Alkohol am Steuer

Alkoho­li­siertes Fahren: Entzug der Fahrerlaubnis und MPU-Anordnung

Bei einer MPU müssen Autofahrer ihre Tauglichkeit zum Autofahren nachweisen. Die Kritik am Verfahren ist groß. © Quelle: Clark/gettyimages.com

Die Medizinisch-Psycho­lo­gische Untersuchung (MPU), im Volksmund auch ‚Idiotentest’ genannt, ist ein (teures) Ärgernis für Autofahrer, oft gibt es aber gute Gründe für die Anordnung. Doch sind einige Regeln und Praktiken umstritten, aktuell besonders jene nach der Höhe der Promil­lezahl bei alkoho­li­siertem Fahren.

Die MPU ist für viele Autofahrer ein Schreck­ge­spenst. Diese Untersuchung kann einen vierstelligen Betrag schlucken – und erst nach erfolg­reichem Bestehen gibt es die Chance, die Fahrerlaubnis zurück zu erhalten.

Etwa für Berufs­kraft­fahrer oder jene, die im Alltag auf ihr Auto angewiesen sind kann das enorme und auch berufliche Auswir­kungen haben. Andererseits gibt es gute Gründe, eine solche MPU anzuordnen – einen möglichst sicheren Straßen­verkehr für alle!

MPU-Anordnung neuerdings schon ab 1,1 Promille

Verschiedene Gründe können zum Fahrerlaub­nis­entzug führen, beispielsweise als Folge des achten Punkts in Flensburg. Aber auch aus gesund­heit­lichen Gründen kann das passiere und sogar notorischen Falsch­parkern droht unter Umständen die Anordnung einer MPU.

Ganz zentral ist in diesem Zusammenhang aber etwas anderes: das stark alkoho­li­sierte Autofahren. Lange Zeit galt folgende Regel: Bei einem Promil­le­gehalt von 1,1 oder mehr entziehen die Fahrerlaub­nis­be­hörden eben jene Fahrerlaubnis, bei mehr als 1,6 Promille bedurfte es zusätzlich einer erfolgreich absolvierten Medizinisch-Psycho­lo­gischen Untersuchung (MPU).

In Stein, also in ein Gesetz, ist diese Zahl allerdings nicht gemeißelt. Und so hat sich die Praxis in Teilen Deutschlands inzwischen geändert. Nun droht bei 1,1 Promille neben der Entziehung auch die automa­tische MPU-Anordnung.

Ein Problem, findet Rechts­an­wältin Gesine Reisert, Mitglied im Ausschuss Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt­verein: „Schon bei einem einmaligen Verstoß wird somit generell der Verdacht des Alkohol­miss­brauchs und damit die mangelnde Eignung quasi unterstellt.“

Somit müssten Betroffene auch bei einem einmaligen Verstoß kosten­pflichtig belegen, dass sie doch geeignet seien, Kraftfahrtzeuge zu führen. Reisert ergänzt: „Die Durchfall­quoten bei der MPU sind aus verschiedenen Gründe dazu recht hoch, so dass es ein kostspieliges Unterfangen werden kann, seine Fahrerlaubnis wieder­zu­er­langen.“

Urteil: MPU erst ab 1,6 Promille

Wurde einem Autofahrer der Führer­schein entzogen, nachdem er einmal mit einer Blutal­ko­hol­kon­zen­tration (BAK) von weniger als 1,6 Promille unterwegs war, darf die Verwal­tungs­behörde die Neuerteilung des Führer­scheins deshalb nicht von einer MPU abhängig machen. Lassen weitere Tatsachen auf künftigen Alkohol­miss­brauch schließen, sieht es allerdings anders aus. Das hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig entschieden (Urteil vom 06.04.2017, AZ BVerwG 3 C 24.15).

Im zugrun­de­lie­genden Fall hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 Promille) verurteilt und ihren Fahrerlaubnis kassiert. Als sie die Neuerteilung beantragte, forderte die Fahrerlaub­nis­behörde sie auf, ein medizinisch-psycho­lo­gisches Fahreig­nungs­gut­achten vorzulegen. Dagegen klagte die Frau. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gab der Klägerin Recht. Es verpflichtete die Fahrerlaub­nis­behörde, der Klägerin ihre Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psycho­lo­gischen Gutachtens neu zu erteilen. In einem anderen, ähnlich gelagerten Fall entschied das Gericht ebenfalls zugunsten des Klägers.

1,1-Promil­le­grenze führt zu Führer­schein-Tourismus

Die Definition der Promil­le­grenze ist dabei bundesweit nicht einheitlich bestimmt. Sie obliegt den Ländern beziehungsweise sogar Kommunen. Das führt zu mitunter kuriosen Vorgängen. Denn betroffene Fahrer verlegen ihren Wohnsitz einfach kurzerhand in ein anderes Bundesland, in dem sie ihren Führer­schein auch zurück­be­kommen, ohne die kostspielige Untersuchung über sich ergehen lassen zu müssen.

Die 1,1-Grenze ist inzwischen in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin aber auch in Teilen Nordrhein-Westfalens gesetzt. Ein betroffener Berliner Fahrer kann also mal eben nach Brandenburg ‚ziehen’.

