Bundes­so­zi­al­gericht

Unverhei­ratete: Kein Geld für künstliche Befruchtung

Wem zahlen die gesetzlichen Krankenkassen künstliche Befruchtungen? © Quelle: Science Photo Library/corbisimages.com

Wenn es mit dem Wunschkind nicht klappt, setzen viele Eltern auf die Medizin und lassen eine künstliche Befruchtung durchführen. Dieses Verfahren zahlen die Gesetz­lichen Kranken­kassen anteilig - aber nur verhei­rateten Paaren. Das wird nach einem Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts auch so bleiben.

Ein Urteil über Grundsatz­fragen hat heute das Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) in Kassel gefällt. Demnach dürfen gesetzliche Kranken­ver­si­che­rungen unverhei­rateten Paaren keine Zuschüsse für ihre Kinder­wunsch­be­handlung zahlen. Damit haben die Richter die bisherige Praxis der Kranken­kassen bestätigt. Denn diese beteiligen sich bisher nur bei verhei­rateten Paaren an den Kosten für künstliche Befruch­tungen. Paare, die ohne Trauschein zusammen leben, mussten und müssen auch in Zukunft die Kinder­wunsch­be­hand­lungen aus eigener Tasche finanzieren (AZ: B 1 A 1/14 R).

Das BSG hat entschieden, dass es rechtens ist, wenn gesetzliche Kranken­kassen nur Eheleuten die künstliche Befruchtung bezahlen. Die Begründung veröffentlicht das BSG erst in einigen Wochen, doch in einem Termin­bericht heißt es: „Die Begrenzung auf miteinander verhei­ratete Eheleute und eine homologe Insemi­nation prägt den gesetz­lichen Anspruch auf künstliche Befruchtung. Ihm liegt verfas­sungs­konform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbe­ziehung von Mann und Frau zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann."

Weiter heißt es im Termin­bericht: "Das Gesetz durfte die Ehe als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindes­wohl­be­langen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partner­schaft. Hiervon weicht die betroffene Satzungs­re­gelung grundlegend ab.“

Dürfen Kassen über ihren Leistungs­katalog entscheiden?

Den heute verhan­delten Rechts­streit hat eine gesetzliche Kranken­ver­si­cherung aus Berlin ins Rollen gebracht. Diese wollte auch ledigen Paaren, die bei ihr versichert sind, die Kinder­wunsch­be­hand­lungen bezuschussen und änderte dafür 2012 ihre Satzung. Doch das Bundes­ver­si­che­rungsamt stellte sich quer und verbot die Änderung. Dagegen klagte die Krankenkasse, die BKK Verkehrsbau Union (BKK VBU), scheiterte 2013 aber vor dem Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg. Dieses argumen­tierte: Es gebe einen klaren gesetz­lichen Rahmen, eine Krankenkasse dürfe ihn über eine Satzungs­än­derung nicht zur Disposition stellen (AZ: L 1 KR 435/12 KL).

Unterschiedliche Behandlung verhei­rateter und lediger Paare verfas­sungsgemäß?

Ein Blick auf diesen Rahmen zeigt, dass rechtlich derzeit tatsächlich nur Ehepaaren ein Zuschuss zur Kinder­wunsch­be­handlung zusteht. Zwar legt Paragraph 11 des Sozial­ge­setz­buches (SBG) V fest, dass Kassen einen Spielraum haben, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Medikamente oder medizi­nischen Behand­lungen sie in ihren Leistungs­katalog aufnehmen und ihren Versiche­rungen zahlen wollen. „Die Voraus­setzung dafür ist aber, dass der Gemeinsame Bundes­aus­schuss (GBA) diese Leistungen nicht ausgeschlossen hat“, erklärt der Frankfurter Rechts­anwalt Martin Schafhausen von der Arbeits­ge­mein­schaft Sozialrecht im Deutschen Anwalt­verein (DAV). „Zuschüsse für eine Kinder­wunsch­be­handlung lediger Paare schließt der GBA aus.“

Solchen Zuschüssen entgegen steht auch Paragraph 27a des SBG V. „Dieser Paragraph macht deutlich, dass gesetzliche Kranken­kassen nur verhei­rateten Paaren die Kinder­wunsch­be­handlung mitfinan­zieren dürfen“, sagt der Sozial­rechts­experte Martin Schafhausen. „Diese Rechtslage hat auch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bestätigt.“

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte 2007 in einem Urteil klar, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, wenn Kranken­kassen verhei­ratete und ledige Paaren bei der künstlichen Befruchtung unterschiedlich behandelten (AZ: 1 BvL 5/03). Dem Gesetzgeber stehe es aber frei, auch nichtehe­lichen Lebens­ge­mein­schaften die Kosten zu gewähren.

Doch der Gesetzgeber hat sich in dieser Frage bislang bedeckt gehalten. Allerdings haben sich nach dem Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts die Opposi­tons­parteien im Bundestag für eine Gesetzes­än­derung ausgesprochen.

Wer bekommt Zuschüsse zur künstlichen Befruchtung?

Ob es dazu kommt, wird die Zukunft zeigen. Bis zu einer Änderung des Gesetzes aber gilt die alte Rechtslage weiter. Und diese sieht vor, dass  Kranken­ver­si­che­rungen verhei­rateten Paaren dann einen Zuschuss zur Kinder­wunsch­be­handlung gewähren müssen, wenn bei ihnen eine medizi­nische Indikation vorliegt. Mediziner müssen also diagnos­tiziert haben, dass der Mann oder die Frau unfruchtbar sind und auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen oder bekommen können.

Bei diesen Paaren beteiligen sich die Kranken­kassen seit der Gesund­heits­reform von 2004 nur noch an der Hälfte der Kosten. Aber manche Kranken­kassen sind kulant und zahlen mehr. Insgesamt finanzieren die Kassen drei Behand­lungs­zyklen. Sie zahlen aber nur verhei­rateten Paaren in einem bestimmten Alter die Kinder­wunsch­be­hand­lungen: Frau und Mann müssen über 25 Jahre alt sein, die Frau aber nicht älter als 40, der Mann nicht über 50.

Bei privat Versicherten hängt der Kosten­zu­schuss ihrer Versicherung davon ab, was ihr Versiche­rungs­vertrag vorsieht und welche Regeln sie mit ihrem privaten Versicherer ausgehandelt haben. Privat Versicherte sollten sich vor einer Kinder­wunsch­be­handlung mit ihrer Krankenkasse verständigen.

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