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Vorfahrt achten

Unfall beim Einbiegen auf Vorfahrt­straße: Welche Regeln gelten?

An Kreuzungen und beim Abbiegen kommt es oft zu Unfällen. © Quelle: tzahiV/gettyimages.de

Bekann­termaßen muss ein Auto, das aus einer unterge­ordneten Straße auf eine vorfahrt­be­rechtigte Straße einbiegt, den Verkehr auf dieser Straße zunächst passieren lassen. Kommt es beim Einbiegen zu einem Zusammenstoß, muss der wartepflichtige Fahrer beweisen, dass er nicht die Schuld an dem Unfall trägt.

Der so genannte Anscheins­beweis spricht dann bei einem solchen Unfall gegen den Fahrer. Die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV) informiert über eine entspre­chende Entscheidung des Amtsge­richts Hamburg vom 12. Februar 2015 (AZ: 32 C 394/14).

Regeln bei Unfall zwischen wartepflichtigem und vorfahrt­be­rech­tigtem Auto

Eine Autofahrerin fuhr mit ihrem Wagen auf einer vorfahrt­be­rech­tigten Straße. Es kam zum Unfall, als aus einer unterge­ordneten Straße ein anderes Fahrzeug auf die Vorfahrt­straße einbog. Dessen Fahrerin lehnte eine Haftung für den Unfall jedoch ab. Da der rechte Fahrstreifen frei gewesen sei, sei sie auf diesen eingebogen. Die Fahrerin auf der Vorfahrt­straße habe jedoch im unmittelbaren Kreuzungs­bereich überra­schend, ohne den Blinker zu setzen und ohne auf das rechts hinter ihr befindliche Fahrzeug zu achten, auf die rechte Fahrspur gewechselt und ihren Pkw gestreift. Die einbiegende Fahrerin habe auf das plötzliche Manöver des anderen Fahrzeugs nicht mehr reagieren können.

Vor Gericht hatte die Frau mit ihrer Argumen­tation keinen Erfolg und musste vollständig für den Autounfall haften. Die Richter sahen den Anscheins­beweis, dass sie für den Zusammenstoß verant­wortlich war, nicht erschüttert. Die wartepflichtige Fahrerin habe nicht beweisen können, dass sie keinen schuld­haften Vorfahrt­verstoß begangen habe. Auch habe die wartepflichtige Fahrerin nicht überzeugend darlegen können, dass sie auch bei aller gebotenen Sorgfalt das vorfahrts­be­rechtigte Fahrzeug nicht hätte rechtzeitig wahrnehmen können.

Unfall mit vorfahrts­be­rech­tigtem Auto: Wartepflichtiger Fahrer muss seine Unschuld beweisen

Das Gericht erläuterte: Wer „die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrver­halten zu erkennen zu geben, dass er warten wird. Er darf nur weiter­fahren, wenn er übersehen kann, dass er denjenigen, der die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert.“ Könne er das nicht übersehen, dürfe er sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hinein tasten, bis er die Übersicht habe.

„Kommt es in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Einbiegen zwischen einem vorfahrts­be­rech­tigten und einem wartepflichtigen Fahrzeug zu einer Kollision, so hat der Wartepflichtige den Anscheins­beweis einer schuld­haften Unfall­ver­ur­sachung gegen sich.“

Dies sei insbesondere auch dann der Fall, wenn – wie hier – der Wartepflichtige beim Einbiegen nach rechts mit einem sich von links nähernden Vorfahrt­be­rech­tigten zusammenstoße. Die wartepflichtige Fahrerin habe nicht beweisen können, dass sie keinen schuld­haften Vorfahrt­verstoß begangen habe. Ebenso wenig habe sie überzeugend darlegen können, dass sie auch bei aller gebotenen Sorgfalt das vorfahrts­be­rechtigte Fahrzeug nicht hätte rechtzeitig wahrnehmen können.

Amtsgericht Hamburg, Entscheidung vom 12. Februar 2015 (AZ: 32 C 394/14)

Haben Nachzügler an der Ampel-Kreuzung Vorfahrt?

