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Verkehrsrecht

Anschnall­pflicht: Wann Sie im Auto ohne Gurt sein dürfen.

Wer den Sicherheitsgurt ignoriert, fährt gefährlich und riskiert Geldstrafen. © Quelle: kokotewan/fotolia.com

Wer in Deutschland das Auto nutzt, muss sich anschnallen. Die Regeln sind streng und Ordnungs­kräfte im Verteilen von Bußgeldern nicht zimperlich. Trotzdem gibt es im Straßen­verkehr Situationen, in denen ein Angurten nicht zwingend vorgeschrieben sein muss. Die Deutsche Anwalt­auskunft erklärt, wann Sie sich gegen Bußgeld wehren können.

Seit den siebziger Jahren gilt in Deutschland die Anschnall­pflicht. Gegen ihre Einführung wurde damals noch lautstark protestiert. Viele Autofahrer empfanden sie als Einschränkung der persön­lichen Freiheit. Kräftig in die Höhe schoss die Anschnallquote dann auch erst im Jahr 1984: Seitdem wird das Fahren ohne angelegten Sicher­heitsgurt mit Bußgeld bestraft.

Heute ist die Gurtpflicht längst gelebter Alltag. Den allermeisten Autofahrern ist auch bewusst, warum sie ein unschätzbarer Beitrag zur Sicherheit im Straßen­verkehr ist. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 zeigte trotzdem: Die Anschnallquote liegt unter deutschen Autofahrern zwar bei über 90 Prozent, war allerdings zuletzt wieder leicht rückläufig.

Dass der Verzicht auf den Sicher­heitsgurt keine gute Idee ist, zeigt eine Auswertung der Unfall­sta­tistik aus dem Jahr 2014: Jedes fünfte tödlich verunglückte Unfallopfer war nicht angeschnallt.

Wer ohne angelegten Gurt Auto fährt und erwischt wird, hat gemäß des aktuellen Bußgeld­ka­talogs 2016 mit einem Bußgeld in Höhe von 30 Euro zu rechnen. Wer nicht-angeschnallte Kinder transportiert, wird härter abkassiert: Neben dem Bußgeld in Höhe von 60 Euro bekommt der Fahrer zusätzlich einen Punkt in Flensburg.

Ausnahmen von der Anschnall­pflicht: In der Verkehrs­ordnung genau aufgelistet

Dass sich jeder Autofahrer sicher­heits­halber anschnallen sollte, kann nicht bestritten werden. Trotzdem kennt die deutsche Straßen­ver­kehrs­ordnung etliche Situationen, in denen für Autofahrer keine Anschnall­pflicht besteht – und daher auch kein Recht für Ordnungs­kräfte, ein Bußgeld zu verhängen.

Diese Ausnah­me­tat­be­stände werden in § 21 a Abs.1 StVO aufgeführt:

1. Personen beim Haus-zu-Haus-Verkehr, wenn sie im jeweiligen Leistungs- oder Auslie­fe­rungs­bezirk regelmäßig in kurzen Zeitab­ständen ihr Fahrzeug verlassen müssen.

Beispielsweise Paketboten oder andere Arbeiter im Liefer­betrieb müssen sich also nicht jedes Mal an- und abschnallen, wenn sie während einer Auslie­ferung von Haus zu Haus fahren.

2. Fahrten mit Schritt­ge­schwin­digkeit wie Rückwärts­fahren, Fahrten auf Parkplätzen, 

3. Fahrten in Kraftom­ni­bussen, bei denen die Beförderung stehender Fahrgäste zugelassen ist,

Gemeint sind hier vor allem öffentliche Verkehrsbusse, in denen keine Anschnall­pflicht gilt.

4. das Betriebs­personal in Kraftom­ni­bussen und das Begleit­personal von besonders betreu­ungs­be­dürftigen Personen­gruppen während der Dienst­leis­tungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern,

5. Fahrgäste in Kraftom­ni­bussen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 t beim kurzzeitigen Verlassen des Sitzplatzes.

Vorsicht ist in Reisebussen geboten: sind Sicher­heitsgurte vorhanden, greift die Anschnall­pflicht. Bei Nichtanlegen wird im Zweifelsfall auch hier ein Bußgeld in Höhe von 30 Euro fällig.

Gelegentlich sind auch Meldungen über bestimmte Personen­gruppen im Umlauf, welche angeblich von der Anschnall­pflicht befreit sein sollen. Was entspricht der Wahrheit?

Rechts­mythos 1: Keine Gurtpflicht für Hochschwangere.

Hartnäckig hält sich das Gerücht, eine weitere Personen­gruppe, die von der Pflicht, sich anzuschnallen, befreit sei, wären Hochschwangere – ein Mythos.

Nur in Ausnah­me­fällen ist eine Schwangere von der Anschnall­pflicht befreit. Dazu muss sie allerdings ein ärztliches Gutachten vorweisen. Aus ihm muss hervorgehen, dass durch das Anlegen des Sicher­heits­gurtes eine Gefährdung für Mutter und Kind ausgeht. Aber damit nicht genug: Das Schreiben muss zusätzlich noch vom Ordnungsamt bestätigt werden.

