
Bußgeld aus dem Ausland: Wann, wo und wie muss ich zahlen?
Wer sich über ein Knöllchen für Falschparken oder ein Bußgeld für zu schnelles Fahren ärgert, sollte einmal einen Blick in andere europäische Länder werfen. Wer 20 km/h zu schnell unterwegs ist, zahlt in Deutschland maximal 35 Euro, in Frankreich hingegen ein Bußgeld von mindestens 135 Euro.
Ein Strafzettel in Italien für 20 km/h zu viel kostet mindestens 170 Euro. Autofahrer, die am Steuer telefonieren, müssen in Deutschland 60 Euro blechen, in Griechenland 100 Euro und in Dänemark 200 Euro.
Wann muss ich ein Bußgeld im Ausland in Deutschland zahlen?
Wer im EU-Ausland erwischt wird, wie er zu schnell fährt, falschparkt, betrunken oder telefonierend am Steuer sitzt, muss zahlen. In den meisten Fällen auch, wenn er zwischenzeitlich nach Deutschland zurückgekehrt ist.
„Ob in Deutschland vollstreckt wird, hängt von der Höhe der Geldbuße ab“, sagt Rechtsanwalt Jens Dötsch, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Die Grenze liege bei 70 Euro, das betreffe die Geldbuße plus Verfahrenskosten. Auch Bußgelder und Verfahrenskosten für mehrere kleinere Verstöße, die zusammen mindestens 70 Euro ergeben, seien vollstreckbar.
Grenze 70 Euro, in Österreich 25 Euro
Dass deutsche Autofahrer ihre Schulden im europäischen Ausland ab diesem Betrag begleichen müssen, regelt das EU-weites Abkommen zur Vollstreckung von Geldstrafen aus dem Ausland. Fast alle EU-Mitglieder haben es unterzeichnet. Griechenland gehört nicht dazu.
Es gibt eine weitere Ausnahme: „Ein Bußgeld aus Österreich kann schon ab 25 Euro vollstreckt werden, da es hier ein gesondertes Abkommen gibt“, fügt der Verkehrsrechtsexperte hinzu.
Wie läuft die Vollstreckung in Deutschland ab?
Ein Bußgeld aus dem Ausland einfach nicht zu zahlen, ist also keine gute Idee. Denn die ausländische Behörde kann ein Vollstreckungsersuchen beim Bundesamt für Justiz (BfJ) einreichen.
Privates Inkasso im Ausland: Anwälte warnen
Aufgrund der 70-Euro-Grenze bleiben kleine Regelverstöße deutscher Urlauber im Ausland oft ohne Folgen. Viele Urlaubsorte versuchen deshalb, Knöllchen und Mautzahlungen auf dem zivilrechtlichen Inkassoweg durchzusetzen. Die Anwältinnen und Anwälte der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht warnten auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag 2018 in Goslar, dass das private Inkasso die Schutzvorschriften im Bußgeldverfahren aushebeln kann. Denn die Inkassogebühren sind meist hoch und die Rechtsbehelfmöglichkeiten für Verbraucher schwer zu durchschauen.
So das Amt erkennt, dass das Ersuchen des anderen EU-Staats rechtens ist, kontaktiert es den Halter des betreffenden Wagens. Innerhalb von 14 Tagen kann dieser Stellung nehmen. Erfolgt dann kein Einspruch, ist die Vollstreckung rechtskräftig. Erfolgt daraufhin keine fristgerechte Zahlung, wird – notfalls mithilfe des Gerichtsvollziehers – vollstreckt. Dieses Verfahren gleicht dann dem Vorgehen bei Geschwindigkeitsübertretungen auf deutschen Straßen.
Werden auch Bußgelder aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland vollstreckt?
Nein, in Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz oder Norwegen besteht kein entsprechendes Abkommen. Bußgelder aus diesen Ländern werden in Deutschland nicht vollstreckt.
Zu schnell, zu stark alkoholisiert, am Steuer telefoniert: Was kann ich gegen eine Strafe im Ausland tun?
Rechtsanwältin Daniela Mielchen, ebenfalls Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht, erklärt, was passiert, wenn man doch Einspruch einlegt: „Dann prüft das Amtsgericht am Wohnort, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckung erfüllt sind; hiergegen kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht beantragt werden.“ Der Erlös aus der Vollstreckung bleibt übrigens in Deutschland und wird nicht an das betreffende EU-Land überwiesen.
Das BjF kann ein Vollstreckungsersuchen aber auch zurückweisen. Das passiert dann, wenn gegen die formellen Wege verstoßen wird.
Verkehrsrechtsexpertin Mielchen kennt die Fehler, die bei der Vollstreckung durch ausländische Behörden immer wieder passieren und wodurch das Ersuchen unzulässig wird. Im Gespräch mit anwaltauskunft.de nennt sie diese vier Punkte:
- Ersuch in nicht verständlicher Sprache: Das BfJ weist Schriftverkehr aus dem Ausland zurück, die nicht in deutscher beziehungsweise in einer für den Betroffenen verständlichen Sprache verfasst ist.
