Die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) stärkten zunächst einmal ganz grundsätzlich die Rechte unverheirateter Eltern. Denn sie legten fest, dass sich Versorgungsansprüche der Mutter auch daraus ergeben können, wenn beide Partner gemeinsam entscheiden, ihr Kind lieber zu Hause zu betreuen. Damit räumt der BGH Eltern, die ohne Trauschein zusammenleben, mehr Gestaltungsspielraum ein als Alleinerziehenden (AZ: XII ZB 693/14).
Der Vater einer Patchwork-Familie darf damit neu hoffen, keinen Unterhalt für seinen pflegebedürftigen Vater zahlen zu müssen – er findet, dass er wie ein Ehemann Frau und Kinder versorgt und die Familie deshalb vorgeht.
Der konkrete Fall muss nun neu verhandelt und entschieden werden, wie die Richter mitteilten. Demnach wird sich zeitnah das Oberlandesgericht Nürnberg erneut mit der Frage beschäftigen.
Elternunterhalt trotz Versorgung der Familie: Worum vor dem BGH gestritten wurde
Das Land Berlin verlangt von dem Familienvater insgesamt rund 15.000 Euro an Sozialleistungen für die Pflege seines Vaters – rückwirkend. Die Behörden sind der Ansicht, dass der Vater, der seit Jahren in seiner Berliner Wohnung von einem Pflegedienst versorgt wird, von seinem Sohn mit monatlich 271 Euro unterstützt werden muss (und in den vergangenen Jahren hätte unterstützt werden müssen). Der aber sieht das nicht ein, da er – wenn er mit seiner Lebensgefährtin verheiratet wäre – mehr Geld für seine Familie zurückbehalten dürfte.
Der Sohn lebt seit 2007 mit seiner Lebensgefährtin zusammen, gemeinsam haben beide eine siebenjährige Tochter. Zudem hat die Frau aus einer früheren Ehe zwei Kinder.
Der Mann, der netto knapp 3500 Euro verdient, will erreichen, dass das deutlich niedrigere Einkommen seiner Partnerin bei der Berechnung zu seinen Gunsten berücksichtigt wird - so wäre es in einer Ehe. Die Chancen, dass er damit Erfolg hat, sind mit der Entscheidung des BGH gestiegen. Das Oberlandesgericht Nürnberg ist nun am Zug.
Hintergrund zum Elternunterhalt
„Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.“ Dieser Satz steht im Bürgerlichen Gesetzbuch und fasst im Grunde zusammen, was sich hinter dem Elternunterhalt verbirgt: Können die pflegebedürftigen Eltern ihren Lebensbedarf mit ihrer Rente, dem eigenen Vermögen und dem Pflegegeld nicht decken und sind die Kinder dazu in der Lage, werden sie herangezogen, wenn es darum geht, die Eltern finanziell zu unterstützen. Oder wie es im Behördendeutsch heißt: Neben der Bedürftigkeit der Eltern muss gleichsam die Leistungsfähigkeit des Kindes gegeben sein.
Enkelkinder können dabei nicht zur Zahlung verpflichtet werden. Der Sozialhilferegress greift nur bei den Kindern. Hier wiederum kommen auch die Schwiegerkinder ins Spiel, denn wenn das Kind verheiratet ist, wird auch auf das Einkommen und Vermögen des Ehepartners geschaut.
In der Regel wird diese Frage relevant, wenn die Eltern in Alters- oder Pflegeheimen untergebracht werden, die oftmals notwendig, aber auch teuer sind. Doch auch bei ambulanter häuslicher Pflege können Unterhaltsforderungen durch die Sozialhilfeträger auftreten.
Üblicherweise übernehmen hierbei die Sozialämter zunächst die offene Summe beziehungsweise die Zahlungen, gleichzeitig geht auf sie der Unterhaltsanspruch der Eltern über – und die Ämter wenden sich dann an die Kinder. Sollten mehrere Kinder aus einer Partnerschaft hervorgegangen sein, so haften sie mitunter alle – je nach Einkommens- und Vermögensstand.
Ältere Urteile zum Elternunterhalt
In der Vergangenheit haben sich Gerichte immer wieder mit dem Elternunterhalt beschäftigt. 2010 etwa wies der Angeklagte darauf hin, dass er seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt und diese ihn als Kind schlecht behandelt habe, was somit eine „unbillige Härte“ bedeuten würde, wenn er gegenüber dem Sozialhilfeträger nun für den Unterhalt der Mutter aufkommen müsse. Der BGH entschied damals: Der Beklagte habe dennoch Unterhalt an seine Mutter bzw. den Sozialhilfeträger zu entwenden (AZ: XII ZR 148/09).
Ähnlich entschieden die Richter auch Anfang 2014, als ein Sohn sich weigerte, für seinen Vater zu zahlen, da er jahrzehntelang keinen Kontakt zu ihm gehabt habe. Doch entschied der BGH, dass auch dann kein Anspruch auf Verwirkung von Elternunterhalt besteht, wenn das Elternteil einseitig Kontakt zum Kind abgebrochen hat (AZ: XII ZB 607/12). Wie diese beispielhaften Fälle zeigen, sind Fragen rund um den Elternunterhalt immer wieder Gegenstand von Gerichtsverhandlungen. Sollten auch Sie mit den Behörden im Streit sein, empfiehlt es sich, frühzeitig rechtlichen Beistand zu holen. Hier finden Sie viele Sozialrechtsexpertinnen und Sozialrechtsexperten.
- Datum
- Aktualisiert am
- 10.03.2016
- Autor
- red/dpa