Rechts­mythos 2: Keine Gurtpflicht für Taxifahrer

Eine weitere Personen­gruppe, die sich vermeintlich nicht anschnallen muss, sind Taxifahrer. Auch das stimmt nicht, zumindest nicht mehr. Bis November 2014 galt tatsächlich eine Ausnah­me­re­gelung für Fahrer von Taxis und Mietwagen: Während der Fahrgast­be­för­derung mussten sie sich nicht angurten. Nach einer Änderung der Straßen­ver­kehrs­ordnung ist diese Ausnahme allerdings vom Tisch. Für Taxi- und Mietwa­gen­fahrer gelten mittlerweile die gleichen Anschnall­pflichten, wie für jeden anderen Autofahrer!

Gerichts­urteil bestätigt: Anfechtung von Bußgeld kann erfolgreich sein

Trotz der strengen Regeln zeigt die Rechtsprechung: Bürger können sich gegen unrechtmäßig verhängte Bußgelder erfolgreich wehren. So etwa bei einem im Mai 2016 vom Amtsgericht Lüding­hausen gefällten Urteil. 

Die Situation: Ein Autofahrer parkte auf dem Parkplatz einer Gastronomie ab, die an einem Kreisverkehr lag. Dort kaufte er ein und wollte anschließend eine Apotheke aufsuchen, die direkt auf der anderen Seite des Kreisverkehrs lag. Dazu durchfuhr er mit Schritt­ge­schwin­digkeit den Kreisverkehr und hatte dabei keinen Sicher­heitsgurt angelegt.

Der Autofahrer fuhr in Schritt­ge­schwin­digkeit unmittelbar nach dem Kreisverkehr auf einen Parkstreifen. Dabei wurde er von einer Polizei­streife gesehen. Die verhängte gegen den Fahrer ein Bußgeld, wegen Verstoßes gegen §§ 21a Abs.1, 49 StVO, 24 StVG. Dagegen wehrte sich der Autofahrer vor Gericht. 

Vor Gericht bestätigte der beteiligte Polizei­beamte, der als Zeuge vernommen wurde, dass der Betroffene aus dem Parkplatz­bereich der Gastronomie gekommen sei und langsam, vielleicht auch in Schritt­ge­schwin­digkeit, den Kreisverkehr durchfahren habe.

Die Entscheidung des Gerichts war dementsprechend: Im Zweifel müsse zu Gunsten des Betroffenen davon ausgegangen werden, dass er zur Tatzeit mit Schritt­ge­schwin­digkeit gefahren sei und dementsprechend den Ausnah­me­tat­bestand des § 21 a Abs.1 Satz 2 Nr.3 StVO erfüllt hat. Der Fahrer wurde freige­sprochen und musste kein Bußgeld zahlen.

Die Tatsache, dass der Betroffene sich zur Tatzeit im fließenden Verkehr befand und dort üblicherweise schneller gefahren wird, spielte für das Gericht keine Rolle.

Anfechtung von Bußgeld: So kann ein Anwalt helfen.

Nach einer begangenen Ordnungs­wid­rigkeit erhält der Verkehrs­sünder noch vor der Zustellung des Bußgeld­be­scheids einen Anhörungsbogen. Dieser Bescheid ist vor allem dafür da, dem Fahrer, bzw. dem Fahrzeug­halter, denn der erhält den Anhörungsbogen, grundsätzlich die Gelegenheit zu geben, sich zu der Sache zu äußern. Ist ein Famili­en­an­ge­höriger gefahren, stehen dem Fahrzeug­halter allerdings Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­rechte zur Seite; hier sollte man sich anwaltlich beraten lassen.

Gesine Reisert, Fachan­wältin für Verkehrsrecht und Strafrecht, empfiehlt deshalb, frühzeitig Rechtsrat einzuholen: „Wartet man, bis der Bescheid kommt, wird die Zeit knapp und die Fristen laufen. Je früher der Anwalt eingeschaltet wird, umso schneller kann das Verfahren gestoppt und beendet werden.“ Dieser wird sich den Vorgang beschaffen, um die Situation einschätzen zu können.

Die erfahrene Rechts­an­wältin rät außerdem, Ort und Situation des Vorfalls mit Fotos zu dokumen­tieren und zum Beratungs­termin beim Anwalt/ bei der Anwältin mitzubringen. Ist man aus gesund­heit­lichen Gründen von der Anschnall­pflicht befreit, sollten entspre­chende Belege und ärztliche Gutachten ebenfalls parat sein.

Wer schnell und bestimmt vorgeht, kann dadurch schon vor Erlass des Bescheides eine Einstellung herbei­führen. Ansonsten ergeht der Bußgeld­be­scheid, gegen den dann Rechts­mittel eingelegt werden muss. In der Folge wird die Angele­genheit mit viel Aufwand vor dem Bußgeld­richter verhandelt. Rechts­an­wältin Reisert: „Viel besser ist es daher, seine Argumente zur Meinungs­bildung bei der Behörde frühzeitig mit anwalt­licher Hilfe vorzubringen: Denn liegt die Sache erst beim Richter, ist es schwerer ihn davon zu überzeugen, dass sich die Behörde geirrt hat.“

Bei Problemen mit Ordnungs­wid­rig­keiten im Straßen­verkehr wenden Sie sich am Besten so zeitig wie möglich an unsere Experten im Verkehrsrecht.

Datum
Aktualisiert am
18.11.2016
Autor
psu
Bewertungen
42695 1
Themen
Auto Autounfall Bußgeld Strafzettel Straßen­verkehr

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