Was sind Fahrgastrechte?
Fahrgastrechte im Zug sind gesetzliche Bestimmungen und Regelungen, die das Ziel verfolgen, die Reisenden im Bahnverkehr sowie deren Rechte gegenüber dem Eisenbahnunternehmen zu schützen. Sie sollen sicherstellen, dass Passagiere angemessen behandelt werden und bei eventuellen Problemen angemessene Unterstützung einfordern können. In Europa regelte bisher die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates die Fahrgastrechte im internationalen und grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr. Diese Verordnung gilt für alle Eisenbahngesellschaften, die Personenverkehrsdienste in der Europäischen Union anbieten.
(Strafen beim Schwarzfahren: Anzeige und Gefängnis? Antworten finden Sie hier.)
Welche Bereiche umfassen Fahrgastrechte?
Die Rechte für Zugreisende lassen sich grob in die folgenden Bereiche unterteilen:
- Informationspflicht: Die Fahrgäste haben Anspruch auf eindeutige und rechtzeitige Informationen über ihre Reise, einschließlich Fahrpläne, Verspätungen, Anschlussverbindungen und Zugausfälle.
- Fahrgastbetreuung: Bei größeren Verspätungen, Zugausfällen oder verpassten Anschlüssen müssen den Fahrgästen angemessene Unterstützung und Betreuung angeboten werden. Dies kann Unterkunft, Verpflegung, Getränke oder alternative Transportmöglichkeiten umfassen. Man kennt das beispielsweise aus dem Schienenersatzverkehr.
- Erstattung und Entschädigung: Wenn ein Zug stark verspätet ist oder ausfällt, haben die Fahrgäste meist Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises oder auf Entschädigungszahlungen.
- Barrierefreiheit: Es besteht die Verpflichtung, den Zugang für Menschen mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität zu erleichtern. Dies umfasst beispielsweise barrierefreie Einrichtungen und Hilfeleistungen.
Am 07. Juni 2023 tritt eine neu gefasste Verordnung dieser Rechte in Kraft. Die Gründe für die Aktualisierung liegen laut Europäischem Parlament und Europarat unter anderem darin,
- „… dass die Fahrgäste besser geschützt werden“,
- „… die Qualität und Effektivität der Bahndienstleister zu verbessern“,
- „… den Verkehrsanteil der Eisenbahn im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern zu erhöhen“.
Reise mit dem Zug: Was sind meine Rechte?
Um die Rechte der Zugreisenden nachvollziehbar abzubilden, sind die folgenden Punkte nach verschiedenen Problemstellungen gegliedert.
Zugverspätung: Ihre Rechte
Das leidigste Thema haben die meisten Fahrgäste wohl mit der Pünktlichkeit der Zugverbindung. Im Jahr 2022 lag die Pünktlichkeitsquote bei der Deutschen Bahn unter 70%. Rechtsanwältin Inga Nickel, Spezialistin auf dem Gebiet des Reiserechts und Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV), erklärt dazu: „Wenn Sie im In- oder europäischen Ausland unterwegs sind und sich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten abzeichnet, haben Sie als Fahrgast die Wahl, die Verspätung hinzunehmen und die Fahrt weiterzuführen - oder die Fahrt abzubrechen und den Fahrpreis zurück sowie einen Transport zum ursprünglichen Abfahrtsort zu verlangen. Entscheiden Sie sich für die Weiterfahrt steht Ihnen in vielen Fällen zudem ein Anspruch auf Entschädigung zu. Bei einer Verspätung zwischen einer Stunde bis 119 Minuten können Sie 25 Prozent des Ticketpreises erstattet bekommen.“ Die Hälfte des Ticketpreises können Sie ab 120 Minuten Verspätung einfordern.
Nach der alten Verordnung musste in jedem Fall eine Entschädigung gezahlt werden, ganz gleich welcher Grund für die Verspätung verantwortlich war. An diesem Punkt kommt es nach der EU-Reform jedoch ab dem 07.06.2023 zu einer gravierenden Änderung.
Laut der neuen Verordnung gibt es kein Recht auf Entschädigung mehr, wenn unvermeidbare außergewöhnliche Umstände (höhere Gewalt) die Verspätung verursacht haben. Hierzu zählen:
- extreme Witterungsbedingungen, umgestürzter Baum…
- Verschulden anderer Bahnreisender (z.B. ziehen der Notbremse)
- Eingriffe Dritter in den Schienenverkehr (Sabotage, Personen im Gleis, usw.).
