Was eine Nötigung ist, erläutert das Strafgesetzbuch: "Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung nötigt" der begeht laut §240 StGB eine solche Straftat. Doch was bedeutet dies für den Straßenverkehr?
Eine strafbare Nötigung im Straßenverkehr kann begehen, wer ...
- einen nachfolgendes Auto ohne Grund ausbremst oder dieses durch einen überraschenden Fahrbahnwechsel zum Bremsen zwingt.
- bewusst zu dicht auffährt.
- die Fahrbahn blockiert.
- ein anderes Auto nach dem Überholen bewusst schneidet.
- die Überholspur mit niedriger Geschwindigkeit absichtlich versperrt.
- andauernd hupt oder immer wieder aufblendet, die Lichthupe betätigt.
- auf einen Fußgänger zufährt, um diesen aus einer Parklücke zu drängeln.
Nicht jedes unangenehme Verhalten im Straßenverkehr ist gleich eine Nötigung
Dabei sollte man beachten: Voraussetzung für eine Nötigung gemäß StGB ist eine vorsätzliche Behinderung in Verbindung mit Gewalt oder einer Drohung. Wer kurzzeitig zu dicht auf ein anderes Fahrzeug auffährt oder vor dem Überholvorgang einmal mit der Lichthupe auf sich aufmerksam macht, begeht nicht gleich eine strafbare Nötigung. Ersteres ist zwar verkehrswidriges Verhalten – jedoch nur eine Ordnungswidrigkeit – letzteres nach Straßenverkehrsordnung nicht strafbar. Dies sollten Personen im Hinterkopf behalten, bevor sie eine Nötigung zur Anzeige bringen.
Welche Strafen drohen?
Stellt ein Gericht fest, dass Nötigung vorliegt, so kann es laut StGB empfindliche Strafen verhängen. Diese fallen – je nach Schwere der Tat – sehr unterschiedlich aus. So können Richter eine Geldstrafe anordnen, temporär oder permanent die Fahrerlaubnis erziehen, drei Punkte in Flensburg verhängen und – in besonders schweren Fällen – eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren anordnen.
Urteil gegen Taxifahrer wegen Beleidigung
Verschiedene Urteile zeigen, wie Richter diese Reglungen in der Praxis anwenden. So hat das Amtsgericht München am 25. Juni 2015 (AZ: 922 Cs 433 Js 114354/15) einen Taxifahrer wegen Beleidigung und Nötigung zu einer Geldstrafe von 1000 Euro und einem Monat Fahrverbot verurteilt.
In dem Fall war der 56-jährige Taxifahrer mit seinem Fahrzeug ohne Fahrgast in München unterwegs. Vor ihm fuhr ein 40-jähriger Münchner mit seinem VW Touran.
Taxifahrer bremst aus und zeigt Mittelfinger
Nach der Beweisaufnahme durch die Polizei stand fest, dass das Taxi plötzlich mit hoher Geschwindigkeit auf der Gegenfahrbahn überholt hatte. Beim Vorbeifahren zeigte der Taxifahrer dem anderen Fahrer den ausgestreckten Mittelfinger. Unmittelbar danach scherte das Auto so knapp vor ihm ein, dass der Fahrer des Tourans eine Vollbremsung einleiten musste und die Reifen quietschten. Nur so konnte er einen Auffahrunfall verhindern.
Die Folge: Bußgeld und Fahrverbot
Das Amtsgericht München verurteilte den Taxifahrer in dem Fall zu 50 Tagessätzen zu je 20 Euro (1.000 Euro) sowie einem Monat Fahrverbot. Das Einscheren erfolgte nach Ansicht des Gerichts ausschließlich in der Absicht, den Fahrer zu der Vollbremsung zu zwingen. Der Taxi-Fahrer haben dem 40jährigen Münchner sein zu langsames Fahren vor Augen führen wollen.
Das Gericht glaubte dem Taxifahrer nicht, dass er auf der linken Spur zum Überholen angesetzt hatte, als das andere Auto vor ihm nach links ausgeschert sei. Der Taxifahrer hatte gemeint, er sei sehr erschrocken gewesen und habe reagiert, indem er noch weiter nach links ausgeschert sei und auf der Gegenseite das Fahrzeug überholt habe. Dabei hätte er lediglich eine wegwerfende Handbewegung gemacht, jedoch nicht den gestreckten Mittelfinger gezeigt. Das bewertete das Gericht als Verteidigungshaltung und glaubte dem Mann nicht.
Zugunsten des Taxifahrers berücksichtigte das Gericht, dass er bisher nicht vorbestraft war. Dennoch blieb es dabei: Das verkehrswidrige Überholmanöver in Verbindung mit der völlig unangebrachten Nötigung stelle einen im Straßenverkehr nicht tolerablen Exzess dar, der die Sanktion eines zumindest einmonatigen Fahrverbots nach sich ziehen müsse, so die Richter.
Vorwurf der Nötigung: auch Freispruch möglich
Doch nicht immer enden Prozesse, in denen es um die Straftat der Nötigung geht, mit einer Verurteilung. So sprach das Amtsgericht Staufen im Breisgau im November 2017 einen Beklagten vom Vorwurf der Nötigung frei, der den Kläger auf der Autobahn 5 zwischen Heitersheim und Freiburg rechts überholt hatte. Dies hatte der Beklagte im Laufe des Prozesses zugegeben.
Grund für den Freispruch waren unter anderem Unstimmigkeiten zwischen den Aussagen des Klägers vor Gericht und dem, was er der Polizei zu Protokoll gegeben hatte. So sprach er im Prozess davon, nach dem Überholvorgang eine Vollbremsung hingelegt zu haben – der Polizei hingegen hatte er gesagt, dass er mit seinem Fahrzeug überhaupt nicht habe bremsen müssen. Weitere Unstimmigkeiten zwischen Aussagen im Prozess und Protokoll kamen hinzu.
Beifahrerin bestätigt Aussagen des Beklagten
Für den Angeklagten sprach außerdem, dass seine damalige Beifahrerin – eine Arbeitskollegin – seine Aussagen bestätigen konnte. Sie fahre gerne mit ihm, da er sich am Steuer sehr defensiv verhalte. Zudem berücksichtigten die Richter, dass der Beklagte ein unbescholtener Autofahrer ist. Sei er ein Drängler, wäre er sicher schon einmal mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt worden. Dies sei jedoch nicht der Fall.
Abschließend verurteilten die Richter den Beklagten zu einer Geldstrafe von 100 Euro und einem Punkt in Flensburg. Zwar war der Vorwurf der Nötigung nicht haltbar. Doch beim Rechtsüberholen handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die das Gericht ahndete. "Rechtsüberholen ist verboten. Punkt aus und Amen", so die Abschlussworte der Richterin.
Nötigung: Wann ein Rechtsanwalt sinnvoll ist
Wer sich mit dem Vorwurf der Nötigung im Straßenverkehr konfrontiert sieht, sollte sich an einen Anwalt für Verkehrsrecht wenden. Der Grund: Nur Anwälte können in solchen Fällen Akteneinsicht beantragen und Optionen und Risiken des Beklagten richtig einschätzen. Auch wer der Meinung ist, Opfer von Nötigung im Straßenverkehr zu sein und einschätzen möchte, ob der Tatbestand der Nötigung im Straßenverkehr zutrifft, sollte einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.
- Datum
- Aktualisiert am
- 29.05.2018
- Autor
- DAV