Fahrradfahrer halten sich nicht an Verkehrsregeln. Autofahrer sind grundsätzlich aggressiv. An Vorurteilen wie diesen mangelt es nicht zwischen Radlern und Motorisierten. Besonders unfriedlich wird die Koexistenz auf den Straßen, wenn Rad- und Autofahrer sich beim Überholen begegnen. Die Radler fühlen sich von zu dicht vorbeifahrenden PKW bedrängt – die Autofahrer schimpfen über Zweiradfahrer, die mitten auf der Straße fahren und den Verkehr blockieren.
Innerorts sind 1,5 Meter Pflicht, außerorts zwei Meter
Ob sie an einem Radfahrer vorbeiziehen oder geduldig hinter ihm herfahren, entscheiden viele Autofahrer nach Gefühl. Doch es gibt Vorschriften für den Überholvorgang. Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die im April 2020 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber diese Vorschriften konkretisiert. § 5 StVO zufolge muss man sich beim Überholen so verhalten, dass eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Außerdem muss man genug Abstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern einhalten.
Für Autofahrer bedeutet das: „Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m.“
Je nach Straßen- und Wetterverhältnissen, Geschwindigkeit und Größe des eigenen Fahrzeugs können auch größere Abstände geboten sein. Das ist auch der Fall, wenn auf dem Fahrrad ein Kind transportiert wird – dann müssen Autofahrer nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg mindestens 2 Meter Abstand halten (AZ 12 U 29/05).
Was tun, wenn Radler schleichen?
Grundsätzlich dürfen Autofahrer überholen, ohne die Spur zu wechseln – übrigens auch bei durchzogener Mittellinie. Bei einer durchschnittlichen Fahrbahnbreite von 3 Metern innerorts ist es für Autofahrer aber häufig nicht möglich, Radfahrer mit ausreichend Abstand zu überholen, ohne auf die Gegenspur zu wechseln. Wenn diese durch dichten Gegenverkehr versperrt ist, bleibt dem PKW-Fahrer nichts anderes übrig, als langsam hinter dem Radfahrer herzufahren.
Selbst wenn der Fahrradfahrer eindeutig zu weit mittig fährt oder zwei Radfahrer nebeneinander fahren und die Straße blockieren, dürfen Autofahrer den Mindestabstand beim Überholen nicht unterschreiten. „Nur weil sich der eine Verkehrsteilnehmer falsch verhält, darf sich der andere nicht auch falsch verhalten“, sagt Rechtsanwalt Christian Janeczek von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV).
Wie man sich rechtlich gegen rücksichtslose Fahrer wehren kann
Jede Behinderung durch bummelnde Radler müssen sich Autofahrer allerdings nicht bieten lassen. Wenn ein Fahrradfahrer durch seinen Fahrstil bewusst andere Verkehrsteilnehmer ausbremst, indem er beispielsweise über eine längere Strecke mitten auf der Fahrbahn fährt, führt dies zu einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot und damit einer Ordnungswidrigkeit. Im Extremfall kann dies sogar den Straftatbestand der Nötigung darstellen. „Wer eine solche Tat anzeigt, sollte sie allerdings auch nachweisen können, zum Beispiel durch die Aussage eines Mitfahrers oder eine Videoaufnahme“, so Rechtanwalt Janeczek.
Beweise sind auch im umgekehrten Fall nötig: Wenn Radfahrer sich gegen rücksichtslose Autofahrer wehren möchten. Hier ist theoretisch eine Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs möglich – allerdings nur bei grob verkehrswidrigem Überholen des Autofahrers. „Wenn der Fahrradfahrer wegen eines zu dicht überholenden Fahrzeugs nachweislich stürzt und sich verletzt, kann er zudem Schadenersatz geltend machen“, sagt der Fachanwalt für Verkehrsrecht Christian Janeczek.
Radsportwettkampf: Schadensersatz nach Unfall beim Überholen
Bei Radsport-Wettkämpfen oder Trainingsfahrten fahren die Teilnehmer im Pulk. Es hängt vom Zufall ab, wer einen Unfall verursacht. Daher gibt es einen Haftungsausschluss. Die Haftung ist aber dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn sich die Teilnehmergruppe bereits auseinandergezogen hatte und eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten war. Das Unfallopfer kann dann Schadensersatz beanspruchen. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV informiert über eine entsprechende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 12. März 2020 (AZ: 1 U 31/19).
In dem Fall nahm der spätere Kläger mit dem Beklagten und 15 weiteren Teilnehmern an einer Fahrradtour teil. Der Kläger fuhr hier neben einem anderen Teilnehmer, der Beklagte versuchte links zu überholen. Durch eine Berührung stürzten mehrere Fahrer, der Kläger schleuderte gegen einen Baum und verletzte sich erheblich.
Da der Beklagte die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hatte, musste er Schadensersatz zahlen, so das Oberlandesgericht. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Beklagte beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten. Selbst nach seinen eigenen Angaben habe der Abstand zum Lenker des anderen maximal 48 cm betragen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 28.05.2020
- Autor
- pst,DAV