Auch in einer anderen Situation, in der es um die Vorfahrt geht, ist Vorsicht gefragt: An einer Ampel. Auch wenn sie grün haben, können Autofahrer wegen des abbiegenden Verkehrs eine Ampel-Kreuzung oft nicht sofort überqueren. Manchmal müssen sie so lange warten, bis der Querverkehr bereits Grün hat. Auf solche Nachzügler muss man achten. Wann darf man aber darauf vertrauen, mit diesen nicht mehr rechnen zu müssen?

Je länger eine Grünphase an einer Ampel bereits dauert, desto weniger müssen die Autofahrer mit Nachzüglern rechnen. Es gibt zwar „Nachzüg­ler­vorrecht“. Dies besagt, dass die Nachzügler zunächst einmal die Straßen­kreuzung räumen können müssen.

Wer aber selbst schon lange Grün hatte, darf darauf vertrauen, dass sich keine solchen Autos mehr im Bereich der Kreuzung befinden und er die Kreuzung zügig überqueren kann. Das Oberlan­des­gericht (OLG) Hamm entschied, dass derjenige, dem die Ampel bereits seit 19 Sekunden Grün zeigt, nicht mit Nachzüglern rechnen muss (Urteil vom 26. August 2016; AZ: 7 U 22/16).

Haftung bei Unfall an der Ampel: Auch Nachzügler muss vorsichtig sein

Ein Nachzügler darf also nicht blindlings darauf vertrauen, dass er vorgelassen wird, erläutert die Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwalt­vereins (DAV). Kommt es zu einem Unfall, wird bei solchen „Rückstau­fällen“ üblicherweise eine Haftungs­quo­telung vorgenommen. Das bedeutet, dass selbst derjenige, der beim Autounfall Grün hat, bei einem Verkehrs­unfall zu einem Viertel oder einem Drittel mithaftet. Mithaften muss man besonders dann, wenn man bei Grünlicht sofort mit „fliegendem Start“ in die Kreuzung einfährt.

In dem zugrunde liegenden Fall war der Ehemann der späteren Klägerin bei Grün in eine Kreuzung eingefahren. Der andere Autofahrer war zuvor im quer fahrenden Verkehr eingefahren. Wegen eines Rückstaus hatte er die Straßen­kreuzung aber nicht passieren können.

Bei der Beweis­aufnahme stellte sich heraus, dass der Autofahrer mindestens 40 Sekunden in der Kreuzung gestanden hatte und dann zügig losgefahren war. Zu diesem Zeitpunkt hatte seine Ampel bereits seit mindestens 23 Sekunden Rot gezeigt. Demgegenüber hatte der andere Autofahrer bereits seit mindestens 19 Sekunden Grün. Auch hatte etwa 50 bis 70 Meter vor seinem Auto bereits ein anderes Auto in gleicher Richtung die Kreuzung passiert.

OLG Hamm: Nachzügler haftet bei Autounfall in der Kreuzung

Das Gericht sprach der Klägerin 100 Prozent Schadens­ersatz zu. Die Sorgfalts­pflichten eines Nachzüglers stiegen, je länger er in der Kreuzung stehe und für seine Fahrtrichtung bereits Rot angezeigt werde. Aufgrund der langen Verweildauer habe er in erheblichem Maße gegen seine erhöhte Sorgfalts­pflicht verstoßen, als er zügig losgefahren sei.

Zwar gebe es das Nachzüg­ler­vorrecht. Das bedeute, wer berechtigt in die Kreuzung eingefahren ist, müsse sie auch nach Rückstau noch verlassen können. Hier habe aber die Ampel für den Ehemann der Klägerin schon lange Grün gezeigt. Er „durfte daher auf eine freie Kreuzung ohne weitere Verkehrs­teil­nehmer auf den Querverkehr vertrauen“, so das Gericht. Selbst die Betriebs­gefahr des Autos der Klägerin trete hinter dem schweren Verschulden des Beklagten vollständig zurück.

Quelle: www.verkehrsrecht.de

Datum
Aktualisiert am
07.04.2017
Autor
red/dpa/DAV
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Themen
Auto Autounfall Haftung Straßen­verkehr Unfall

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