Die MPU ist für viele Autofahrer ein Schreckgespenst. Diese Untersuchung kann einen vierstelligen Betrag schlucken – und erst nach erfolgreichem Bestehen gibt es die Chance, die Fahrerlaubnis zurück zu erhalten.
Etwa für Berufskraftfahrer oder jene, die im Alltag auf ihr Auto angewiesen sind kann das enorme und auch berufliche Auswirkungen haben. Andererseits gibt es gute Gründe, eine solche MPU anzuordnen – einen möglichst sicheren Straßenverkehr für alle!
MPU-Anordnung neuerdings schon ab 1,1 Promille
Verschiedene Gründe können zum Fahrerlaubnisentzug führen, beispielsweise als Folge des achten Punkts in Flensburg. Aber auch aus gesundheitlichen Gründen kann das passiere und sogar notorischen Falschparkern droht unter Umständen die Anordnung einer MPU.
Ganz zentral ist in diesem Zusammenhang aber etwas anderes: das stark alkoholisierte Autofahren. Lange Zeit galt folgende Regel: Bei einem Promillegehalt von 1,1 oder mehr entziehen die Fahrerlaubnisbehörden eben jene Fahrerlaubnis, bei mehr als 1,6 Promille bedurfte es zusätzlich einer erfolgreich absolvierten Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU).
In Stein, also in ein Gesetz, ist diese Zahl allerdings nicht gemeißelt. Und so hat sich die Praxis in Teilen Deutschlands inzwischen geändert. Nun droht bei 1,1 Promille neben der Entziehung auch die automatische MPU-Anordnung.
Ein Problem, findet Rechtsanwältin Gesine Reisert, Mitglied im Ausschuss Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein: „Schon bei einem einmaligen Verstoß wird somit generell der Verdacht des Alkoholmissbrauchs und damit die mangelnde Eignung quasi unterstellt.“
Somit müssten Betroffene auch bei einem einmaligen Verstoß kostenpflichtig belegen, dass sie doch geeignet seien, Kraftfahrtzeuge zu führen. Reisert ergänzt: „Die Durchfallquoten bei der MPU sind aus verschiedenen Gründe dazu recht hoch, so dass es ein kostspieliges Unterfangen werden kann, seine Fahrerlaubnis wiederzuerlangen.“
Urteil: MPU erst ab 1,6 Promille
Wurde einem Autofahrer der Führerschein entzogen, nachdem er einmal mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille unterwegs war, darf die Verwaltungsbehörde die Neuerteilung des Führerscheins deshalb nicht von einer MPU abhängig machen. Lassen weitere Tatsachen auf künftigen Alkoholmissbrauch schließen, sieht es allerdings anders aus. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden (Urteil vom 06.04.2017, AZ BVerwG 3 C 24.15).
Im zugrundeliegenden Fall hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 Promille) verurteilt und ihren Fahrerlaubnis kassiert. Als sie die Neuerteilung beantragte, forderte die Fahrerlaubnisbehörde sie auf, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Dagegen klagte die Frau. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Klägerin Recht. Es verpflichtete die Fahrerlaubnisbehörde, der Klägerin ihre Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens neu zu erteilen. In einem anderen, ähnlich gelagerten Fall entschied das Gericht ebenfalls zugunsten des Klägers.
1,1-Promillegrenze führt zu Führerschein-Tourismus
Die Definition der Promillegrenze ist dabei bundesweit nicht einheitlich bestimmt. Sie obliegt den Ländern beziehungsweise sogar Kommunen. Das führt zu mitunter kuriosen Vorgängen. Denn betroffene Fahrer verlegen ihren Wohnsitz einfach kurzerhand in ein anderes Bundesland, in dem sie ihren Führerschein auch zurückbekommen, ohne die kostspielige Untersuchung über sich ergehen lassen zu müssen.
Die 1,1-Grenze ist inzwischen in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin aber auch in Teilen Nordrhein-Westfalens gesetzt. Ein betroffener Berliner Fahrer kann also mal eben nach Brandenburg ‚ziehen’.
Auch hieran übt Verkehrsrechtsexpertin Reisert Kritik: „Es ist nicht ersichtlich, warum Kreis A sich anders verhält als Kreis B.“ Daher fordere sie eine bundesweit einheitliche Regelung.
Immer MPU-Anordnung bei alkoholisiertem Fahren unabhängig der Promillezahl?
Wahrscheinlich wird sich in nicht allzu ferner Zukunft das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Frage befassen. Denn nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat die klagende Frau Revision eingelegt.
