Das Landessozialgericht in Stuttgart hat am 21. Januar 2016 eine Entscheidung gefällt, die viele kulturell engagierte Vereine in Deutschland betreffen könnte: Die Stuttgarter Richter haben entschieden, dass der Verein Freiburger Bachchor keine laufenden Künstlersozialabgaben zahlen muss. Das liegt daran, dass der Verein kein so genannter Verwerter künstlerischer Werke ist, wie die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) erläutert. Eine entgegenstehende Entscheidung des Sozialgerichts Freiburg wurde damit korrigiert (AZ: L 11 R 584/14).
Wer ist Verwerter nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz?
Der Fall im Einzelnen: Der Verein Freiburger Bachchor e.V. ist der Trägerverein des weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Freiburger Bachchors. Rund 120 Laiensängerinnen und -sänger sind darin engagiert. Zwei Drittel davon sind Vereinsmitglieder. Der Chor gibt regelmäßig Konzerte. Die Sängerinnen und Sänger erhalten dafür jedoch keine Vergütung.
Vorbereitet werden die Konzerte durch wöchentlich stattfindende Proben sowie zusätzliche Probenwochenenden vor den jeweiligen Auftritten. Zudem finden Chorfahrten zu Partnerchören und andere gemeinsame Aktivitäten der Chormitglieder statt. Vereinszweck ist etwa die Freizeitgestaltung, die Pflege des gemeinsamen Hobbys, die Freude am gemeinsamen Musizieren, der regelmäßige gesellschaftliche Kontakt in der Gruppe sowie die Aufrechterhaltung und Förderung des Vereinslebens.
Für einige Auftritte im Jahr lässt sich der Chor von zusätzlich engagierten Solisten und Instrumentalmusikern begleiten. Diese werden auch bezahlt. Das nahm die Deutsche Rentenversicherung zum Anlass, Künstlersozialabgaben zu fordern. Wegen dieser Auftritte sei der Freiburger Bachchor kein typischer Laienchor, sondern ein sogenannter Verwerter nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte daraufhin im Jahr 2010 für den Verein Freiburger Bachchor e.V. eine Abgabepflicht ab dem Jahr 2004 fest. Für diese Jahre forderte sie eine deutlich fünfstellige Summe als Nachzahlung. Für die Zukunft setzte sie monatliche Vorauszahlungen fest. Vor dem Sozialgericht in Freiburg unterlag der Chor mit seiner Klage. Die Berufung beim Landessozialgericht hatte aber im wesentlichen Erfolg.
Wann muss ein Verein Künstlersozialabgaben zahlen?
Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist der wesentliche Vereinszweck der Betrieb eines Laienchores mit Organisation eigener, von den Mitgliedern getragener, nicht kommerzieller Veranstaltungen. Der Vereinszweck ist also nicht überwiegend darauf ausgerichtet, künstlerische oder publizistische Werke öffentlich aufzuführen.
Für das Gericht war das hohe Gewicht des nicht kommerziellen Vereinszwecks wesentlich – das typische Vereinsleben also. Dagegen spreche nicht, dass der Chor einen hohen künstlerischen Anspruch habe. Es gehe eben nicht überwiegend darum, künstlerische Werke öffentlich aufzuführen. Öffentliche Veranstaltungen des Chores fänden nur drei- bis viermal jährlich statt. Lediglich für diese würden Solisten und Instrumentalmusiker gegen ein Honorar von außen engagiert.
Vereine und Sozialabgaben: Pflicht zur Zahlung ab mehr als drei kommerziellen Auftritten jährlich
Als Grenze legte das Gericht mehr als drei solcher Auftritte jährlich fest. Seit 2004 gab es nur in drei Jahren mehr als drei solcher kommerzieller Auftritte. Eine Künstlersozialabgabepflicht wurde für die Jahre 2004, 2007 und 2008 festgestellt. In diesen hatte der Verein jeweils mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt, bei denen entgeltliche Aufträge an selbstständige Künstler vergeben worden waren.
Vereine sollten also überlegen, wie oft sie jährlich solche Veranstaltungen haben. Im Zweifel sollten sie sich aber an einen Sozialrechtsanwalt wenden und sich beraten lassen.
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- red/dpa