Nicht zum Kreis der unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstände gehören Streiks. Somit bleibt auch ein Streik ein Entschädigungsgrund. (Lesen Sie hier - Bahnstreik: Hotel Stornierung kostenfrei möglich?)
Für Rechtsanwältin Nickel bleibt fraglich, ob dann tatsächlich entschädigt wird: „Aufgrund der neuen Regelung bleibt jedoch zu befürchten, dass die Eisenbahnunternehmen nun vermehrt pauschal auf unvermeidbare außergewöhnliche Umstände verweisen und eine Entschädigung ablehnen. Sollten Reisende Zweifel an der Begründung haben, sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.“
Die Bahn muss auch nicht dafür aufkommen, wenn Sie aufgrund der Verspätung Ihren Flug oder Ihre Kreuzfahrt verpassen. Folgeschäden aus einer Verspätung werden wie gehabt nicht übernommen. Aber: ab einer Verspätung von mehr als einer Stunde muss das Unternehmen Ihnen in jedem Fall kostenlos Hilfeleistungen wie Erfrischungen und Mahlzeiten zur Verfügung stellen.
Umbuchung: Sie können sich kostenlos auf einen späteren Zug umbuchen lassen, wenn Ihr Zug mehr als 60 Minuten Verspätung hat. Ab dem 7. Juni darf das Bahnunternehmen Sie auch auf einen Zug eines anderen Unternehmens umbuchen. Geschieht dies nicht innerhalb 100 Minuten nach der planmäßigen Zugabfahrt, können Sie die Weiterreise selbst organisieren und die entstandenen Kosten in Rechnung stellen. Allerdings: Flüge sind von der Regelung ausgenommen. Der Fahrgast ist nach Artikel 18, Absatz 3: „…berechtigt, einen solchen Vertrag mit anderen Anbietern öffentlicher Verkehrsdienste mit der Eisenbahn, dem Reisebus oder dem Bus zu schließen.“
Hotel-Übernachtung: Wenn Sie wegen der Zugverspätung nicht weiterreisen können und „festsitzen“, muss die Bahn Ihre Hotel-Übernachtung sowie die Anfahrtskosten übernehmen. Neu ist, dass bei den Verspätungsgründen „höhere Gewalt/Verhalten Dritter“ das Bahnunternehmen die maximale Anzahl der erstatteten Übernachtungen auf drei begrenzen kann.
Zugausfall: Ihre Rechte
Bei Zugausfall gilt, dass das Beförderungsunternehmen Sie auf einen anderen Zug umbuchen darf. Fällt Ihre Verbindung gänzlich aus, haben Sie das Recht auf einen kostenlosen Rücktransport zum Start-Bahnhof. Zudem können Sie den vollen Fahrpreis zurückfordern, wenn die Zugfahrt dadurch sinnlos geworden ist. Ein Beispiel: Sie wollen zu einem Konzertbesuch in eine andere Stadt. Durch die Verspätung der Bahn kommen Sie in jedem Falle zu spät, sodass Sie Ihre Lieblingsband verpassen. Da eine spätere Reise keinen Sinn macht, stehen Ihnen die beschriebenen Rechte zu.
Ticketbuchung: Ihre Rechte
Man kennt es: um ans gewünschte Reiseziel zu gelangen, muss man nicht selten umsteigen. Besonders ärgerlich wird es, wenn der Anschlusszug nichtmehr zu erreichen ist. Rechtlich sieht es so aus: müssen Sie innerhalb einer Zugreise umsteigen bzw. verschiedene Teilstücke passieren, empfiehlt es sich die Fahrt von Anfang bis Ende in einer Buchung vorzunehmen – nur dann besteht eine sogenannte durchgehende Reisekette, welche für die Prüfung von Entschädigungsansprüchen wichtig ist. Hier ist die Aufmerksamkeit der Reisenden bei der Buchung gefragt.
