Wenn zwei Rehe die Straße überqueren, ist eine Vollbremsung gerechtfertigt, so das Amtsgericht in Bad Segeberg. Man muss sich auch dann keine Gedanken darüber machen, wenn die Fahrbahn glatt ist. Voraussetzung ist, dass der Fahrer mit angemessen geringer Geschwindigkeit fährt. Im Übrigen kann einem Autofahrer, der in Sekundenbruchteilen entscheiden muss, nicht zu viel zugemutet werden, so die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Wildwechsel – Verhindern eines Wildunfalls
Als der Autofahrer mit etwa 50-60 km/h Geschwindigkeit fuhr, wechselten plötzlich direkt vor ihm zwei Rehe von rechts aus dem Wald auf das links liegende Feld. Um einen Unfall zu vermeiden, bremste der Mann, kam aber ins Rutschen. Das Fahrzeug drehte sich und prallte mit seiner rechten Seite gegen einen Baum. Der Fahrer gab an, der zuständige Jagdpächter habe frische Rehspuren an der Unfallstelle festgestellt.
Beweislast liegt beim Autofahrer
Grundsätzlich muss der Autofahrer nachweisen, dass es einen Wildwechsel gab und er ausgewichen ist. Dies sei in der Praxis oft schwierig, könne aber, so das Amtsgericht in Bad Segeberg, durch eine glaubwürdige Aussage des Autofahrers erfolgen – unabhängig von der Tatsache, dass ein nur Teilkaskoversicherter ein natürliches Interesse habe, dass der ansonsten nicht versicherte Schaden ersetzt werde. Das Gericht glaubte hier dem Autofahrer und verpflichtete die Versicherung, den Schaden zu bezahlen.
Urteil: Vollbremsung bei Rehen geboten
Das Gericht entschied, dass eine Vollbremsung dann geboten sei, wenn zwei Rehe unmittelbar vor einem Auto die Fahrbahn überqueren. Es sei richtig zu versuchen, eine Kollision mit größeren Wildtieren zu verhindern. Dies sei auch dann erlaubt, wenn die Fahrbahn wegen Schneefalls glatt sei. Eine Vollbremsung sei dann immer noch geboten, wenn der Fahrer, wie hier, lediglich mit geringer Geschwindigkeit gefahren sei.
Teilweise sehen andere Gerichte das anders; das hier entscheidende Gericht meinte aber, dass man dem Autofahrer keinen Vorwurf machen könne – und das selbst dann nicht, wenn man die Vollbremsung auf einer schneeglatter Fahrbahn nicht für objektiv geboten halte. Bei einer solchen Situation könne dem Autofahrer, der in Sekundenbruchteilen entscheiden müsse, kein Vorwurf gemacht werden.
Trotz der Beweislast des Autofahrers hatte das Amtsgericht Bad Segeberg keine Bedenken, eine Verurteilung der Versicherung allein auf die Angaben des Mannes zu stützen.
Tipp
Konnte man einen Wildunfall verhindern, hat aber einen Schaden an seinem Fahrzeug davongetragen, sollte man versuchen, Beweise zu finden. Man könnte wie im vorliegenden Fall den zuständigen Jagdpächter informieren und fragen, ob es frische Wildspuren an der Unfallstelle gebe. Man kann aber auch selbst Spuren fotografisch festhalten.
Amtsgericht Bad Segeberg am 30. Oktober 2014 (AZ: 17 C 65/14)
Quelle: www.verkehrsrecht.de