Ein Urteil über Grundsatzfragen hat heute das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gefällt. Demnach dürfen gesetzliche Krankenversicherungen unverheirateten Paaren keine Zuschüsse für ihre Kinderwunschbehandlung zahlen. Damit haben die Richter die bisherige Praxis der Krankenkassen bestätigt. Denn diese beteiligen sich bisher nur bei verheirateten Paaren an den Kosten für künstliche Befruchtungen. Paare, die ohne Trauschein zusammen leben, mussten und müssen auch in Zukunft die Kinderwunschbehandlungen aus eigener Tasche finanzieren (AZ: B 1 A 1/14 R).
Das BSG hat entschieden, dass es rechtens ist, wenn gesetzliche Krankenkassen nur Eheleuten die künstliche Befruchtung bezahlen. Die Begründung veröffentlicht das BSG erst in einigen Wochen, doch in einem Terminbericht heißt es: „Die Begrenzung auf miteinander verheiratete Eheleute und eine homologe Insemination prägt den gesetzlichen Anspruch auf künstliche Befruchtung. Ihm liegt verfassungskonform die Ehe als rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau zugrunde, in der gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann."
Weiter heißt es im Terminbericht: "Das Gesetz durfte die Ehe als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. Hiervon weicht die betroffene Satzungsregelung grundlegend ab.“
Dürfen Kassen über ihren Leistungskatalog entscheiden?
Den heute verhandelten Rechtsstreit hat eine gesetzliche Krankenversicherung aus Berlin ins Rollen gebracht. Diese wollte auch ledigen Paaren, die bei ihr versichert sind, die Kinderwunschbehandlungen bezuschussen und änderte dafür 2012 ihre Satzung. Doch das Bundesversicherungsamt stellte sich quer und verbot die Änderung. Dagegen klagte die Krankenkasse, die BKK Verkehrsbau Union (BKK VBU), scheiterte 2013 aber vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Dieses argumentierte: Es gebe einen klaren gesetzlichen Rahmen, eine Krankenkasse dürfe ihn über eine Satzungsänderung nicht zur Disposition stellen (AZ: L 1 KR 435/12 KL).
Unterschiedliche Behandlung verheirateter und lediger Paare verfassungsgemäß?
Ein Blick auf diesen Rahmen zeigt, dass rechtlich derzeit tatsächlich nur Ehepaaren ein Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung zusteht. Zwar legt Paragraph 11 des Sozialgesetzbuches (SBG) V fest, dass Kassen einen Spielraum haben, wenn es darum geht, zu entscheiden, welche Medikamente oder medizinischen Behandlungen sie in ihren Leistungskatalog aufnehmen und ihren Versicherungen zahlen wollen. „Die Voraussetzung dafür ist aber, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) diese Leistungen nicht ausgeschlossen hat“, erklärt der Frankfurter Rechtsanwalt Martin Schafhausen von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). „Zuschüsse für eine Kinderwunschbehandlung lediger Paare schließt der GBA aus.“
Solchen Zuschüssen entgegen steht auch Paragraph 27a des SBG V. „Dieser Paragraph macht deutlich, dass gesetzliche Krankenkassen nur verheirateten Paaren die Kinderwunschbehandlung mitfinanzieren dürfen“, sagt der Sozialrechtsexperte Martin Schafhausen. „Diese Rechtslage hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.“
Das Bundesverfassungsgericht stellte 2007 in einem Urteil klar, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar sei, wenn Krankenkassen verheiratete und ledige Paaren bei der künstlichen Befruchtung unterschiedlich behandelten (AZ: 1 BvL 5/03). Dem Gesetzgeber stehe es aber frei, auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften die Kosten zu gewähren.
Doch der Gesetzgeber hat sich in dieser Frage bislang bedeckt gehalten. Allerdings haben sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts die Oppositonsparteien im Bundestag für eine Gesetzesänderung ausgesprochen.
Wer bekommt Zuschüsse zur künstlichen Befruchtung?
Ob es dazu kommt, wird die Zukunft zeigen. Bis zu einer Änderung des Gesetzes aber gilt die alte Rechtslage weiter. Und diese sieht vor, dass Krankenversicherungen verheirateten Paaren dann einen Zuschuss zur Kinderwunschbehandlung gewähren müssen, wenn bei ihnen eine medizinische Indikation vorliegt. Mediziner müssen also diagnostiziert haben, dass der Mann oder die Frau unfruchtbar sind und auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen oder bekommen können.
Bei diesen Paaren beteiligen sich die Krankenkassen seit der Gesundheitsreform von 2004 nur noch an der Hälfte der Kosten. Aber manche Krankenkassen sind kulant und zahlen mehr. Insgesamt finanzieren die Kassen drei Behandlungszyklen. Sie zahlen aber nur verheirateten Paaren in einem bestimmten Alter die Kinderwunschbehandlungen: Frau und Mann müssen über 25 Jahre alt sein, die Frau aber nicht älter als 40, der Mann nicht über 50.
Bei privat Versicherten hängt der Kostenzuschuss ihrer Versicherung davon ab, was ihr Versicherungsvertrag vorsieht und welche Regeln sie mit ihrem privaten Versicherer ausgehandelt haben. Privat Versicherte sollten sich vor einer Kinderwunschbehandlung mit ihrer Krankenkasse verständigen.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 21.11.2014
- Autor
- ime