Hierzu erklärt Reiserechtlerin Nickel: „Kurz gesagt: bei einer einheitlichen Buchung (Reisekette), haben Sie einen einzigen Beförderungsvertrag geschlossen. Ihre Fahrgastrechte gelten somit für die gesamte Reisedauer. Verpassen Sie unverschuldet den Anschlusszug, muss das Bahnunternehmen entschädigen. Liegt keine einheitliche Buchung vor, ist für jede Teilstrecke gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entschädigung vorliegen – dies birgt zumeist Nachteile für den Reisenden. Kaufen Sie die Fahrkarte nicht beim Bahnunternehmen, sondern einem Reiseveranstalter, muss dieser den Ticketpreis ersetzen und unter Umständen sogar Schadensersatz zahlen – wenn der Anschluss verpasst wird. Hier sind stets eine Betrachtung des Einzelfalls und zumeist anwaltlicher Rat erforderlich.“
Nahverkehr: Ihre Rechte für S-Bahn und Co.
Wenn Ihre Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr liegt, die S-Bahn über 60 Minuten verspätet ist und kein anderes Verkehrsmittel verfügbar ist, können Sie ein Taxi nehmen. Die Kosten erstattet die Bahn bis zu einer Höhe von 80€. Unabhängig von der Tageszeit: ist mit einer Verspätung von 20 Minuten zu rechnen, dürfen Sie einen höherwertigen Zug benutzen.
Fahrgastrechte geltend machen: Wo bekomme ich Entschädigung?
Zunächst sollte die Frist für eine mögliche Beschwerde beachtet werden. Nach der alten Richtlinie hatten Geschädigte bis zu 12 Monate nach Gültigkeit der Fahrkarte Zeit, ihr Geld zurückzufordern. Die neue Verordnung sieht eine verkürzte Frist von drei Monaten vor. Um Ihre Fahrgastrechte geltend zu machen, können Sie verschiedene Möglichkeiten nutzen:
- Kundenservice des Beförderungsunternehmens
- Fahrgastrechte-Formular: Viele Bahnunternehmen stellen spezielle Fahrgastrechte-Formulare zur Verfügung, die Sie ausfüllen und einreichen können. Diese Formulare finden Sie in der Regel auf der Website des Beförderungsunternehmens oder können sie beim Kundenservice anfordern.
- Schriftliche Beschwerde: Sie haben auch die Möglichkeit, eine schriftliche Beschwerde zu verfassen und an das Beförderungsunternehmen zu senden. Stellen Sie sicher, dass Ihre Beschwerde alle relevanten Informationen enthält, wie Ihre Kontaktdaten, Ticketdetails, Datum und Grund des Vorfalls sowie eine klare Beschreibung Ihrer Forderung.
- Für Entschädigungsforderungen an die Deutsche Bahn nutzen Sie diesen Link
(Tipp: Sollten Sie die DB App/Navigator nutzen, können sie dort ebenfalls Entschädigungsforderungen übermitteln.) - Flixtrain-Kunden finden die entsprechenden Informationen hier
Bahnfahren ohne Ticket: Bald kein Gefängnis mehr fürs Schwarzfahren?
Im Strafgesetzbuch heißt es unter Paragraf § 265a: "Wer [...] die Beförderung durch ein Verkehrsmittel [...] in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist."
Bedeutete: Wer dreimal beim Schwarzfahren erwischt wurde, musste mitunter seine Strafe im Gefängnis absitzen. Geht es nach Bundesjustizminister Marco Buschmann, soll Fahren ohne Ticket entkriminalisiert werden. Das Erschleichen von Leistungen würde dann als Ordnungswidrigkeit verfolgt.
Anwältinnen und Anwälte helfen, Fahrgastrechte durchzusetzen
Die neue Verordnung soll die Rechte von Bahnreisenden stärken, schafft durch kürzere Beschwerdefristen und Ausnahmen bei Ansprüchen allerdings auch mehr Schutz für Bahndienstleister. In schwierigen Fällen ist es daher ratsam, sich professionellen Rat zu suchen. Expertinnen und Experten mit Schwerpunkt Reiserecht helfen Ihnen, Ihre Rechte geltend zu machen. Nutzen Sie dafür schnell und unkompliziert unsere Anwaltssuche: https://anwaltauskunft.de/anwaltssuche.
Reisebuchung - Welche Rechte Urlauber haben
Endlich Urlaub, endlich das mühsam beiseite gesparte Geld für eine schöne Zeit ausgeben! Bei der Reisebuchung im Internet sollte man trotz Vorfreude sorgsam vorgehen. Hat man beispielsweise den falschen Flug gebucht, besteht kein Recht auf Preiserstattung. In vielen Fällen ist man auf Kulanz der Reiseveranstalter oder eine Reiserücktrittsversicherung angewiesen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 06.06.2023
- Autor
- red/dav