Wenn es um Mängel und erforderlichen Nachbesserungen bei Autos geht, läuten bei vielen Autobesitzern in Deutschland die Alarmglocken. Der Abgasskandal bei VW und viele Rückrufaktionen in der Vergangenheit haben die Autofahrer zu gebrannten Kindern gemacht. Dabei Autobesitzer durchaus Rechte, wenn ihr Wagen Mängel hat, vor allem bei Neuwagen. Die Deutsche Anwaltauskunft klärt die wichtigsten Fragen.
Wann ist ein Mangel ein Mangel?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten, denn nicht jeder Defekt kann als Mangel deklariert werden. Das betrifft vor allem Gebrauchtwagen, bei denen man nicht davon ausgehen kann, dass sie dauerhaft eiwandfrei funktionieren. Bei Neuwagen sollte das aber der Fall sein.
Wann dürfen Käufer von Neuwagen die Annahme verweigern?
Wird ein Neuwagen schon mit Mängel geliefert, dürfen Käufer die Annahme verweigern – auch, wenn es sich nur um einen kleinen Mangel handelt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (AZ: VIII ZR 211/15, Urteil vom 26. Oktober 2016).
Im zugrundeliegenden Fall hatte der Kunde einen Neuwagen bestellt und mit dem Verkäufer vereinbart, dass er zu ihm nach Hause geliefert werden soll. Als Wagen kam, wollte der Käufer ihn wegen eines Kratzers im Lack allerdings nicht annehmen und hielt den Kaufpreis zurück. Der Kostenvoranschlag eines Lackiererbetriebs ergab Kosten von rund 530 Euro. Der Verkäufer war bereit 300 Euro zu übernehmen. Damit war der Autokäufer allerdings nicht einverstanden. Da sich die beiden Parteien nicht einigen konnten, holte der Verkäufer den Wagen ab, behob den Schaden und lieferte ihn wieder aus. Daraufhin forderte er vom Käufer, dass dieser ihm unter anderem die Transportkosten erstatte.
Das BGH gab allerdings dem Käufer recht: Den Richtern zufolge muss der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln – wie dem hier vorliegenden Lackschaden –grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen, bevor der Mangel beseitigt ist. Das gilt auch dann, wenn der genannte Mangel am Neuwagen geringfügig ist.
Wann müssen Käufer Nachbesserungen dulden?
Man hat viel Geld investiert, ein neues Auto gekauft und dann muss es zur Überholung in die Werkstatt, da bei dem Neuwagen Mängel festgestellt wurden – auf Geheiß des Herstellers. Für Autokäufer ist das ärgerlich. Sie müssen dem Bitten des Herstellers in aller Regel zwar nicht nachkommen. Das ist allerdings empfehlenswert, aus mehreren Gründen.
Zum einen garantieren solche Überholungen ein höheres Maß an Sicherheit für die Fahrer. Und zum anderen hat es auch finanzielle Auswirkungen, weiß Rechtsanwalt Christian Janeczek, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV): „Bei einem späteren Weiterverkauf müssen Autobesitzer darauf hinweisen, dass sie einer solchen Aufforderung des Herstellers nicht nachgekommen sind. Somit kann der Wert des Wagens sinken.“
Müssen Hersteller einen Ersatzwagen während einer Reparatur stellen?
Wenn es um den Neuwagenkauf geht, ist folgende Unterscheidung wichtig: Vertragspartner sind meisten die Verkäufer des Neuwagens im Autohaus. Lediglich wenn man in Niederlassungen kauft, geht man direkt einen Vertrag mit dem Hersteller ein. Für beide Fälle gilt: Ein Ersatzwagen muss in aller Regel nicht gestellt werden. Verkäufer können meist ein fehlendes Eigenverschulden beweisen und Hersteller sich darauf berufen, dass die Technik auch im Rahmen einer umfangreichen Testphase noch nicht komplett ausgereift ist. Nichtsdestotrotz sind Verkäufer und Hersteller häufig kulant, weiß Janeczek: „Die Vertragspartner haben ein Interesse daran, dass die Kunden ihnen wohlgesonnen bleiben.“
Wann dürfen Käufer Neuwagen von sich aus zurückgeben?
Wer Mängel an einem Neuwagen von sich aus feststellt, kann nach dem Kauf zwei Jahre lang Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen. Das gewährleistet die sogenannte gesetzliche Sachmängelhaftung.
Muss der Käufer beweisen, dass Mängel schon beim Kauf des Fahrzeugs vorlagen?