- 70-Euro-Grenze unterboten: Auch in diesem Fall kann das BfJ den Ersuch zurückweisen – mit Ausnahme bei österreichischer Post, wie oben beschrieben.
- Halfterhaftung vs. Fahrervergehen: Ebenfalls unzulässig kann die Vollstreckung sein, wenn ein deutscher Fahrzeughalter zuvor im Ausland erfolglos Einspruch mit der Begründung eingelegt hat, nicht selbst der Fahrer gewesen zu sein. Zum Beispiel weil im betreffenden Land – anders als in Deutschland – eine Halterhaftung besteht. Das trifft auf Frankreich oder die Niederlande zu. Allerdings muss der Halter beweisen können, dass er nicht selbst hinter dem Steuer saß.
- Fehlende Rechtebelehrung: Der Betroffene muss im eigentlichen Bußgeldverfahren über seine Rechte belehrt werden, wie etwa dem Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht. Geschieht das nicht, kann man um eine Vollstreckung herum kommen.
Den Tatvorwurf selbst prüft das Amt nicht. Wenn Autofahrer also Einwände gegen den Tatvorwurf erheben, sollten sie eine Anwältin oder einen Anwalt für Verkehrsrecht kontaktieren. Diese können auch einschätzen, ob sich ein Widerspruch lohnt. Experten aus ganz Deutschland finden Sie über die Anwaltssuche. Unter „Rechte anderer Länder“ können Sie das Land eingeben, in dem das Bußgeld verhängt wurde.
Wann lohnt sich ein Widerspruch?
„Rechtsmittel gegen ein Bußgeld im Ausland können sich vor allem dann lohnen, wenn man das Tatortland regelmäßig besucht“, sagt Dötsch. Reist man wieder ein, ohne das Bußgeld bezahlt zu haben, kann es auf offener Straße vollstreckt werden. „Die Behörden können zum Beispiel auch das Auto einziehen“, warnt der Rechtsanwalt aus Andernach.
Auch für jene, die in der nächsten Zeit nicht mehr in das Tatland reisen wollen, lohnt sich ein Anwalt. „Wenn der Bescheid nicht ordnungsgemäß ergeht oder die Fahrereigenschaft im Tatland nicht geprüft wird, darf in Deutschland nicht vollstreckt werden“, erklärt der Verkehrsrechtsexperte. So komme man zumindest um die Zahlung in Deutschland herum.
Rechtsanwältin Mielchen rät Betroffenen, die einen Bußgeldbescheid erhalten haben und dagegen vorgehen wollen, unbedingt schnell einen Verkehrsrechtsspezialisten zu konsultieren: „Umgehend, um die Rechtsbehelfsfristen des jeweiligen EU-Landes einzuhalten.“ Denn Einwände gegen den eigentlichen Tatvorwurf und die Ahndung, in diesem Fall also die Geschwindigkeitsüberschreitung, können nur in dem im EU-Ausland geführten Verfahren vorgebracht werden. Und nicht im späteren Vollstreckungsverfahren.
Verkehrsvergehen im Ausland: Kann ich den Führerschein verlieren?
Fährt man im EU-Ausland zu schnell, hat das mitunter erhebliche Auswirkungen auf den Geldbeutel, nicht aber auf das Punktekonto in Flensburg. Punkte sowie ein mögliches temporäres Fahrverbot können nur bei Vergehen auf deutschen Straßen verhängt werden.
Auch den Führerschein zu verlieren, ist im Ausland nicht möglich. Wer ein Fahrverbot in Frankreich, Österreich oder einem anderen europäischen Land erhält, darf in Deutschland weiter fahren. Die deutschen Behörden vollstrecken nur Bußgelder aus dem Ausland.
Bußgeld im Ausland direkt zahlen: Wann lohnt es sich?
Ein Bußgeld kann die Urlaubskasse enorm belasten. Manchmal kann es sich aber lohnen, sich an anderer Stelle einzuschränken und das Bußgeld gleich vor Ort zu zahlen.
„Dies lohnt sich vor allem, wenn man das Tatortland mit dem genutzten Fahrzeug oder als festgestellter Halter erneut besuchen will“, sagt Rechtsanwalt Dötsch.
Rechtskräftige Bußgeldbescheide und Gerichtsentscheidungen blieben in dem jeweiligen Land mehrere Jahre vollstreckbar. Ein Strafzettel in Italien verjährt beispielsweise erst nach maximal fünf Jahren.
Wer also wieder in das Land einreist und in eine Verkehrskontrolle gerät, muss dann unter Umständen zahlen. Selbst wenn der Fahrer oder Halter mit den Flugzeug einreist oder in dem Land umsteigt, können die Behörden das Bußgeld vollstrecken.
Fragen zum Verkehrsrecht? Anwältinnen und Anwälte helfen
Sie wurden bei einer Verkehrssünde im Ausland erwischt und möchten gegen den Bußgeldbescheid vorgehen? Bei diesen und anderen verkehrsrechtlichen Fragen beraten die DAV-Verkehrsrechtsanwälte Sie gerne. Kompetente Ansprechpartner in ganz Deutschland finden Sie in unserer Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 07.12.2018
- Autor
- ndm/red