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Verkehrs­tech­nologie

Datener­fassung im Auto: Der verratene Fahrer

Datenerfassung im Auto

Wie schnell warst du wirklich? Moderne Autos zeichnen immer mehr Daten auf. Der Fahrer kann davon bei einem Unfall profitieren – oder von seinem eigenen Fahrzeug überführt werden.

Einen Verkehrs­unfall zu rekonstruieren ist oft eine mühsame Aufgabe. Anhand von vagen Spuren müssen Gutachter darauf schließen, wie es zu einem Crash kommen konnte – und wer die Schuld trägt. Diese aufwendige Puzzle­arbeit könnte in Zukunft überflüssig sein. Denn auf viele Fragen der Unfall­ermittler lassen sich ganz leicht Antworten finden: Sie liegen versteckt in den Speicherchips der Autos.

Bis zu 80 Steuerungs­systeme überwachen in modernen Autos permanent das Fahrzeug und den Fahrer. Viele dieser Daten werden – zumindest kurzfristig – in internen Speichern abgelegt. Die Stellung des Gaspedals wird ebenso erfasst wie Zeitpunkt und Intensität jedes Bremsvorgangs. Position und Geschwin­digkeit sind ohnehin immer bekannt, GPS sei Dank.

Unfälle lassen sich schneller aufklären

Für die Datener­fassung gibt es gute Gründe: Dass Autos in den vergangenen Jahrzehnten ständig sicherer geworden sind, liegt vor allem an Systemen wie ABS, Airbags und Gurtstraffern. Diese technischen Helfer brauchen Daten, um richtig zu funktio­nieren. Ein Airbag kann beispielsweise nur richtig zünden, wenn die Geschwin­digkeit des Fahrzeugs bekannt ist.

Für Unfall­ermittler sind die digitalen Fahrzeugdaten pures Gold. Bei einem Zusammenstoß auf einer Kreuzung muss nun beispielsweise die Geschwin­digkeit der Fahrzeuge nicht mehr anhand der Defor­mation grob geschätzt werden. Ein Blick in den Fahrzeug­speicher liefert eindeutige Daten: Wie schnell war das Fahrzeug beim Zusammenprall? In welcher Sekunde hat der Fahrer gebremst? Es bleiben keine Zweifel.

Daten können gegen Fahrer verwendet werden

Doch die Datensam­melwut moderner Autos bringt auch gravierende rechtliche Probleme mit sich. Verursacht ein Autofahrer beispielsweise einen schweren Unfall und wird danach angeklagt, können die Daten seines Fahrzeugs gegen ihn verwendet werden.

„Nach heutiger Gesetzeslage wäre es möglich, dass die Ermitt­lungs­be­hörden nach einem Unfall die Daten eines Fahrzeuges auslesen und beschlag­nahmen“, sagt Dr. Daniela Mielchen von der Arbeits­ge­mein­schaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). Der Unfall­ver­ur­sacher hat meist selbst keinen Zugriff auf seine Daten und kann sie damit auch nicht zu seiner Vertei­digung nutzen. Das liegt auch an der ungeklärten Frage, wem die Fahrzeugdaten gehören. Die Automo­bil­her­steller verweigern in der Regel die Herausgabe bestimmter geschützter Daten. Diese verwenden die Unter­nehmen lieber selbst, wenn es darum geht, Ansprüche der Fahrzeug­be­sitzer abzuwehren. Außerdem soll die eigene Software vor dem Zugriff der Konkurrenz geschützt werden. Kaum einem Autokäufer ist bewusst, dass diese Praxis häufig in den Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Hersteller festge­schrieben ist.

„Für den Autofahrer kann sich die Situation ergeben, dass er von seinem eigenen Fahrzeug ‚verraten’ wird – ohne die Daten vorher selbst gesehen zu haben“, sagt die Verkehrs­rechtlerin Dr. Daniela Mielchen. „Das verletzt nicht nur das Recht auf informa­tionelle Selbst­be­stimmung, sondern lässt auch sein Aussage­ver­wei­ge­rungsrecht leer laufen.“

Auf dem Weg zum "gläsernen Fahrer"?

Sensible Fahrerdaten werden jedoch nicht nur in den Autos selbst gespeichert. Immer mehr Informa­tionen werden vom Auto auch versendet – ganz offiziell und teils sogar freiwillig. Seit 2015 ist das „eCall“-System Pflicht in allen Neuwagen. Es setzt bei einem Unfall einen automa­tischen Notruf ab und übermittelt den Standort. Vor kurzem startete zudem das erste Angebot, bei dem sich Versiche­rungs­kunden eine „Blackbox“ ins Auto einbauen lassen können, die wichtige Daten alle 20 Sekunden automatisch übermittelt – zum Beispiel die Geschwin­digkeit. Bei untadligem Fahrver­halten wird die Versicherung günstiger. Der Zugewinn an Komfort und Sicherheit hat seinen Preis: Neben der Gefahr eines Datenmiss­brauchs warnen Verkehrs­rechts­experten davor, dass immer mehr Daten zu einem „gläsernen Autofahrer“ führen könnten – mit unabsehbaren Folgen. „Es ist durchaus denkbar, dass einem Fahrer eines Tages die Fahrerlaubnis entzogen wird, weil seine Fahrzeugdaten für ein gefähr­dendes Fahrver­halten sprechen“, so Dr. Daniela Mielchen vom DAV.

Gesetzliche Regelungen fehlen

„Im Interesse der Autofahrer müsste die Datener­fassung im Fahrzeug deshalb dringend geregelt werden“, sagt Dr. Mielchen. Es müsse genau festgelegt werden, wer welche Daten wie lange speichert und weitergibt. Dabei müsse die Zustimmung der Fahrer eingeholt werden. „Die Fahrer sollten auch immer als erste Einsicht in die Daten haben, bevor diese weitergeben werden“, so Dr. Daniela Mielchen.

Wer heute schon freiwillig seine Daten abtritt, sollte sich genau überlegen, ob er damit ein gutes Geschäft macht. Der erste Versiche­rungstarif mit „Blackbox“ bringt vorbild­lichen Fahrern einen Rabatt von lediglich fünf Prozent.

Datum
Aktualisiert am
17.06.2019
Autor
pst
Bewertungen
17285
Themen
Auto Autounfall Datenschutz Führer­schein Unfall

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