Das kommt darauf an. Damit die Sachmängelhaftung greift, muss der Mangel am Fahrzeug bereits bei der Übergabe angelegt gewesen sein. Doch hilft hier die gesetzliche Grundlage zum Kaufrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch: Handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf, also um ein Geschäft zwischen einem Unternehmer und einer Privatperson, wird in den ersten sechs Monaten nach Kaufvertragsabschluss davon ausgegangen, dass der Mangel bereits mit dem Kauf vorlag.
Wird dieser Zeitpunkt überschritten, sieht es jedoch anders aus. Dann muss der Käufer nachweisen, dass der Mangel von Anfang an vorhanden war. Diese Beweisführung ist mitunter kompliziert. Im Falle eines Motorschadens kann hier etwa ein Sachverständiger helfen.
Bei einem „arglistig verschwiegene Mängel“, ist die Zeitspanne noch etwas größer: Sie verjähren in einem Jahr ab der Kenntnis des Mangels. „Ein übliches Beispiel hierfür ist ein vom Verkäufer verschwiegener Unfall noch vor der damaligen Auslieferung an den Käufer“, sagt Verkehrsrechtsexperte Janeczek.
Welchen Ersatzleistungen stehen Käufern zu?
Der BGH hat in einem Urteil das geltende Recht zusammengefasst: Sollte die Beseitigung eines „wahrnehmbaren“ Mangels nicht möglich oder zu teuer sein, kann der Käufer den Kaufpreis mindern oder aber die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen (Urteil vom 6. Februar 2013; AZ: VIII ZR 374/11).
Lesen Sie in unserer Übersicht, welche Schritte ebenfalls möglich sind – und unter welchen Voraussetzungen:
- Kostenlose Nacherfüllung
Das bedeutet, dass die Mängel an dem Neuwagen beseitigt werden müssen – auf Kosten des Verkäufers. Dabei hat der Käufer Anspruch auf Originalersatzteile. Diese Maßnahmen müssen allerdings verhältnismäßig sein. Das bedeutet: Wenn die Kosten im Verhältnis zu dem Mangel viel zu hoch sind, muss der Verkäufer darauf nicht eingehen. Das allerdings muss im Einzelfall entschieden werden. Auch weitere mögliche Kosten muss der Verkäufer übernehmen, etwa Abschleppgebühren.
Mitunter kann er auch ein mangelfreies, neues Fahrzeug verlangen. Hat die Werkstatt zwei Mal erfolglos versucht, das Auto nachzubessern, hat der Käufer gute Chancen auf einen neuen Wagen.
Doch auch Verkäufer haben Rechte. Käufer von Neuwagenmüssen ihnen grundsätzlich die generelle Möglichkeit einräumen, Mängel zunächst zu beseitigen, ehe sie einen neuen Wagen stellen müssen.
- Minderung des Kaufpreises
Gelingt die Mängelbeseitigung nicht, weigert sich der Verkäufer oder hält er die vom Käufer gesetzte Frist (siehe unten) zur Nachbesserung nicht ein, kann der Käufer den Kaufpreis reduzieren. Hierbei wird geschätzt und im Einzelfall entschieden, wie hoch der Minderbetrag ausfällt. Der Käufer kann auch ganz vom Kaufvertrag zurücktreten beziehungsweise diesen rückgängig machen.
Der Käufer kann auch ganz vom Kaufvertrag zurücktreten beziehungsweise diesen rückgängig machen. Allerdings erhält er dadurch nicht zwangsläufig den Originalkaufpreis zurück, denn im Normalfall wurde der Wagen ja bereits genutzt. Vom Kaufpreis wird eine sogenannte Nutzungsentschädigung abgezogen, also der Vorteil, den der Käufer von dem Wagen hatte. Dazu teilt man den Kaufpreis durch die Restlaufleistung. Das sind bei einem Neuwagen 250.000 bis 300.000 Kilometer. Das Ergebnis wird mit der Anzahl der bereits gefahrenen Kilometer multipliziert.
- Schadenersatz
Trifft den Verkäufer (zudem) ein Verschulden, macht er sich unter Umständen schadensersatzpflichtig.
- Rücktritt
Hat der Verkäufer die gesetzte Frist, um den Mangel am Neuwagen zu beseitigen, nicht eingehalten, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Er muss dann das Auto zurückgeben und bekommt das Geld zurück. Wenn der Käufer den Wagen bereits genutzt hat, wird eine Nutzungsentschädigung vom Kaufpreis abgezogen (s. Punkt 2).
Hier gilt: Je gefährlicher und schwerwiegender ein Mangel am Neuwagen, desto weniger Nachbesserungen sind nötig, ehe man einen Rücktrittsanspruch hat. In der Vergangenheit haben Gerichte sich mehrfach mit diesen Fragen beschäftigt. Das Landgericht Mannheim erkannte etwa undichte Stellen als einen erheblichen Mangel an (AZ.: 11 O 158/78); und das Oberlandesgericht Köln sprach dem klagenden Käufer ein Anrecht auf einen Rücktritt sogar zu, nachdem ein erster Abdichtungsversuch im Wert von 150 Euro nicht ausreichend half (AZ: 12 U 71/86).
