­sierte Rechts­anwalt Paul Degott vom Deutschen Anwalt­verein. Die Aschewolke über Europa im Zuge des Vulkan­aus­bruchs auf Island seinerzeit sei ein klassisches Beispiel für derlei Umstände. Aber auch Streik fällt darunter. Das hatte der Bundes­ge­richtshof schon im vergangenen Jahr heraus­ge­stellt und nun zur Reisesaison noch einmal bestätigt. „Streik und Radarausfall wirken von außen auf den Flugbetrieb und die gesamte Tätigkeit des Luftfahrt­un­ter­nehmens ein und können von diesem nicht beherrscht werden“, begründeten die Richter ihr Urteil.

Im aktuellen Fall vor dem BGH wurde darüber hinaus auch geprüft, inwieweit sich die Fluglinie nach der Verspätung ausreichend um ihre Passagiere gekümmert hat. Art. 5 Abs. 3 der Fluggast­rech­te­ver­ordnung sieht vor, dass nur solche „außerge­wöhn­lichen Umstände“ die Fluglinien von einer Ausgleichs­zahlung bewahren, die „sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“.

Im aktuellen Fall hatte die Airline zwar versucht, ein Ersatz­flugzeug zu chartern. Gelungen war es ihr aber wegen des im Streik erhöhten Bedarfs an Maschinen nicht. Das anerkannten die Richter in Karlsruhe als ausreichend: Die Fluglinie „hat damit eine ihr zumutbare Maßnahme ergriffen, um die Verspätung zu vermeiden.“

Die Rechtslage rund um das anstehende BGH-Urteil im Schnell­durchlauf. Die wichtigsten Fakten:

Bei großer Verspätung oder Annullierung muss sich die Fluglinie proaktiv um ihre Passagiere kümmern“, sagt Rechts­anwalt Degott. Für die folgenden Punkte hat sie Sorge zu tragen.

  • eine angemessene Verpflegung
  • die Möglichkeit, unentgeltlich zwei Telefongespräche zu führen oder zwei Telefaxe bzw. E-Mails zu versenden
  • gegebenenfalls eine notwendige Hotelunterbringung und den Transfer dorthin
  • Abhängig von der Flugentfernung besteht außerdem gegebenenfalls ein pauschaler Anspruch auf Ausgleichszahlung von 250 Euro, 400 Euro bis hin zu 600 Euro pro Person, bei Alternativbeförderung kann sich dieser um die Hälfte ermäßigen.

Diese Regelung greift nicht, wenn:

  • Die Verspätung/Annulierung Flüge zwischen Flughäfen außerhalb der EU betrifft.
  • Wenn ein Flug von einem Flughafen außerhalb der EU (abgehend in die EU) betroffen ist, der durch ein Flugunternehmen durchgeführt wird, das seinen Sitz außerhalb der EU hat.
  • Wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung oder die Annullierung auf „außergewöhnlichen Umständen“ beruht und alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden sind.