In dem Verfahren entschied das Gericht sogar, dass die Höhe der Promillezahl nicht unbedingt entscheidend sei bei der Beurteilung, ob eine MPU angemessen ist. Viel eher müssten Autofahrer, denen die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, eine MPU erfolgreich bestehen (Az.: 11 BV 14.2738) – jenseits der gemessenen Promille im Blut. Demnach könnte auch die 1,1-Grenze weiter nach unten korrigiert werden.
„Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung“, so die Berliner Rechtsanwältin Gesine Reisert. „Die Beamten der Fahrerlaubnisbehörden sollen nicht generell unterstellen können, dass die Eignung durch einen Alkoholverstoß entfallen ist und erst belegt werden muss.“
Frage wird wohl vom Bundesverwaltungsgericht geklärt
Sollten das Bundesverwaltungsgericht diese Haltung teilen, verändert sich die Rechtslage in dieser Frage grundlegend.
Das aber glaubt Reisert nicht, die davon ausgeht, dass sich eine individuelle Prüfung auch beim Bundesverwaltungsgericht durchsetzen werde. Wissenschaftliche Untersuchungen jedenfalls existieren hierzu nicht, die eine frühere Tätigkeit der Behörden erfordern würden. Spannend werde die Entscheidung dennoch, denn womöglich wird sich das Leipziger Gericht zum 1,1-Promille-Grenzwert äußern.
Fehlende Rechtsmittel, um sich gegen eine MPU zu wehren
Neben dieser Problematik gibt es noch weitere Kritik am Verfahren des „Idiotentests“. Denn nach geltendem Recht ordnen keineswegs Gerichte eine MPU an, sondern die Fahrerlaubnisbehörde, die wiederum frei bei ihrer Entscheidung ist.
Die betroffene Person hat dann keine Möglichkeit, sich mit Rechtsmitteln gegen die MPU-Anordnung zu wehren. Sollte die Anordnung also zu Unrecht erfolgen und der Betroffene daher dieser nicht nachkommen, zieht die Behörde den Führerschein ein – sofort.
Der Deutsche Anwaltverein fordert daher bereits seit Jahren die Schaffung eines Rechtsmittels, um sich gegen die Anordnung zu wehren. Im Rahmen des Deutschen Verkehrsgerichtstags in Goslar Ende Januar wird ein neuer Versuch unternommen. Denn bis dato blieb jene Initiative der Anwaltschaft erfolglos.
Versicherung kann alkoholisierten Autofahrer nach Unfall in Regress nehmen
Wer alkoholisiert Auto fährt, riskiert nicht nur Führerscheinentzug und MPU. Kommt es zu einem Unfall, kann die Haftpflichtversicherung den Unfallverursacher auch in Regress nehmen, wenn er alkoholisiert war. Einen solchen Regress musste eine Autofahrerin leisten, die mit 0,67 Promille einen Autounfall verursachte. Sie hatte 75 Prozent des Schadensersatzes an die Versicherung zu zahlen, entschied das Amtsgericht Darmstadt am 11. Juni 2015 in einem Urteil (AZ: 317 C 137/14).
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV mitgeteilten Fall wollte eine Autofahrerin um drei Uhr früh mit ihrem Fahrzeug rückwärts aus einer schräg angelegten Parkbox herausfahren. Dabei übersah sie das auf der anderen Straßenseite stehende Auto und fuhr gegen das Fahrzeug. An dem Auto entstand ein Schaden von rund 3.000 Euro.
Gericht: Versicherung kann Regress verlangen
Bei der Frau wurden 0,67 Promille festgestellt. Nachdem deren Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden an dem anderen Fahrzeug reguliert hatte, wollte die Versicherung die Frau zu 75 Prozent in Regress nehmen. Als sie dagegen klagte, gab das Gericht der Versicherung Recht. Die Frau muss der Versicherung nun 75 Prozent des Betrags erstatten.
Für das Gericht stand fest, dass ein „alkoholtypischer Fahrfehler“ vorlag. „Durch den Genuss von Alkohol wird die Aufmerksamkeit eingeschränkt“, schreibt das Gericht im Urteil. Außerdem hatte die Autofahrerin ein stehendes Fahrzeug übersehen. Dies war eben auf den Alkohol zurückzuführen. Der Schaden an dem Auto war auch derart massiv, dass die Frau nicht nur mit geringer Geschwindigkeit gefahren sein konnte. Darüber hinaus lag mit 0,67 Promille eine „erhebliche Alkoholisierung“ vor.
- Datum
- Aktualisiert am
- 10.04.2017
- Autor
- ndm/red/DAV