Wann bekommt der Käufer trotz Nachbesserung ein neues Fahrzeug?
In manchen Fällen kann ein Autokäufer möglicherweise ein neues Auto verlangen, obwohl der Mangel behoben ist. Das geht aus einer Entscheidung des BGH vom 24. Oktober 2014 hervor (AZ: VIII ZR 66/17). In dem Fall ging es um einen BWM x3. Er war mit einer Software ausgestattet, die bei drohender Überhitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet.
Wenige Monate nach dem Kauf erschien mehrfach eine Warnung, die den Fahrer aufforderte, das Fahrzeug anzuhalten, um die Kupplung (bis zu 45 Minuten) abkühlen zu lassen. Das änderte sich auch nach mehreren Werkstattbesuchen nicht. Der Käufer verlangte deshalb ein neues, mangelfreies Auto. Der Hersteller sah hingegen keinen Mangel. Er habe dem Kläger mehrfach mitgeteilt, dass er dem Hinweis nicht folgen müsse, die Kupplung sei in Ordnung. Daraufhin zog der Käufer vor Gericht.
Während des Rechtsstreits fuhr er wegen einer andern Angelegenheit in eine Werkstatt des Herstellers. Dieser behauptet, dabei sei ein Software-Update mit einer korrigierten Warnmeldung aufgespielt worden. Der Käufer habe deshalb keinen Anspruch auf ein neues Auto.
Warnung soll ignoriert werden: Auto weiterhin mangelhaft
Die Richter des BGH gaben dem Käufer Recht. Das Auto gelte auch dann weiterhin als mangelhaft, wenn der Hersteller mitteilt, dass die Warnung nicht beachtet werden müsse. Der Mangel sei zwar mittlerweile behoben worden, allerdings ohne das Einverständnis des Autokäufers. Deshalb kann er auch weiterhin auf Nacherfüllung durch Ersatzlieferung pochen.
Das kann der Verkäufer verweigern, wenn die Kosten unverhältnismäßig hoch sind. Das sei hier nicht der Fall, so der BGH. Der Verkäufer dürfe zudem nur auf Unverhältnismäßigkeit verweisen, wenn er den Mangel auf andere Art vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen kann. Ob das mit dem Softwareupdate funktioniert hat, sei aber gar nicht sicher. Schließlich sei es nicht auszuschließen, dass die Warnfunktion durch das Softwareupdate einfach komplett abgestellt worden sei. Um das herauszufinden, sei ein weiteres Sachverständigengutachten notwendig. Der Fall wurde deshalb an das OLG Nürnberg zurückverwiesen.
Was gilt, wenn der Käufer eine Frist zur Mängelbeseitigung setzt?
„Eine Frist muss angemessen sein“, sagt Rechtsanwalt Christian Janeczek. „Je nach Mangel kann diese zwischen drei Tagen und mehreren Wochen betragen, etwa, wenn erst spezielle Ersatzteile bestellt werden müssen“. In aller Regel aber seien zwei Wochen eine gute Orientierung, so der Dresdner Verkehrsrechtsexperte.
Neuwagen: Was muss in der Autowerbung stehen?
Für Werbung gibt es klare Regeln. So sollen alle wesentlichen Informationen für einen Kauf enthalten sein. Andernfalls ist die Werbung sie wettbewerbswidrig. Eine großformatige Printwerbung muss als wesentliche Information auch Angaben zur Motorisierung enthalten. Ansonsten kann die Werbung kostenpflichtig abgemahnt werden. Dies entschied das Oberlandesgericht Köln am 13. März 2020 (AZ: 6 U 267/19), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert.
Mängel am Neuwagen: Wann sollten Sie zum Anwalt gehen?
Sie haben an Ihrem Neuwagen Mängel festgestellt und können sich mit dem Verkäufer beziehungsweise dem Hersteller nicht über die Mängelbeseitigung einigen? Der Verkäufer konnte den Mangel an Ihrem Auto nicht beheben, weigert sich aber, Ihnen ein neues zur Verfügung zu stellen? Ihr Neuwagen wurde mit Mängeln geliefert und sie wollen ihn nicht annehmen, doch der Verkäufer droht mit Rechtsmitteln, falls Sie nicht zahlen? Ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für Vertragsrecht kann Sie in solchen Situationen zum richtigen beraten. Einen Anwalt in Ihrer Nähe finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 03.02.2021
- Autor
- ndm,DAV