Auch hieran übt Verkehrs­rechts­expertin Reisert Kritik: „Es ist nicht ersichtlich, warum Kreis A sich anders verhält als Kreis B.“ Daher fordere sie eine bundesweit einheitliche Regelung.

Immer MPU-Anordnung bei alkoho­li­siertem Fahren unabhängig der Promil­lezahl?

Wahrscheinlich wird sich in nicht allzu ferner Zukunft das Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit dieser Frage befassen. Denn nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwal­tungs­ge­richts München hat die klagende Frau Revision eingelegt.

In dem Verfahren entschied das Gericht sogar, dass die Höhe der Promil­lezahl nicht unbedingt entscheidend sei bei der Beurteilung, ob eine MPU angemessen ist. Viel eher müssten Autofahrer, denen die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, eine MPU erfolgreich bestehen (Az.: 11 BV 14.2738) – jenseits der gemessenen Promille im Blut. Demnach könnte auch die 1,1-Grenze weiter nach unten korrigiert werden.

„Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung“, so die Berliner Rechts­an­wältin Gesine Reisert. „Die Beamten der Fahrerlaub­nis­be­hörden sollen nicht generell unterstellen können, dass die Eignung durch einen Alkohol­verstoß entfallen ist und erst belegt werden muss.“

Frage wird wohl vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht geklärt

Sollten das Bundes­ver­wal­tungs­gericht diese Haltung teilen, verändert sich die Rechtslage in dieser Frage grundlegend.

Das aber glaubt Reisert nicht, die davon ausgeht, dass sich eine indivi­duelle Prüfung auch beim Bundes­ver­wal­tungs­gericht durchsetzen werde. Wissen­schaftliche Untersu­chungen jedenfalls existieren hierzu nicht, die eine frühere Tätigkeit der Behörden erfordern würden. Spannend werde die Entscheidung dennoch, denn womöglich wird sich das Leipziger Gericht zum 1,1-Promille-Grenzwert äußern.

Übrigens: Hier können Sie nachlesen, was droht, wenn man sich ohne Fahrerlaubnis trotzdem hinter das Steuer setzt.

Fehlende Rechts­mittel, um sich gegen eine MPU zu wehren

Neben dieser Problematik gibt es noch weitere Kritik am Verfahren des „Idiotentests“. Denn nach geltendem Recht ordnen keineswegs Gerichte eine MPU an, sondern die Fahrerlaub­nis­behörde, die wiederum frei bei ihrer Entscheidung ist.

Die betroffene Person hat dann keine Möglichkeit, sich mit Rechts­mitteln gegen die MPU-Anordnung zu wehren. Sollte die Anordnung also zu Unrecht erfolgen und der Betroffene daher dieser nicht nachkommen, zieht die Behörde den Führer­schein ein – sofort.

Der Deutsche Anwalt­verein fordert daher bereits seit Jahren die Schaffung eines Rechts­mittels, um sich gegen die Anordnung zu wehren. Im Rahmen des Deutschen Verkehrs­ge­richtstags in Goslar Ende Januar wird ein neuer Versuch unternommen. Denn bis dato blieb jene Initiative der Anwalt­schaft erfolglos.

Versicherung kann alkoho­li­sierten Autofahrer nach Unfall in Regress nehmen

Wer alkoho­lisiert Auto fährt, riskiert nicht nur Führer­schein­entzug und MPU. Kommt es zu einem Unfall, kann die Haftpflicht­ver­si­cherung den Unfall­ver­ur­sacher auch in Regress nehmen, wenn er alkoho­lisiert war. Einen solchen Regress musste eine Autofahrerin leisten, die mit 0,67 Promille einen Autounfall verursachte. Sie hatte 75 Prozent des Schadens­er­satzes an die Versicherung zu zahlen, entschied das Amtsgericht Darmstadt am 11. Juni 2015 in einem Urteil (AZ: 317 C 137/14).

In dem von der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht des DAV mitgeteilten Fall wollte eine Autofahrerin um drei Uhr früh mit ihrem Fahrzeug rückwärts aus einer schräg angelegten Parkbox heraus­fahren. Dabei übersah sie das auf der anderen Straßenseite stehende Auto und fuhr gegen das Fahrzeug. An dem Auto entstand ein Schaden von rund 3.000 Euro.

Gericht: Versicherung kann Regress verlangen

Bei der Frau wurden 0,67 Promille festge­stellt. Nachdem deren Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherung den Schaden an dem anderen Fahrzeug reguliert hatte, wollte die Versicherung die Frau zu 75 Prozent in Regress nehmen. Als sie dagegen klagte, gab das Gericht der Versicherung Recht. Die Frau muss der Versicherung nun 75 Prozent des Betrags erstatten.

Für das Gericht stand fest, dass ein „alkohol­ty­pischer Fahrfehler“ vorlag. „Durch den Genuss von Alkohol wird die Aufmerk­samkeit eingeschränkt“, schreibt das Gericht im Urteil. Außerdem hatte die Autofahrerin ein stehendes Fahrzeug übersehen. Dies war eben auf den Alkohol zurück­zu­führen. Der Schaden an dem Auto war auch derart massiv, dass die Frau nicht nur mit geringer Geschwin­digkeit gefahren sein konnte. Darüber hinaus lag mit 0,67 Promille eine „erhebliche Alkoho­li­sierung“ vor.